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Schule mit drei Punkten und ohne Tafel

Bezirkszeitungs-Redakteurin Marion Umgeher begleitete den 16-jährigen Mario einen Schultag lang im Bundesblinden-Institut in der Wittelsbachstraße im 2. Bezirk in Wien.

Am Montag, kurz vor 8 Uhr in der Wittelsbachstraße 5, Treffpunkt beim Portier. “Komm, wir müssen uns beeilen! Der Unterricht beginnt gleich”, empfängt mich Mario und eilt so schnelldurch die Gänge, dass ich ihm kaum folgen kann.

In der Klasse angelangt, fällt auf: Hier gibt es keine Tafel, wie in anderen Schulen üblich, dafür ist jeder Arbeitsplatz mit einem Computer ausgestattet. Marios Computer ist an einen Overhead-Projektor angeschlossen, der Texte und Bilder auf dem Bildschirm vergrößert wiedergeben kann. Die herkömmliche Überschrift in einem Magazin wird damit etwa daumengroß dargestellt. Und wie das Gerät in der Praxis funktioniert, zeigt sich kurz darauf im Deutsch Unterricht von Klassen-Lehrerin Christine Brugger-Richter.

Auf dem Programm steht heute ein Artikel über Geisterschiffe im Magazin des österreichischen Jugendrotkreuz. Niko, der einzige völlig blinde Schüler der sechsköpfigen Klasse beginnt zu lesen, denn das Heft wird auch in Brailleschrift übersetzt. Der Reihe nach liest jeder Schüler einige Zeilen. Christopher und David lesen den Text ohne technische Hilfemittel. Sie müssen manchmal ein bisschen gebremst werden, damit die anderen Kollegen an den Vergrößerungsgeräten mit ihnen Schritt halten knnen. Jeder nimmt auf die Bedürfnisse des anderen Rücksicht, erinnert Lehrerin Christine Brugger-Richter.

Anschließend steht Werken auf dem Stundenplan. Auf dem Weg zum Werkraum kommen wir an den Ausstellungsstücken der Bürstenmacher vorbei. Denn auch die Berufsausbildung ist im Bundes-Blindenerziehungsinstitut seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil. Angeboten wird etwa eine Lehre in der Korb- und Möbelflechterei oder in der Bürsten- und Pinselmacherei. Außerdem können sich die Schüler zum Heilmasseur ausbilden lassen. Im Werkunterricht ist Marios Klasse gerade mit dem Bau eines kleinen Segelfliegers beschäftigt. Werken zählt neben Sport zu Marios liebsten Fächern. Endlich bietet sich die Gelegenheit, um mit ihm ausführlicher zu plaudern: “Ich komme ursprünglich aus Herzogenburg in Niederösterreich. Dort bin ich auch in die Volksschule gegangen und seit etwa sechs Jahren bin ich hier im Bundesblindeninstitut.”

Computer sind Marios große Leidenschaft, verrät er mir später. Daher möchte er später vielleicht EDV-Techniker werden. “Aber ich könnte mir auch vorstellen, im Büro zu arbeiten”, so Mario über seine Berufspläne. Beide Bereiche werden ebenfalls im BBI unterrichtet: Zur Wahl stehen neben einem Lehrgang für Telekommunikation auch eine dreijährige Handelsschule.

Nach dem Mittagessen zeigt mir Mario auch sein Zimmer im Internat. Jedes Wochenende gehts jedoch wieder zurück zu den Eltern nach Niederösterreich. Damit sich Mario und seine Mitschüler sicher durch die Gänge des Hauses und auch auf der Straße bewegen können, gibt es spezielle Übungen am Stundenplan wie das Orientierungs- und Mobilittstraining. Ziel ist dabei das bewusste und eigenständige Handeln im Alltag von Blinden und Sehbehinderten. Dazu wird etwa das Bentzen von Rolltreppen und Aufzügen oder das Einkaufen im Umgebungsviertel trainiert. Und auch lebenspraktische Fähigkeiten werden hier unterrichtet. Darunter fallen alltägliche Handlungen, die sehende Menschen im Laufe ihrer Entwicklung problemlos erlernen wie etwa das Eingießen von Tee in eine Tasse.

Übrigens: Im Haus ist auch das Blinden-Museum untergebracht. Führungen werden nach Anmeldung gerne angeboten.

Weitere Informationen zum Bundesblindeninstitut unter Tel. 728 08 66 oder im Internet auf der Seite http://www.bbi.at

Wittelsbachstraße 5, Vienna, Austria

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