Mordversuchsprozess gegen Raser nach "Amokfahrt"

Der in Wels nun angeklagte in Linz lebende Ungar habe sich schon früher Verfolgungsjagden mit der Polizei geliefert und etliche Strafen wegen Verkehrsdelikten bekommen, schilderte der Staatsanwalt. Der Führerschein war ihm bereits abgenommen worden, sein Auto war nicht zugelassen. Dennoch machte er sich am Tatabend - nachdem er die Kennzeichen seiner Mutter auf seinem Wagen montiert hatte - auf zu einer Aussprache mit seiner Ex-Freundin nach Wels. Kurz nachdem sie zu ihm in den Wagen gestiegen war, wurde die Polizei auf den Wagen aufmerksam und der Lenker flüchtete.
28-Minuten-Strecke in 15 Minuten gefahren
Auf der folgenden "Amokfahrt" habe er rote Ampeln, Sperrlinien und -flächen überfahren, am Pannenstreifen überholt, alles mit teils extrem überhöhter Geschwindigkeit, schilderte der Anklagevertreter. Für die Strecke sollte man laut Navi 28 Minuten brauchen, der Angeklagte fuhr sie in 15 Minuten. Weder gefährliche Situationen noch die Polizei, die ihn verfolgte, noch einsetzender Nebel konnten ihn bremsen. Während der Fahrt telefonierte er mit einem Freund, der ihm riet, stehen zu bleiben. Auch das ignorierte er.
Der Staatsanwalt zählte konkret "fünf lebensgefährliche Aktionen, bei denen man davon ausgehen musste, dass Menschen sterben können", auf - ein Überholmanöver mit 190 km/h am Pannenstreifen, eine Zick-zack-Überholfahrt im Baustellenbereich (140 statt 80 km/h), ein weiteres Überholmanöver in einer Kurve - "wäre nicht in der Mitte ein Abbiegestreifen gewesen, hätte es mit Sicherheit Tote gegeben" - sowie Auffahren auf weniger als fünf Meter mit 220 km/h. Zum Schluss krachte er in eine Straßensperre der Polizei, was mehrere Verletzte forderte. Die Aufprallgeschwindigkeit: 145 km/h.
"Durchgängig in der Lage, das Risiko zu erkennen"
Der Angeklagte habe bei der Haftverhandlung mehrfach selbst gesagt, er habe Angst gehabt, dass jemand stirbt, sagte der Staatsanwalt. "Erst als ihm bewusst geworden ist, welche Auswirkungen diese Aussage hat, hat er gesagt, er habe das falsch verstanden." Als zweiten Beweis führt die Anklage ein Video ins Treffen, das die verfolgenden Polizisten von der Fahrt gemacht haben. Laut psychiatrischem Gutachten war der bei dieser Fahrt weder durch Alkohol noch durch Drogen beeinflusste Lenker "durchgängig in der Lage, das Risiko zu erkennen". Die Staatsanwaltschaft sieht daher mehrfachen versuchten Mord, Opfer sind seine Beifahrerin, Polizisten und andere Verkehrsteilnehmer.
Der Angeklagte bekannte sich zum Mordversuch nicht schuldig. Er habe keinen Tötungsvorsatz gehabt. Schuldig bekannte er sich nur wegen weiterer Anklagepunkte - Urkundenunterdrückung wegen des Kennzeichens und Vergehen gegen das Waffengesetz, weil er einen Schlagring im Auto hatte. "Das einzige, was in seinem Kopf vorgegangen ist, war 'weg, weg, weg', es war eine Fluchtreaktion", sagte seine Verteidigerin. Ihr Mandant betonte, es tue ihm sehr leid. "Ich habe einfach gedacht, wenn ich etwas schneller fahre, bin ich schneller weg vor der Polizei", rechtfertigte er sich. Wenn er jemanden gesehen hätte, wäre er stehengeblieben, sagte er auf das Überfahren roter Ampeln angesprochen. Ein Urteil ist am 15. September geplant.
15 Jahre für ähnlichen Fall in Wien
Im vergangenen Herbst ist in Wien ein rücksichtsloser Raser, der sich mit der Polizei eine sechsminütige Verfolgungsjagd durch mehrere Bezirke geliefert, einige Unfälle gebaut und dabei drei Personen schwer verletzt hatte, wegen versuchten Mordes verurteilt worden. Der inzwischen 36-Jährige fasste 15 Jahre Haft aus. Das Urteil ist seit Mitte Juni rechtskräftig.
Nachdem der Oberste Gerichtshof (OGH) den Schuldspruch bestätigt hatte, wies das Oberlandesgericht (OLG) Wien auch die Berufung gegen die Strafhöhe zurück. Im schriftlichen Urteil (17 Bs 105/25b) ist wörtlich von einer "Amokfahrt" die Rede. Im Handeln des 36-Jährigen habe sich eine "massiv gleichgültige Einstellung gegenüber dem geschützten Rechtsgut Leib und Leben manifestiert". Und weiter heißt es: "Dem bloßen Zufall ist es insoweit geschuldet, dass die Fahrt ohne noch schwerwiegendere Folgen blieb, gefährdete der Angeklagte doch insgesamt zahlreiche Menschenleben." Die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe erweise sich daher "einer Reduktion keinesfalls zugänglich".
(APA)
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