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Schächten - Kritik und Trailer zum Film

Victor Dessauer ist ein jüdischer Unternehmersohn, dessen Familie von den Nazis teils ermordet, teils verschleppt wurde. Er lebt im Österreich der 1960er, wo sich die Mehrheitsgesellschaft in keiner Weise mit ihrer eigenen dunklen Vergangenheit beschäftigen will. Mithilfe des "Nazijägers" Simon Wiesenthal gelingt es Victor, Kurt Gogl aufzuspüren, den NS-Peiniger seiner Eltern. Er möchte diesen persönlich zur Rechenschaft ziehen, nachdem ihm die Justiz nicht hilft, und nimmt das Gesetz in seine eigenen Hände.

Es ist eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte, das Thomas Roth in seinem neuen Film "Schächten" aufgreift: Der Regisseur und Drehbuchautor schickt darin den jungen Juden Victor auf eine nicht enden wollende Jagd auf den Nazipeiniger seiner Familie. Basierend auf wahren Begebenheiten, wagt Roth einen Balanceakt zwischen Historiendrama und Rachethriller, der nicht ganz gelingen will. Ab Freitag im Kino.

Schächten - Kurzinhalt zum Film

Victor Dessauer (Jeff Wilbusch) ist im Wien des Jahres 1962 ein durchaus erfolgreicher Geschäftsmann im Stoffunternehmen seines Vaters. Gemeinsam mit seinem Freund Arie hält er den Laden am Laufen, ist in einer Beziehung mit der hübschen Katholikin Anna (Miriam Fussenegger) und versucht, seine Albträume im Zaum zu halten. Dass es davon einige gibt, wird schnell deutlich, hat er doch die Gräuel des Zweiten Weltkriegs als kleiner Bub er- und überlebt - was nicht für alle aus seiner Familie gilt. Mutter und Schwester wurden in Mauthausen erschossen, seine Großeltern direkt vor den Augen des kleinen Victor ermordet.

Über den "Nazijäger" Simon Wiesenthal (eindrucksvoll geradlinig: Christian Berkel) kommt Victors Vater letztlich auf die Spur von Kurt Gogl, der als SS-Unterscharführer für diese Taten verantwortlich zeichnete. Heute lebt der von Paulus Manker eindringlich gespielte Nazi unter dem Namen seiner Frau am Wolfgangsee, ist dort Schuldirektor und hoch geschätztes Mitglied der Gesellschaft. Reue für die Taten? Davon kann bei Gogl keine Rede sein, auch nicht, als er von der Familie Dessauer vor Gericht gebracht wird. Was folgt, kennt man: Die Opfer werden verhöhnt, der Täter freigesprochen, von Gerechtigkeit keine Spur.

Aber Victor kann sich damit nicht abfinden. Dass man als Jude im Wien der 60er-Jahre immer noch in Angst leben muss, ist die eine Sache, aber diese nun von der Justiz bestätigte Ungerechtigkeit kann und will der junge Mann nicht auf sich sitzen lassen. Immer wieder fährt er in seinem roten Sportwagen an den tief verschneiten Wolfgangsee, um Gogl zu konfrontieren und deutlich zu machen: seine Taten sind nicht vergessen! Aber vor Ort herrscht die Stimmung: "Wir haben alle nur unsere Pflicht getan." Es ist nicht nur eine Mauer des Schweigens, sondern pure Ablehnung und Hass, auf die Victor stößt. Dass es in dieser Situation zu einer Eskalation kommen muss, ist nur konsequent.

Schächten - Die Kritik

"Schächten" ist keine leichte Kost. Einerseits Roth erspart seinem Publikum keineswegs explizite Brutalität in Vergangenheit und Gegenwart, andererseits bemüht er sich redlich um eine vielschichtige Zeichnung seiner Charaktere. Das trifft allen voran auf Victor zu, der immer mehr aufs Spiel setzt, um seiner Familie gerecht zu werden. Wilbusch (bekannt aus Maria Schraders "Unorthodox") steigert sich in seiner Rolle zusehends, ersetzt seinen Glauben an Recht und Gesetz schließlich durch einen eiskalt ausgeführten Plan, der ihn an sein persönliches Ziel bringen soll.

Parallel dazu gibt es etliche Sequenzen, die die verdrängte Vergangenheit aufbrechen lassen. Sei es der Stammtisch am Wolfgangsee oder aber das Elternhaus von Anna, in dem die Zeit "damals" eigentlich tabu ist. Und selbst die ihrem Mann treu ergebene Hermine Gogl (Julia Stemberger) hinterfragt nächtens dann doch, ob er die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat oder nicht. All das trägt zu einer vielschichtigen Auseinandersetzung mit Tätern wie Opfern des Nationalsozialismus bei, die aber angesichts der fiktionalisierten Geschichte keineswegs ein vollständiges Bild zeichnen will.

Stattdessen setzt Roth auf eine kleinteilige Erzählweise, springt von einem Schauplatz und Protagonisten zum nächsten, lässt manche Ereignisse für sich alleine stehen, um dann im nächsten Moment wieder den Spannungsbogen aufzugreifen. Nicht immer ist diese Abfolge dem Film zuträglich, zu sehr verlieren sich dabei manche Ideen und Ansätze. Auch von jener mysteriösen Rächerfigur, die Georg Friedrich so treffend darstellt, hätte man eigentlich gerne mehr gesehen oder erfahren. Viel wird aber in der Schwebe und im Ungefähren gelassen. Trotzdem bleibt "Schächten" eine intensive Angelegenheit, wenngleich eine serielle Ausbreitung vielleicht mehr Sinn gemacht hätte.

(APA/Red)

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