Russland weist ORF-Korrespondentin Knips-Witting aus
Es handle sich um eine Reaktion auf den Entzug der Akkreditierung eines russischen Korrespondenten der Staatsagentur TASS in Österreich, teilte das Moskauer Außenministerium am Montag mit. Im Gegenzug müsse eine österreichische Korrespondentin das Land nun verlassen. Maria Knips-Witting hatte seit Jänner 2024 aus Moskau berichtet.
ORF will alle notwendigen Schritte unternehmen
Der ORF selbst bestätigte in der Nacht auf Dienstag den Akkreditierungsentzug für Knips-Witting und bedauerte gleichzeitig die Entscheidung des Außenministeriums in Moskau, Man könne diese nicht nachvollziehen und werde alle notwendigen Schritte unternehmen, um für das ORF-Publikum weiterhin eine unabhängige und umfassende Berichterstattung aus Russland sicherzustellen, hieß es in einer Aussendung.
In einer Stellungnahme des Moskauer Außenamts, die der APA am Montagabend vorlag, heißt es: "Am 31. Mai wurde der Botschafter Österreichs in das russische Außenministerium zitiert. Es wurde im Zusammenhang mit den diskriminierenden Maßnahmen gegen russische Journalisten heftiger Protest eingelegt. Der Leiter der diplomatischen Vertretung wurde gewarnt, dass, falls Wien seine Entscheidung, die Rechte russischer Journalisten zu verletzen, nicht überdenke, Gegenmaßnahmen in Bezug auf die in Russland ständig akkreditierten österreichischen Korrespondenten ergriffen würden."
Reaktion auf Ausweisung von russischem Korrespondenten
Von russischer Seite wurde betont, "dass eine solche Entwicklung nicht auf Moskaus Wunsch geschehe, sondern eine erzwungene Maßnahme darstelle". Demnach hatten die österreichischen Behörden ihrerseits am 30. April dem TASS-Korrespondenten Iwan Popow die unbefristete Akkreditierung und seinen Aufenthaltstitel entzogen sowie die Aufforderung erteilt, das Land innerhalb von zwei Wochen zu verlassen. Laut russischen Angaben führten die österreichischen Behörden keine Erklärung für diese Schritte an. Iwan Popow habe am 7. Juni Österreich verlassen müssen. Weiters heißt es in der Stellungnahme: "In diesem Zusammenhang wurden Spiegelmaßnahmen gegen Maria Knips-Witting, einer Journalistin des Moskauer Büros des Österreichischen Rundfunks (ORF), ergriffen. Am 10. Juni wurde sie aufgefordert, ihre Akkreditierungsausweise abzugeben und das Territorium der Russischen Föderation schnellstmöglich zu verlassen."
Russland kündigt "entsprechende Reaktion" Richtung Wien an
Außerdem wurde mitgeteilt: "Sollte das offizielle Wien die Praxis der Diskriminierung russischer Journalisten fortsetzen, wird eine entsprechende Reaktion in Bezug auf österreichische Journalisten unverzüglich folgen. Im Einklang mit den Grundsätzen der Medienfreiheit und auf der Grundlage der Gegenseitigkeit werden wir bereit sein, die Möglichkeit der Akkreditierung neuer ORF-Mitarbeiter in Russland zu prüfen, sobald die österreichische Regierung die Bedingungen für die Arbeit russischer Medienvertreter geschaffen und das TASS-Büro in Wien seine Arbeit in vollem Umfang wiederaufgenommen hat."
Ausgewiesener Popow im "Falter" erwähnt
Der nunmehr von Österreich ausgewiesene Popow, der zuvor aus Slowenien berichtete, war im März in einer Veröffentlichung des "Falter" ohne Namensnennung als Nachrichtendienstler dargestellt worden. "Besonders auffällig agiere ein dem Falter namentlich bekannter Auslandskorrespondent, der seit 2023 in Wien tätig ist und in Wahrheit ein Offizier des russischen Auslandsnachrichtendienstes SWR sei", hieß es damals in der Wochenzeitung. Auffällig war freilich auch gewesen, dass die Nachrichtenagentur mit Popow und seiner Kollegin Arina Dawidjan im vergangenen Jahr ihr Büro im Wien-Wieden gleich mit zwei Korrespondenten besetzte. Da zumindest in den letzten zwei Jahrzehnten stets nur ein Vertreter der TASS aus Wien berichtet hatte, ließ sich diese Verdopplung des Personals bei gleichzeitig weniger journalistischer Arbeit nur schwer erklären: Hochrangige russische Besuche in Wien, über die traditionell sehr aufwendig berichtet wurde, sind seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine rar geworden. Und auch kritische österreichische Wortmeldungen zu Russlands galten in den vergangenen Jahren und vor allem seit 2022 aus TASS-Sicht zunehmend als nicht mehr berichtenswert.
Österreichs Botschaft in Moskau sei im Voraus über den drohenden Schritt informiert worden und habe die Korrespondenten der österreichischen Medien gewarnt, dass das Außenministerium zu der Vergeltungsmaßnahme greifen könnte, meldeten auch die deutsche Presseagentur dpa und die Nachrichtenagentur AP (Online). Seitens des für Akkreditierungen ausländischer Medienvertreter zuständigen Bundeskanzleramts hieß es am späten Montagabend gegenüber der APA, der Fall werde geprüft. Für den Entzug der Akkreditierung des russischen Medienvertreters sei das Innenministerium zuständig gewesen.
Mehrere russische Medien mit Sendeverbot in der EU
Russische Medienvertreter stehen in der EU immer wieder in der Kritik, Desinformation zu verbreiten. Mehrere russische Medien sind deshalb im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mit Sanktionen belegt worden; sie haben Sendeverbot in der EU, allerdings dürfen die Mitarbeiter in der Regel weiter im Westen arbeiten. TASS war bisher nicht von Sanktionen betroffen.
ORF-Journalistin stammt aus Innsbruck
Maria Knips-Witting wurde laut ORF-Homepage 1989 in Innsbruck geboren. Nach Studienabschlüssen in Translationswissenschaft in Englisch und Russisch an der Universität Innsbruck und Ost-West-Studien an der Universität Regensburg arbeitete sie mehrere Jahre im Printjournalismus. Berufsbegleitend schloss sie das Studium Journalismus und Neue Medien an der FH Wien der WKW ab. Seit 2022 ist sie beim ORF, wo sie zuerst beim "ZIB-Magazin" und anschließend in der ZIB-Außenpolitik arbeitete. Seit Jänner 2024 ist sie als Korrespondentin im ORF-Büro in Moskau.
Ausweisung von Korrespondenten zunehmend Alltag in Russland
ORF-Journalistin Maria Knips-Witting ist kein Einzelfall: Die Nichtverlängerung bzw. Entziehung der Akkreditierung für ausländische Korrespondenten durch das russische Außenministerium zählt seit 2014 zunehmend zum journalistischen Alltag in Moskau. Anders als in der sowjetischen Vergangenheit wurden den betroffenen Korrespondentinnen und Korrespondenten dabei zumeist konkret gar nichts vorgeworfen und die Maßnahme mit Entscheidungen ihrer Herkunftsländer begründet.
2021: BBC-Korrespondentin des Landes verwiesen
Mit der Begründung, dass russische Journalisten in Großbritannien kein Visum erhalten hätten, war bereits 2021 etwa das Visum der langjährigen Moskauer BBC-Korrespondentin Sarah Rainsford nicht mehr verlängert und ihr erzählt worden, dass sie nie mehr zurückkommen könne. 2023 waren die Aufenthaltstitel der niederländischen Journalistin Eva Hartog und ihrer finnischen Kollegin Anna-Lena Laurén nicht mehr verlängert worden. Beide mussten ebenso das Land verlassen.
Der aktuelle Fall der ORF-Korrespondentin ist indes am ehesten mit dem Fall des polnischen Journalisten Wacław Radziwinowicz vergleichbar, der lange Jahre für die Warschauer Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" aus Moskau berichtet hatte. Er musste Russland verlassen, nachdem Warschau zuvor den russischen RIA Nowosti-Korrespondenten Leonid Swiridow auf Initiative des polnischen Inlandsgeheimdienstes ABW des Landes verwiesen hatte. Ähnlich wie am Montag bei der ORF-Korrespondentin begründete das russische Außenministerium damals seine Entscheidung gegen Radziwinowicz mit "Symmetrie".
"Wall Street Journal"-Journalist weiter in U-Haft
Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 ging der russische Staat aber auch rechtlich gegen internationale Korrespondenten vor. "Wall Street Journal"-Journalist Evan Gershkovich befindet sich im Zusammenhang mit fragwürdigen Spionagevorwürfen seit März 2023 in Untersuchungshaft - Moskau strebte hinter den Kulissen seinen Austausch gegen den in deutscher Haft befindlichen FSB-Agenten Wadim Krassikow an, der im Tiergarten in Berlin 2019 einen gebürtigen Georgier ermordet hatte und dafür zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Seit Herbst 2023 befindet sich zudem die für Radio Liberty tätige russisch-amerikanische Doppelstaatsbürgerin Alsu Kurmasheva in Untersuchungshaft - ihr wird vorgeworfen, sich nicht als "ausländische Agentin" registriert zu haben.
Deutscher Journalist floh rechtzeitig
Möglichkeit zu Maßnahmen gegen internationale Journalisten bietet freilich auch eine im Frühjahr 2022 in Russland de facto eingeführte Kriegszensur, die "öffentliche Handlungen zur "Diskreditierung des Einsatzes der russischen Streitkräfte" sanktioniert. Viele Mitarbeiter westlicher Medien und auch kritischer russischer Medien haben deshalb aus Sicherheitsgründen 2022 Russland verlassen. In einem bekannten Fall floh ein deutscher Journalist rechtzeitig, bevor ein Verfahren nach dem russischen Strafrecht hätte eingeleitet werden können: WDR-Korrespondent Björn Blaschke war im Februar 2024 in der russischen Provinz für einen deutschsprachigen Tweet, in dem er im Sommer 2022 einen Experten über die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf Lebensmittelpreise in Afrika zitiert hatte, zu einer Geldstrafe nach dem Verwaltungsstrafrecht verurteilt worden. Er verließ Russland kurze Zeit später. Im Wiederholungsfall hätte er nach dem Strafrecht angeklagt werden können und es hätten für derartige Nachrichten auf X, ehemals Twitter, zumindest fünf Jahre Haft gedroht.
Mit strafrechtlichen Maßnahmen und womöglich ebenso fünf Jahren Haft für "antisowjetische Propaganda" sowie "unmoralische Taten" war in sowjetischen Zeiten auch einem Vorgänger von Knips-Witting gedroht worden. Der seit 1972 in Moskau tätige ORF-Korrespondent Erhard Hutter musste schließlich 1978 seine Tätigkeit in der Sowjetunion beenden, weil sein Aufenthaltstitel nicht verlängert worden war. Außenminister Willibald Pahr (SPÖ) beklagte damals, dass die Ausweisung einen Verstoß gegen die Schlussakte von Helsinki darstelle.
(APA)
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