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Schröder: Wahlkampf ist vorbei

Der Wahlkampf ist vorbei - jetzt haben die Wähler das Wort Washington - Alles ist gesagt, jetzt haben die Wähler das Wort. Peter W. Schröder, Washington

Keine Wahlkampfauftritte mehr; und auch die Schlagworte malträtierenden Werbespots für Bush oder Kerry sind verschwunden. Im Fernsehen wird wieder nur für Hämorrhoiden-Salbe, Autos, Potenzmittel, Kopfschmerztabletten und „Happy Pills“ zur Unterdrückung von Depressionsschüben geworben. Wahltag in Amerika. Länger hätte die Nation den visuellen und verbalen Dauerbeschuss auch nicht ausgehalten.

Am Montag war der amtierende Präsident noch zu Wahlveranstaltungen in sechs verschiedenen Bundesstaaten gedüst. Herausforderer Kerry wollte da nicht nachstehen und schafft ebenfalls sechs Staaten. Bei Redaktionsschluss debattierte Bush noch mit seinen Beratern, ob er nicht auch noch am Wahltag (am heutigen Dienstag) Kundgebungen in einem oder mehreren der „brenzlichen“ Staaten Ohio, Pennsylvania und Florida veranstalten sollte. Die meisten Bush-Helfer erklärten dem Präsidenten, dass dies ein Bruch mit der Tradition sei und im Übrigen den vielleicht Stimmen kostenden Beigeschmack eines Verzweiflungsaktes habe. Er solle lieber „präsidial“ wirken und wie geplant mit der „Air Force One“ nach Texas fliegen und den Wahltag in aller Ruhe auf seiner Ranch in Crawford/Waco verbringen.

Die Kerry-Truppe feierte das Ende des Wahlkampfes am Montagabend hoffnungsfroh feixend mit Hochprozentigem. Vor genau 22 Monaten hatte der Senator aus Massachusetts seine Kandidatur erklärt und so lange Wahlkampf machen, schlaucht gewaltig. Die parteieigenen Demoskopen rieten Kerry, sich schon Mal auf den Einzug ins Weiße Haus vorzubereiten. Denn wenn alles so laufe, wie es scheine und die Republikaner keine „schmutzigen Tricks“ in den Wahllokalen veranstalteten, sehe es „gewaltig gut“ aus.

Die Wahlstrategen Kerrys gründeten ihren frohen Mut auch auf zwei „gute Omen“: Im letzten halben Jahrhundert ist kein einziger Präsident wiedergewählt worden, der am Abend von der Wahl nicht mindestens 50 Prozent der zum Wahlgang entschlossenen Bürger hinter sich hat. Die von den Meinungsforschern übereinstimmend ermittelte Bush-Marke lag bei 48 Prozent. Das andere „gute“ Kerry-Omen hatte schon am Sonntag der Hauptstadt Footballclub der „Washington Redskins“ geliefert: Wenn die Rothäute“ das letzte Heimspiel vor der Wahl gewinnen, macht auch immer der amtierende Präsident das Rennen. Doch beim Spiel gegen die „Green Bay Packers“ wurden die „Redskins“ mit 28 zu 14 gehörig verhauen.

Die für Bushs Republikaner arbeitenden Meinungsforscher ermittelten für den amtierenden Präsidenten natürlich ganz andere Zahlen: Der noch wenigen Monaten als sicher erscheinende Bush- Erdrutsch-Sieg sei zwar nicht mehr drin, aber er dürfe immerhin noch einen knappen Wahlsieg erwarten. Er werde glatte zwei Prozent mehr Stimmen als Kerry bekommen. Und so knapp, dass die Demokraten einen Protestaufstand veranstalten und Nachzählungen verlangende Einsprüche einlegen könnten, werde es wohl in keinem Fall geben. Das legt in den Fällen Bush und Kerry den Verdacht nahe, dass die hauseigenen Meinungsforscher zumindest gelegentlich nach dem Motto arbeiten: „Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing“.

Doch wie dem auch sei: Am Tag nach der Wahl, am Mittwoch, will Bush aus Texas wieder nach Washington fliegen und dann etwas tun, wozu er vor lauter Wahlkampf-Machen in den letzten sechs Monaten oder so einfach nicht gekommen ist: Nämlich regieren. Niemand in den Vereinigten Staaten scheint zu fragen, wie das Land ohne die Hände von Bush und Vizepräsident Richard Cheney am Staatssteuer eigentlich funktionieren konnte. „Ganz einfach“, weiß Bush-Berater Karl Rove zu berichten. „Der Präsident hat auch während seiner Zwiesprache mit dem amerikanischen Volk die Fäden in der Hand behalten und mit Hilfe mordernster Kommunikationstechnik alle wichtigen Entscheidungen getroffen“.

George W. Bush, John F. Kerry und der Rest der Welt dürfen sich am heutigen Dienstag so fühlen wie die Gladiatoren in der römischen Arena. Alle warten gespannt, ob sich der Daumen des Souveräns, des amerikanischen Wählers nun hebt oder senkt. Und noch dürfen wir hoffen, dass sich nicht auch noch Heerscharen von Juristen ins Getümmel stürzen und das Gekabbel noch Wochen oder gar Monate lang weitergeht.

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