Die österreichischen Rechtsanwälte warnen angesichts der zunehmenden Videoüberwachung und der geplanten Vorratsdatenspeicherung vor einem “Überwachungsstaat”. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Gerhard Benn-Ibler, fordert die Regierung daher auf, die Umsetzung der “Vorratsdatenspeicherung” zu verweigern und ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Kauf zu nehmen. “Wir glauben, dass Österreich ein Zeichen setzen kann und eine Richtlinie nicht umsetzen muss, wenn Österreich meint, dass sie gegen fundamentale Menschenrechte verstößt”, so Benn-Ibler gegenüber der APA.
Zu einer internationalen Tagung unter dem Motto “Vom Rechts- zum Überwachungsstaat?” am kommenden Freitag haben die Rechtsanwälte u.a. die liberale Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Diana Wallis, den Direktor der EU-Grundrechtsagentur Morten Kjaerum und Hannes Tretter vom Boltzmann Institut für Menschenrechte eingeladen. Mit der Debatte im Rahmen der diesjährigen europäischen Präsidentenkonferenz wolle die Kammer die Öffentlichkeit verstärkt dafür sensibilisieren, “dass hier die Grund- und Freiheitsrechte völlig zu Unrecht zulasten der Sicherheit beschränkt werden”, betont Benn-Ibler.
Als Beispiel nennt Benn-Ibler die Vorratsdatenspeicherung, die künftig ein halbes Jahr lang erfassen soll, wer, wann, von wo aus, mit wem über Handy oder E-Mail kommuniziert hat und welche Internet-Seiten er besucht hat. Damit könne man Persönlichkeitsprofile über jeden Menschen anlegen, kritisiert Benn-Ibler: “Wir sind beim gläsernen Menschen bereits angelangt. Das Jahr 1984 des George Orwell haben wir schon überschritten. Der einzige Irrtum Orwells war, dass er gedacht hat, solche Entwicklungen wären nur in einem autoritären System möglich.”
Der Präsident der Rechtsanwaltskammer fordert die Regierung daher auf, die Umsetzung der EU-rechtlich vorgeschriebenen Vorratsdatenspeicherung zu verweigern und es auf ein Vertragsverletzungsverfahren ankommen zu lassen. Internet- und Telefonüberwachung dürfe es nur bei konkretem Tatverdacht nach richterlicher Anordnung geben. Seit der Verankerung der EU-Grundrechtscharta im Vertrag von Lissabon sieht Benn-Ibler durchaus Chancen, damit vor dem EuGH durchzukommen. “Man hätte einen plausiblen Grund, warum man das nicht umsetzt”, so Benn-Ibler. Sollte die Maßnahme trotzdem beschlossen werden, plädiert er dafür, die Daten nur zur Klärung von Delikten zu verwenden, die mit mehr als fünf Jahren Haft bedroht sind.
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