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Schellhorn als Watschenmann

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. Warum der pinke Staatssekretär angegriffen wird als habe er Großes verbrochen.

Über so vieles könnte, ja müsste man reden. Über die Verteidigungsfähigkeit beispielsweise und den Vorschlag des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil, einen neunmonatigen Wehr- und Zivildienst für Männer und Frauen einzuführen. Oder über eine Anhebung des Pensionsalters. Oder über das unsoziale Sparpaket der Bundesregierung: Haushalte mit einem niedrigen Einkommen werden relativ stärker zur Kasse gebeten als Haushalte, die im Geld schwimmen. Da könnte man sich fragen, wo Andreas Babler (SPÖ) war, als das fixiert wurde: Es widerspricht allem, was er bisher gefordert hat. Oder darüber, dass bei der Parteienförderung weniger stark gebremst wird als bei Familienleistungen. Sie wird im Unterschied zu diesen nicht zwei, sondern nur ein Jahr lang eingefroren und dann wieder an die Inflation angepasst. Das ist eine Frechheit, doch selbst FPÖ-Chef Herbert Kickl, der sich gerne als Vertreter des kleinen Mannes gibt, schweigt dazu. Kein Wunder: Immerhin profitiert auch seine Partei davon.

Zum großen Thema gemacht wird von seinen Leuten und von Boulevardmedien stattdessen der Dienstwagen von Staatssekretär Sepp Schellhorn. Da wird ein „Skandal“ geortet, ein „Audi-Gate“, wird vom „Achter-Sepp“ gesprochen: Es geht darum, dass der Neos-Mann nicht mit einem A6, sondern einem A8 unterwegs sei. Dass ihm der Sechser angeblich zu minder gewesen wäre. In Wirklichkeit hat die Bundesbeschaffungsagentur laut „Falter“ neue Leasingverträge ausgehandelt, ist die Anzahlung beim A8 zwar um 20.000 Euro höher, sind dann aber um knapp 450 Euro niedrigere Ratenzahlungen pro Monat fällig. Im Übrigen werde das noble Fahrzeug auch für andere Zwecke eingesetzt, zum Beispiel für den diplomatischen Dienst.

Da muss man sich fragen, was hier der „Skandal“ sein soll. These: Es geht um eine kleine Sache, die jedoch greifbar ist. Mit Milliarden kann niemand etwas anfangen, aber mit einem Audi A8. Und die Aufregung hat auch damit zu tun, dass gerade gesagt wird, alle müssten sparen, was bei einer Masse die Erwartungshaltung schafft, dass Politiker eben mit einem eher durchschnittlichen Auto unterwegs sind. Vor allem jene, die wie der Deregulierungsstaatssekretär unmittelbar etwas mit Sparen zu tun haben. Da könnte man sich in der Tat etwas mehr Gespür von ihm erwarten.

Bei Sepp Schellhorn kommt freilich mehr dazu: Er ist einer, der sich generell kein Blatt vor den Mund nimmt und polarisiert. Dass er den Neos angehört, die gesellschaftlich eher einem gehobenen Segment angehören. Da ist ein tiefer Fall gerne gesehen. Es führt zu Eigendynamiken und Eskalationen: Schellhorn berichtete jüngst, in einem Zug von fremden Männern wegen des Dienstwagens beschimpft worden zu sein. Da habe er sich „so gefühlt wie vor 85 Jahren“. Also in der NS-Zeit. Das war unsäglich, er entschuldigte sich, es brachte aber auch die Grünen gegen ihn auf.

Trotzdem ist Schellhorn der Watschenmann: Von einem Dienstwagen-Skandal zu reden, ist nicht angemessen. So zu tun, als gebe es sonst nichts zu bereden, ist vollkommen daneben. Es ist wohl eher so, dass man einen braucht, um sich abzureagieren, und die Wahl auf ihn gefallen ist, weil die Regierung sonst aus eher unspektakulären, ja langweiligen Leuten besteht, mit denen keine Schlagzeilen zu machen, geschweige denn Klicks zu holen sind. Und weil er sich eben auch zu verbalen Entgleisungen verleiten lässt, durch die er sich politisch selbst gefährdet.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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