“Der Status in Österreich ist aus meiner Sicht im Vergleich zu anderen europäischen Staaten sehr gut. Die Qualifikation der ärztlichen Notfallausbildung wird auf ein neues Niveau gehoben”, sagte Klaus Markstaller, Chef der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien/AKH. Flächendeckende Notfallmedizin-Systeme würden eine prinzipiell gute Versorgung bieten.
Problematik: Relativer Mangel an (Not-)Ärzten
Es gebe aber absehbare Probleme, betonte der Experte: “Natürlich ist auch ein relativer Mangel an (Not-)Ärzten zu erwarten. Es muss eine zielgerichtete Disposition der Notärzte geben. 50 Prozent der Notarzteinsätze müssten nicht so stattfinden.” Bestens ausgebildete “Paramedics” (Notfallsanitäter höchster Qualifikation) könnten in einem weiterhin notwendigerweise Notarzt-basierten System medizinische Aufgaben delegiert bekommen.
Vor allem der immer brisanter werdende Ärztemangel könnte das österreichische System der flächendeckenden Notfallmedizin sprichwörtlich aufmischen. Zwar wurde in den vergangenen Jahren in den meisten Regionen Österreichs auf Spitals-basierte Systeme umgestellt, bei denen nun auch speziell ausgebildete, aber noch in Facharztausbildung an dem jeweiligen Krankenhaus stehende Ärzte die Notarztwagen besetzen. Doch Personal ist trotzdem knapp.
Herausforderungen für das Rettungswesen
Das gilt zum Beispiel für Flächenbundesländer wie Niederösterreich. Einerseits schaffen kleinere Spitäler mit ihrem Leistungsumfang die gleichzeitige Ausbildung von Notarztnachwuchs aufgrund der Anforderungen nicht mehr unbedingt, andererseits bedingt die Zusammenlegung von Krankenhausstandorten größere Herausforderungen für das Rettungswesen.
Zugleich erfolgt derzeit eine technische Aufrüstung von Notarztwagen und Notarzthubschraubern. “Es steht in Diskussion, ob man nicht auch die extrakorporale Membran-Oxygenierung (ECMO; Ersatz der Herz-Lungen-Funktion per Maschine; Anm.) am Ort des Geschehens bereits durchführt und ob man nicht bei sehr schweren Blutungen Blockaden setzt”, sagte Markstaller. Hinzu kommt, dass tragbare Ultraschallgeräte via Handy-Bildschirm schon an Unfallorten Diagnosen ermöglichen sollen.
Vermehrter Ausbildungsbedarf vom Arzt bis zum Sanitäter
Das alles führt zu vermehrtem Ausbildungsbedarf, der sowohl Ärzte als auch nichtärztliches Personal, also die Sanitäter, betrifft. “Es geht um das Zusammenspiel der beteiligten Berufsgruppen. Ein telemedizinisches System wie in Aachen könnte hier helfen. Dort ist jeder Rettungswagen auf Knopfdruck mit einem Notarzt verbunden.” Damit kann auch der Notfallsanitäter durchaus akut notwendige ärztliche Tätigkeiten unter Aufsicht und mit Delegierungsanordnung durchführen.
In Wien wird laut dem ärztlichen Direktor des Krankenanstaltenverbundes (KAV), Michael Binder, bereits an der Entwicklung eines ähnlichen Systems gearbeitet: “Wir arbeiten an einer telemedizinischen Entwicklung. Wir brauchen einen sehr guten (telemedizinischen; Anm.) Back-Up.”
Unfälle seltener als internistische Notfälle
Während in der Öffentlichkeit die Notfallmedizin mit Rettungswesen via Notarztwagen, Rettungsauto oder Notarzthubschrauber vor allem als Mittel der Akutversorgung nach Unfällen gesehen wird, schaut die tägliche Routine ganz anders aus. “Heute beschäftigen uns Unfälle nur zu drei Prozent. 70 Prozent sind internistische Notfälle wie Herz-Kreislaufnotfälle, Schlaganfälle und Ähnliches”, sagte Michael Sartorius von der Einsatzleitung des Roten Kreuzes in Niederösterreich.
Während in den Skiunfall-reichen Wintermonaten die Dichte der in Österreich aktiven Notarzthubschrauber – speziell im Westen des Bundesgebietes – auf das Zwei- bis Dreifache steigt, stellt sich die Frage, ob alle Ressourcen wirklich ökonomisch sinnvoll und organisatorisch optimal verwendet werden.
Notfallsanitäter zu Assistenten degradiert
“Die Leistungsmöglichkeiten der Notfallsanitäter werden bei weitem nicht ausgeschöpft. Sie werden fast ausschließlich als Assistenten der Notärzte missbraucht”, kritisierte Sartorius. In einer “Vollkasko-Gesellschaft” fehle aber auch zunehmend die Übernahme von Verantwortung. Das schlage auch auf die Notärzte durch. Und im Endeffekt: “Da wird auch viel geflogen (mit dem Notarzthubschrauber; Anm.).”
(apa/red)
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