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Ukraine: Spannungen auf der Krim steigen

In der Ukraine-Krise ist trotz Aufrufen aller Seiten zu einer politischen Lösung keine Entspannung in Sicht. Auf der von Russland kontrollierten Halbinsel Krim verstärkten russische Truppen am Samstag die Blockaden ukrainischer Stützpunkte. OSZE-Beobachtern wurde erneut der Zugang zur Krim verwehrt, unter Abfeuerung von Warnschüssen. Auch diplomatisch verhärteten sich die Fronten.
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Nach Angaben der ukrainischen Grenztruppen wurden Grenzschützer und deren Familien in der Nacht von russischen Soldaten aus einem Außenposten im Osten der Halbinsel vertrieben. Die Russen seien dabei rabiat vorgegangen. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Soldaten zunehmend nervös

Vor dem ukrainischen Marinestützpunkt Nowosernoje zeigten sich russische Soldaten zunehmend nervös. “Die Lage hat sich geändert. Die Spannungen sind stark gestiegen. Sie müssen gehen, sie können hier nicht filmen”, herrschte ein russischer Soldat ein Reuters-Team an. Rund 100 russische Soldaten blockieren die Basis, deren Hafenausfahrt auch von einem russischen Schiff versperrt wird. Die Atmosphäre habe sich verschlechtert, sagte der stellvertretende Stützpunktkommandeur, Wadim Filipenko. “Die Russen bedrohen uns, wenn wir Lebensmittel holen, und richten ihre Gewehre auf uns.” Hunderte Soldaten rückten zudem in einen Stützpunkt nahe der Krim-Hauptstadt Simferopol ein. Reuters-Reporter sahen einen Konvoi von 50 Truppentransportern, acht gepanzerten Fahrzeugen und Tankwagen in die Basis einfahren.

Warnschüsse abgefeuert

Den dritten Tag in Folge verwehrten Bewaffnete den Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Zugang zur Halbinsel. Dieses Mal seien sogar Warnschüsse abgefeuert worden, teilte die OSZE mit. An einem Kontrollposten bei Armiansk hätten bewaffnete Männer unbekannter Herkunft den Bus mit den OSZE-Beobachtern angehalten, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Diplomatenkreisen in Wien. “Sie hatten ihre Waffen entsichert”, sagte ein Diplomat, der in Kontakt zur OSZE-Mission steht, zum Vorgehen der Uniformierten. Vor dem Bus mit den Beobachtern seien unterschiedlichen Agenturberichten zufolge zwei oder drei Salven abgefeuert worden. Damit sich das Fahrzeug nicht weiter nähere, hieß es. Der Bus selbst sei dabei aber nicht getroffen worden.

Die Experten sollen die militärischen Aktivitäten Russlands auf der Krim beobachten. Prorussische Einheiten hatten dem OSZE-Team bereits am Donnerstag und Freitag mehrfach den Zugang zu der Schwarzmeer-Halbinsel versperrt. Die rund 50 Experten aus 28 Ländern seien nun auf dem Weg von dem Kontrollposten bei Armiansk zu ihrem Stützpunkt, sagte die OSZE-Sprecherin. Dort wollten sie ihre nächsten Schritte planen. Die OSZE-Mission soll bis zum kommenden Mittwoch dauern.

Erstes persönliches Gespräch

Erstmals in der Krim-Krise trafen sich am Samstag Vertreter von Russland und der Ukraine persönlich zu einem Gespräch. Der russische Vizeaußenminister Grigori Karassin sei in Moskau mit dem ukrainischen Botschafter Wladimir Jeltschenko zusammengekommen, teilte das Außenministerium in Moskau mit. “In aufrichtiger Atmosphäre wurden Fragen der russisch-ukrainischen Beziehungen besprochen”, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums.

Diplomatische Fronten verhärtet

Zugleich verhärteten sich die diplomatischen Fronten: Polen schloss sein Konsulat auf der Krim und begründete dies mit “anhaltenden Störungen durch russische Truppen”. Der Chef der pro-russischen Krim-Regierung, Sergej Axjonow, wies Forderungen der Ukraine und des Westens nach einer Absage des für den 16. März geplanten Referendums über einen Anschluss der Krim an Russland kategorisch zurück. Der Westen lehnt die Volksabstimmung ab und hat weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt.

Politisch zeigten weder die pro-russische Regionalregierung noch Russland Bereitschaft, auf Forderungen der Ukraine und des Westens einzugehen. Das umstrittene Referendum über den Anschluss der Krim an Russland werde stattfinden, sagte Krim-Regierungschef Axjonow. “Niemand kann es absagen.” Das Referendum sei so kurzfristig angesetzt worden, um Provokationen zu vermeiden, sagte er laut Itar-Tass im russischen Fernsehen.

Kiew: Krim-Referendum illegal

Die Übergangsregierung in Kiew bezeichnet das Referendum als illegal. Auch US-Präsident Barack Obama und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die sich am Freitagabend erneut über das Vorgehen in der Ukraine-Krise abstimmten, sprachen von einem unrechtmäßigem Schritt. Beide bewerteten das Vorgehen Russlands als inakzeptabel, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die USA und die EU haben weitere Sanktionen gegen Russland angedroht, sollte die Volksabstimmung stattfinden.

Russland mit Gegendrohung

Russland reagierte auch am Samstag mit einer Gegendrohung. Die Ankündigungen der USA und der NATO seien ein “unfreundlicher Akt”, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti einen Vertreter des Verteidigungsministeriums in Moskau. Als Reaktion darauf könne Russland sich veranlasst sehen, die im START-Abrüstungsabkommen vereinbarten Inspektionen der Atomwaffen-Arsenale auszusetzen. Schon am Vortag hatte Außenminister Sergej Lawrow erklärt, die Strafmaßnahmen würden die Amerikaner wie ein Bumerang treffen.

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krim450 ©Weiter angespannte Lage auf Halbinsel Krim. (Bild: AP)

 

Kiew: Parlament soll Todesschüsse untersuchen

Die neue pro-westliche Führung der Ukraine will unterdessen die Todesschüsse während der Proteste im Februar in Kiew von einem Parlamentsausschuss untersuchen lassen. Dem Gremium würden Abgeordnete aller Fraktionen angehören. Gehört werden sollten unter anderem internationale Experten sowie Ärzte, Ballistiker und Augenzeugen. Für die Leitung sei der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Parubij, vorgesehen. Er führte früher das Protestlager auf dem Maidan (Unabhängigkeitsplatz).

Umsturz “mit Blut inszeniert”?

Bei den blutigen Zusammenstößen kamen etwa 100 Menschen ums Leben; Hunderte wurden verletzt. Russische Staatsmedien hatten vor wenigen Tagen berichtet, der Umsturz im Nachbarland könnte mit Blut inszeniert worden sein. Anlass war der heimliche Mitschnitt eines Telefonats des estnischen Außenministers Urmas Paet mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton Ende Februar. Darin berichtete Paet von Gerüchten, wonach das Maidan-Lager selbst Scharfschützen engagiert haben könnte. Der Minister wies später zurück, ein Urteil abgegeben zu haben, dass die damalige Opposition in Kiew an der Gewalt beteiligt gewesen sei.

Körpersprache von Putin analysiert

Das US-Verteidigungsministerium versucht anhand der Körpersprache Wladimir Putins zu erkennen, was der russische Präsident als nächstes vorhat – und lässt sich für viel Geld ein psychologisches Profil von ihm erstellen: 300.000 Dollar (220.000 Euro) gibt das Pentagon seit 2009 jedes Jahr für die Verhaltensanalyse ausländischer Spitzenpolitiker aus, sagte Ministeriumssprecher John Kirby am Freitag.

 

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putin450 ©US-Untersuchungen sollen Aufschluss über künftige Pläne geben. (Bild: AP)

Dabei betonte er, dass das “Profiling” keineswegs dazu diene, konkrete politische oder militärische Entscheidungen vorzubereiten. Verteidigungsminister Chuck Hagel habe selbst erst durch einen Zeitungsbericht von dem Programm erfahren, sagte Kirby. Demnach dient das Programm vorwiegend zu Forschungszwecken.

Gutachten für mehrere Spitzenpolitiker

Laut Sicherheitskreisen gibt es von insgesamt 15 Spitzenpolitikern wie Putin, seinem Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew oder dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un psychologische Profile – auch zu dem inzwischen hingerichteten irakischen Diktator Saddam Hussein oder dem getöteten Al-Kaida-Führer Osama bin Laden wurden demnach solche Studien erstellt.

Den Angaben zufolge wurde Putins Verhaltensanalyse zuletzt 2012 aktualisiert. Befürworter des Programms hoffen, dadurch Aufschluss über geheime Pläne zu bekommen. Im Fall Putins etwa ist von besonderem Interesse, welche militärische Strategie er aktuell im Krim-Konflikt verfolge.

“Extrem empfindlich”

Die Körpersprache und Bewegungen einer Person können erwiesenermaßen dazu genutzt werden, Rückschlüsse auf ihre Psyche zu ziehen. Die Pentagon-Forscherin Brenda Conners charakterisierte beispielsweise Putins Körpersprache 2004 als Hinweis darauf, dass der Russe “risikoscheu” sei und “extrem empfindlich auf Kritik” reagiere.

(APA)

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