Von außen ist dem Massivholzbau die innere Komplexität nicht anzusehen. Dabei war es eine Herausforderung, das vielseitige Raumprogramm aus Volksschule, Kindergarten und Spielgruppe, Musikschule und Ganztagsbetreuung in einem Gebäude vernünftig unterzubringen. Nutzungen überlappen einander, manches muss hingegen getrennt funktionieren, etwa wenn Vereine oder der Chor das Haus für ihre Treffen nutzen. Alle brauchen Zugang in den attraktiven Garten, zu Mittagstisch und Bewegungsraum, während die Arbeit in den beiden zweistufigen Schulklassen oben und das Spiel der Kleinen unten getrennt voneinander und ungestört möglich sein müssen.
Bauklötzchenartig wurden die einzelnen Raumbereiche in geometrischer Klarheit zusammengefügt. Über einem grauen Sockelgeschoß steht der Holzbau parallel zum Hang im sanft abfallenden Gelände. Die Unterrichtszimmer, Kindergarten und Bewegungsraum sind mit raumhohen Fensterreihen nach Süden orientiert. Über den Klassen ist das Dach zum Pult angehoben, um vor allem in den Wintermonaten, wenn die Sonne hinterm Berg bleibt, etwas mehr Licht hereinzubringen. Mittig durchgesteckt, zu erkennen an den schwarzen Quadraten in der Ost- und Westfassade, liegt die von Architekt Christian Zottele so genannte „Röhre“: In der Mitte Erschließungszone und Gemeinschaftsbereich, finden sich an den beiden Enden Räume für die Arbeit in der Gruppe. Sie dienen als praktische Erweiterungen für die Klassen und werden besonders gern benutzt. Das liegt bestimmt auch an den großen Fenstern, die feine Panoramen eröffnen – einerseits zur Kirche, andererseits hinunter ins Dorf. Im Norden sind die Sanitäranlagen, Lagerräume und Büros untergebracht. Eine Ausnehmung im Volumen ergibt einen geschützten Vorbereich für den Haupteingang.
Der hinterlüftete Fassadenschirm wurde ungewöhnlich robust aus acht Zentimeter starken Fichtenbrettern gefertigt, wie ein Blockbau. „Wir wollten zeigen, dass es ein massiver Holzbau ist“ erklärt Christian Zottele im Foyer und deutet auf die tragenden Wände aus Kreuzlagenholz, „das ist im Grunde der sichtbare Rohbau“. Der bewusst zimmermannsmäßige Charakter knüpft an traditionelle Walser Bauformen im Brandnertal an. Die gehackten Balken blieben meist roh und unverkleidet. Um Nos- talgie oder Nachahmung geht es den Architekten nicht, eher um Schlichtheit in Form und Material: „Kinder sind oft reizüberflutet, das führt zu Unruhe und Hektik“, kennt Zottele die Problematik in vielen Schulen, „wir wollten ein ruhiges Gebäude, das geerdet und selbstverständlich da steht.“ Die Oberflächen nehmen sich zurück: Naturbelassenes Holz, Beige- und Brauntöne, ein bisschen Rot für Linoleumböden in den Schmutzbereichen und als Farbtupfer an der Fassade. Alles andere an Lebendigkeit, Farbe und Schönheit bringen Kinder, Pädagoginnen und Tante Susi selbst hinein. Der geerdete und ruhige Eindruck ergibt sich zudem aus der klaren Blickregie im Haus. Die Zimmer haben eindeutige Richtungen und Sichtbeziehungen untereinander und nach draußen. Das schafft Orientierung und lässt die Umgebung mit der spannenden Topografie des Gebirgstals nach innen wirken.
Ruhe hat gerade im Schulbau aber vor allem mit Akustik zu tun. Schulleiterin Silvia Märk ist deshalb froh, Architekt Zottele stolz, dass es gelungen ist, das Gebäude schalltechnisch besonders gut in den Griff zu bekommen. Der Detailaufwand dafür war beträchtlich. Um Schallübertragungen zu vermeiden, besteht die Schule konstruktiv im Grunde aus sechs unabhängigen Häusern, die statisch und akustisch komplett voneinander entkoppelt sind. Abgehängte Akustikdecken mit teils verstellbaren Absorberflächen gewährleisten außerdem optimale Raumakustik, im Musikraum im Untergeschoß sogar abgestimmt auf unterschiedliche Instrumente. Dass Schurwolle als Absorbermaterial dient, passt zum ökologischen Gesamtkonzept, möglichst regionale, unbehandelte und naturbelassene Baustoffe zu verwenden. Die hohe Punkteanzahl im Kommunalgebäudeausweis – 976 von 1000 möglichen Punkten – bestätigt, wie konsequent dieses Vorhaben einer nachhaltigen Bauweise umgesetzt wurde.
Daten und Fakten
Objekt: Neubau Volksschule und Kindergarten, Brand
Bauherrschaft: Gemeinde Brand
Architekten: zottele.mallin architekten, Bludenz und Bruno Spagolla, Bludenz
Statik: amiko bau consult, Bludenz
Ingenieure/ Fachplaner: Elektro: elektrodesign René Fröhle, Schlins; Haustechnik: Töchterle Ingenieurbüro, Bürs; Bauphysik: DI Bernhard Weithas, Lauterach
Bauleitung: Schatzmann+Ebenhoch, Feldkirch
Planung: 3/2013–3/2014
Ausführung: 4/2014–4/2015
Grundstücksfläche: 1220 m²
Nutzfläche: 1260 m²
Bauweise: UG: Stahlbeton massiv; EG und OG: massive Holzwände und -decken (Fichte); Innenwände: Holz und Gipskarton; Fichtenfenster; Böden: Linol/Eschendielen; Einbaumöbel: Massivholz (regionale Fichte); Heizung: Tiefenbohrung und Wärmepumpe mit Rotationsplattentauscher; Fußbodenheizung; kontrollierte Be- und Entlüftung
Ausführung: Baumeister; Hilti+Jehle, Feldkirch; Zimmermann: Josef Müller, Brand; Heizung Sanitär: Dorfinstallateur Michael Domig, Brand; Elektroinstallationen: EGD, Dornbirn; Lüftung: Ender, Altach; Bodenbeläge: Raumart, Bludenz; Fenster: Manahl Heinrich, Bludenz; Tischler Garderoben: Lemmer, Aitrach (D); Tischler Einbauschränke: Radl Stuchly Wrann, Thürigen; Tischler Decke-/ Wandverkleidungen: Lenz Nenning, Dornbirn; Innentreppen; Leu, Wald a. Arlberg
Heizwärmebedarf: 13 kWh/m²a
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing
Donnerstag, 29. Oktober, 19 Uhr
Ausstellungseröffnung
ITALOMODERN 1 Architektur in Oberitalien 1946–1976
mehr: v-a-i.at
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