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Regierung aus Amt enthoben: Kurz nahm nicht an Zeremonie teil

Der Bundespräsident hat die Regierung Kurz aus ihrem Amt enthoben.
Der Bundespräsident hat die Regierung Kurz aus ihrem Amt enthoben. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Am Dienstag hat Bundespräsident Van der Bellen die Regierung Kurz des Amtes enthoben. Sebastian Kurz nahm an der Zeremonie nicht teil.
Erfolgreicher Misstrauensantrag gegen Kurz
Bilder der Amtsenthebung

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag die Regierung Kurz des Amtes enthoben und die Minister mit der interimistischen Fortführung der Amtsgeschäfte betraut. Statt des bisherigen Regierungschefs Sebastian Kurz hat das Staatsoberhaupt Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) die interimistische Führung der Kanzler-Agenden übertragen.

Wien: Van der Bellen enthob Regierung ihres Amtes

Die Fortführung der Amtsgeschäfts ist nur für eine kurze Übergangsfrist geplant, bis eine neue Regierung angelobt ist. Van der Bellen hofft, diese Aufgabe bis Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche erledigen zu können. Er ist dazu in Kontakt mit den Parlamentsparteien, weil die Übergangsregierung vom Nationalrat zumindest geduldet werden muss. Die Enthebung der bisherigen Regierung war laut Verfassung notwendig, weil ihr der Nationalrat am Montag das Misstrauen ausgesprochen hatte.

Für die Fortführung der Amtsgeschäfte wurden die bisherigen Regierungsmitglieder nach der formalen Enthebung neuerlich angelobt. Angeführt wurde die Regierungsmannschaft von Hartwig Löger, Kurz war bei der Zeremonie in der Hofburg nicht zugegen.

Van der Bellen redete Parteien ins Gewissen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag vor der Enthebung der Bundesregierung den handelnden Akteuren der Parteien ins Gewissen geredet und erstmals auch indirekte Kritik am Vorgehen des abgewählten Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) geübt. Es brauche jetzt einen “tragfähigen Kompromiss zum Wohle des Landes”. Es gelte in Gesprächen das zu suchen, “was verbindet”.

Die Situation zeige, “wie wichtig Gespräche sind”, sagte Van der Bellen und übte erstmals seit Ausbruch der Regierungskrise Kritik am abgewählten Kanzler Kurz. Ohne dessen Namen zu nennen sagte das Staatsoberhaupt, es “reicht eben nicht in einer Demokratie, wenn man mit den anderen nur redet, wenn man sie braucht”. Und fügte an: “Das rächt sich dann.”

In einer Demokratie benötige es einen “tragfähigen Dialog zwischen den einzelnen Politikern” und einen grundsätzlichen Respekt. Dies sei auf lange Sicht notwendig, Social-Media-Kampagnen allein tragen auf Dauer nicht, kritisierte Van der Bellen.

Blümel und Moser verteidigen abwesenden Kurz

Als Kritik am abwesenden Ex-Bundeskanzler Kurz wollte das Kanzleramtsminister Gernot Blümel nicht verstanden wissen: “Ganz im Gegenteil. Ich weiß, wie viel in der Vergangenheit gesprochen wurde.” Blümel wertete es als generellen Appell des Bundespräsidenten. Justizminister Josef Moser verteidigte Kurz ebenfalls. Der bisherige Bundeskanzler habe Gespräche mit allen geführt.

Kanzleramtsminister Gernot Blümel rechtfertigte Kurz’ Abwesenheit damit, dass es gestern noch ein Gespräch zwischen dem ÖVP-Chef und dem Bundespräsidenten gegeben habe. Dabei habe Kurz versichert, dass er “jede Entscheidung zu 100 Prozent unterstützen wird”, erklärte Blümel vor Journalisten.

Zudem betonte Blümel, dass man derzeit die “professionelle Übergabe” vorbereite, und dass man mit dem Bundespräsidenten noch nicht über Namen gesprochen habe. Gefragt, wer für die Übergangsregierung infrage kommen könnte, meinte Blümel nur: “Das ist die Entscheidung des Bundespräsidenten.”

Eine Amtsübergabe von Kurz an den neuen Übergangskanzler Hartwig Löger (ÖVP) ist nach Angaben aus dessen Büro nicht geplant.

Van der Bellen: Ringen um Positionen sei “Salz in der Suppe”

Für Bildungsminister Heinz Faßmann ist das “allgemeine Credo”, miteinander zu reden, zu unterschreiben. Er habe immer mit allen gesprochen, weil er den Dialog für wichtig halte. Wortlos gingen hingegen die vier neu in die Regierung geholten Experten an den Journalisten vorbei.

Van der Bellen bezeichnete in seiner Rede zudem das gemeinsame Ringen um Positionen als das “Salz in der Suppe”. Man befinde sich in einer Phase, in der der Wahlkampf bereits begonnen habe, aber: “Für den Wahlkampf bleibt noch Raum genug.” Jetzt gelte es aber, “das Beste für das Land im Auge zu behalten”.

Klubobleute am Nachmittag bei Van der Bellen

Einmal mehr erinnerte Van der Bellen an das “verstörende Sittenbild”, das das Ibiza-Video abgegeben habe. Dies entspreche “schlicht” unserem Selbstverständnis nicht. Aufgabe der Politik sei es nun, diese Bild zu ändern.

Für heute Nachmittag werden noch die Klubobleute zu Gesprächen zu Van der Bellen kommen, hieß es.

Löger zuversichtlich vor Gipfel in Brüssel

Der frisch gebackene Übergangs-Bundeskanzler Hartwig Löger reist mit Zuversicht zum EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs nach Brüssel. Er habe schon Kontakte zu seinen europäischen Kollegen. Auf Ministerebene habe er gute Verbindungen, und daran könne er gut anknüpfen, sagte der Finanzminister unmittelbar nach seiner Angelobung als Übergangs-Kanzler vor Journalisten in der Hofburg.

Seine neue Aufgabe gehe er genau so positiv wie seine bisherige, sagte Löger. Er freue sich, die Verantwortung zu übernehmen.

Lögers Amtsübernahme im Kanzleramt rund um Angelobung

Eine persönliche Amtsübergabe durch Sebastian Kurz an seinen Kurzzeitnachfolger Hartwig Löger (beide ÖVP) hat es am Dienstag zwar nicht gegeben. Allerdings hat Löger den abgewählten Bundeskanzler am Vormittag gesprochen, hieß es aus seinem Büro zur APA. Außerdem habe er bei Terminen rund um die Angelobung die nötigen Informationen bekommen, um das Kanzleramt verwalten zu können.

Nach seiner Angelobung habe Löger bereits erste Verwaltungsakte in der neuen Funktion gesetzt. Aus dem Finanzministerium in das Bundeskanzleramt übersiedeln wird Löger für die kommenden Tage aber nicht.

Regierung ohne Vizekanzler

Nachdem der bisherige Vizekanzler Hartwig Löger (ÖVP), der diese Funktion nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache (FPÖ) übernommen hat, am Dienstag von Bundespräsident Alexander van der Bellen zum provisorischen Bundeskanzler ernannt wurde, hat Österreich derzeit keinen Vizekanzler. Das stellte die Präsidentschaftskanzlei am Dienstag auf Anfrage der APA klar. Laut Artikel 71 der Bundesverfassung braucht es auch keinen Vizekanzler.

Die Amtsenthebung:

 

(APA/Red)

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