Darüber waren sich die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zum Thema “200 Jahre Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) – Vertragsfreiheit versus Regulierung” weitestgehend einig. Einhellig war auch die geäußerte Kritik an der europäischen Gesetzgebung, die – entgegengesetzt zur österreichischen Tradition – sehr viele an Einzelfällen orientierte Normen erlasse.
Kritik an europäischer Gesetzgebung
Der Vertragsfreiheit sei im Zivilrecht von Anfang an ein “überragender Stellenwert” eingeräumt worden, erklärte Georg Kathrein, Chef der Zivilrechtssektion im Justizministerium, als Moderator der Diskussion in seinem Anfangsstatement. Dem sei der Grundgedanke zugrunde gelegt, dass vernünftige Bürger ihre Angelegenheiten selbst regeln sollen. Die Entwicklung des europäischen Rechts sahen deshalb die Diskussionsteilnehmer Irmgard Griss (Präsidentin des Obersten Gerichtshofs), Rechtswissenschaftler Peter Rummel (Universität Linz), Peter Kolba (Leiter der Rechtsabteilung des Vereins für Konsumenteninformation) und Bernhard Koch (Rechtsabteilung Raiffeisen Zentralbank) mit großer Skepsis. “Die Richtlinien werden immer detaillierter und damit gleichzeitig auch lückenhafter”, brachte Koch das Problem der Anlehnung an Einzelfälle auf den Punkt.
Griss etwa betonte die Unmöglichkeit, “menschliche Beziehungen bis ins letzte Detail zu regeln. Vielmehr brauche es Vertrauen, Verantwortung und eine funktionierende Gerichtsbarkeit. Dass man in jüngster Vergangenheit auch immer mehr versuche, den mündigen Bürger “zu schützen, wie es nur geht”, hielt sie für eine eher bedenkliche Entwicklung. Diesen Gedanken äußerte auch Rummel, der in seinen “provokanten Eingangsthesen” Robert Menasse zitierte: “Freiheit ist auch die Freiheit zur Dummheit”. Rummel sprach sich für “so viel Freiheit wie möglich, so viel Regulierung wie nötig” aus.
Sowohl Kolba als auch Koch unterstrichen, dass es es eines funktionierenden Verbraucherschutzes bedürfe. Kolba sah dabei den Sinn von Regulierungen vor allem in der Herstellung des Gleichgewichts zwischen zwei Vertragspartnern. Koch relativierte die Forderung von Griss und Kolba nach Gestaltungsspielräumen für Richter insoweit, als er einem “Richterrecht pur” eine Absage erteilte. Manchmal müsste man “eine prophetische Gabe” besitzen, um bei der Formulierung einer Klausel vorhersehen zu können, ob diese vom Gericht etwa als “gröblich benachteiligend” eingeschätzt werde oder nicht, berichtete Koch aus der Praxis.
Einig waren sich die Diskussteilnehmer auch darin, dass es immer mehr zu einem “Informations-Overkill” komme. Bei Vertragsabschlüssen jeglicher Art ist man laut Griss mittlerweile “mit einer Latte von Bedingungen konfrontiert, über die informiert werden muss. Erreicht man damit, dass jemand mehr weiß? Ich glaube nicht”, sagte die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs. Das führe eher dazu, dass sich die Leute aus Verdruss von jeglicher Information abwendeten.
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.