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Roboter: Besondere Lebensform

"Schluss mit Spielen", sagt das Kleinkind und breitet energisch eine Decke über seinem silberfarbenen Freund aus. Kleinkinder nehmen Roboter als besondere Lebensform wahr.

Eine alltägliche Szene in der Kindertagesstätte in San Diego im US-Bundesstaat Kalifornien, in der die Kleinen seit ein paar Wochen täglich eine Stunde lang Seite an Seite mit Robotern verbringen dürfen. Was für die Kinder vor allem lustige Spielerei ist, soll Forschern aus Japan und den USA neue Erkenntnisse über das emotionale Verhältnis von Mensch und Maschine eröffnen.

„Wir Erwachsenen fragen vielleicht nach dem Unterschied zwischen Ding und Mensch, bei Kindern gibt es diese festgefahrenen Kategorien nicht“, sagt Fumihide Tanaka, der im Auftrag des japanischen Elektronikriesen Sony derzeit viel in amerikanischen Betreuungsstätten für Kleinkinder unterwegs ist. Das Unternehmen kooperiert bei dem ungewöhnlichen Experiment zur künstlichen Intelligenz mit Wissenschaftlern der Universität San Diego. Manche seiner knapp zweijährigen Forschungspartner nennen Tanaka schon ganz cool „IC“ – die englische Abkürzung für „Integrierter Schaltkreis“.

Die zentrale Frage, die sich den Forschern stellt: Wie entwickelt sich eine langfristige Beziehung zwischen Mensch und Maschine? Im März vergangenen Jahres kam der 58 Zentimeter große, zweibeinige Spielgefährte von Sony erstmals in der Kindertagesstätte in San Diego zum Einsatz. Von einem Versteck aus steuert Tanaka den Roboter zu 80 Prozent fern, den Rest der Zeit bewegt sich der Humanoide eigenständig. „Menschen verfügen über angeborene Strategien, ohne Sprache zu kommunizieren. Bei Kleinkindern kann man das noch besser beobachten“, erläutert Tanaka.

Anfangs seien die Kleinkinder den elektronischen Zweibeinern distanziert begegnet, berichtet der 33-Jährige. Nicht selten seien die Roboter rüde zu Boden gestoßen worden. Doch nach zwei Monaten hätten die Kinder ihren ungewöhnlichen Spielkameraden wieder auf die Füße geholfen. Nach drei Monaten schließlich hätten sie aufgepasst, dass die Roboter nicht umfallen. „Sie entwickeln Mitgefühl, obwohl ihnen das niemand beigebracht hat“, fasst Tanaka die Erkenntnis seiner Versuche zusammen.

Kinder sehen Roboter weder als Spielzeug noch als Lebewesen, sondern als „etwas dazwischen“, wie Tanaka sagt. Als die Forscher den Kleinen ein einem Roboter ähnliches, aber unbewegliches Spielzeug hinlegten, hätten diese es grob auf den Boden geworfen, erzählt Tanaka. Ein Verhalten, das sie gegenüber den laufenden und tanzenden Humanoiden nicht an den Tag gelegt hätten.

Aus der sozialen Interaktion von Kindern und Robotern erhoffen sich die Wissenschaftler auch Erkenntnisse darüber, wie sie in Zukunft höher entwickelte Humanoiden entwerfen können. Das menschliche Gehirn könne im Alltag Unsicherheit und spontane Ereignisse mühelos verarbeiten, erläutert Projektleiter Javier Movellan von der Universität San Diego. „Für die gegenwärtige Robotergeneration ist das noch sehr schwer.“

Sony hat derzeit zwar keine Pläne, seinen humanoiden Roboter QRIO oder den berühmten Roboterhund AIBO weiterzuentwickeln. Für Zukunftsprodukte forscht der Konzern jedoch weiter intensiv im Bereich der künstlichen Intelligenz. Denn in der rasch alternden Gesellschaft Japans werden Roboter immer häufiger zum Einsatz kommen, sei es als Wachpersonal oder als Seniorenbetreuer. Nach Ansicht Tanakas werden sich die Menschen mit der Zeit an Roboter gewöhnen. „Als ich das erste Mal einen Computer sah, hielt ich den für einen Fernseher. Wenn es uns gelingt, erfolgreich eine intelligente Maschine zu entwickeln, werden die Leute in einem Jahrhundert völlig selbstverständlich damit umgehen.“

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