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Polizei startet Großrazzia in sieben Bundesländern: Mehrere Festnahmen

Betroffen sind sämtliche Bundesländer außer Kärnten und Vorarlberg.
Betroffen sind sämtliche Bundesländer außer Kärnten und Vorarlberg. ©APA/EVA MANHART (Symbolbild)
Bei einer Razzia Freitagfrüh in sieben Bundesländern sind mehr als ein Dutzend Männer und Frauen wegen des Verdachts von "Hate Crime" festgenommen worden.

Bei den zumindest 17 Opfern handelt es sich um Homosexuelle, denen von den Verdächtigen fälschlicherweise Pädophilie unterstellt wurde. Daher hätten die Täter sie ausgeraubt, verletzt und erniedrigt. In einem Fall steht auch Mordversuch im Raum. Bei den Hausdurchsuchungen wurden Waffen und NS-Devotionalien gefunden.

Rund 400 Polizistinnen und Polizisten sowie Kriminalisten, Spezialkräfte des Einsatzkommandos Cobra und der WEGA waren an dem Einsatz im Auftrag der Staatsanwaltschaft Graz Freitagfrüh in ganz Österreich, außer Kärnten und Vorarlberg, sowie auch in der benachbarten Slowakei beteiligt. Insgesamt fanden mindestens 23 Hausdurchsuchungen statt. Bei Hass-Kriminalität handelt es sich um vorurteilsbedingte Straftaten. Die Täter wählen die Opfer bewusst aus, weil sie einer Gruppe angehören, die sie ablehnen.

Maskierte misshandelten und erniedrigten Opfer

Tagsüber hatten die Behörden bei einem Pressegespräch von bis dahin 15 Festnahmen berichtet: zwölf Männer und drei Frauen im Alter von 14 bis 26 Jahren. Am Abend berichtete der ORF von zumindest einer weiteren Festnahme. Die Ermittler schlossen auf APA-Anfrage nicht aus, dass die Zahl noch steigen könne. Die ORF-Sendung "Wien heute" berichtete, drei der Hausdurchsuchungen hätten in Wien stattgefunden.

Die Verdächtigen sollen seit Mai 2024 Fake-Accounts in sozialen Netzwerken erstellt und damit vorwiegend homosexuelle Männer zu Treffen an abgelegenen Orten gelockt haben. Dort erwarteten die Opfer vier bis acht Maskierte sowie Misshandlungen und Erniedrigungen. Die Täter filmten die Übergriffe auch mit und luden diese Videos anschließend in internen Gruppen sowie im Internet und auf einschlägigen Foren hoch, schilderte Michael Lohnegger, Leiter des Landeskriminalamts Steiermark Freitagvormittag bei einem Pressestatement, während die Razzia immer noch im Gange war.

Die Festgenommenen werden nun zunächst polizeilich einvernommen. Binnen 48 Stunden muss entschieden werden, ob für die teilweise noch Jugendlichen die Verhängung der U-Haft beantragt wird. Diese Entscheidung obliegt in sämtlichen Fällen der Staatsanwaltschaft Graz, bei der die Ermittlungen federführend anhängig sind, wie Behördensprecher Christian Kroschl auf APA-Anfrage bekräftigte. Zuständig für die Verhängung der U-Haft wäre laut Kroschl dann das Landesgericht für Strafsachen Graz, das die Haftverhandlungen bei Beschuldigten, die nicht in der Steiermark festgenommen wurden, wohl im Weg von Videokonferenzen durchführen würde. Bleiben die Beschuldigten nach ihren polizeilichen Befragungen in Haft, werden diese zunächst in die jeweils nächstgelegene Justizanstalt (JA) eingeliefert. Bei Verhängung der U-Haft, die laut Strafprozessordnung (StPO) zunächst für 14 Tage rechtswirksam ist, würden die Beschuldigten in weiterer Folge vermutlich nach Graz überstellt werden.

"Dringend erforderlicher Schlag gegen Hass-Kriminalität"

Lohnegger sagte weiter: "Es handelt sich um einen dringend erforderlichen Schlag gegen Hass-Kriminalität. In diesem Hate-Crime-Delikt befinden wir uns beim Vorurteilsmotiv der sexuellen Orientierung." Die Tathandlungen hätten sich vor allem gegen die homosexuelle Szene gerichtet. Der Ursprung liegt im Frühling des Vorjahres: "Da wurden im Mai und Juni im Süden des Bezirks Graz-Umgebung mehrere Raubüberfälle angezeigt." Die Ermittlungen zeigten, "dass es nicht um klassischen Straßenraub ging, sondern vielmehr um ein 'Hate Crime'-Delikt, wo es darum geht, Menschen zu verletzen und erniedrigen", so Lohnegger.

Ähnlich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP): "Der österreichischen Polizei ist unter Federführung des Landeskriminalamtes Steiermark ein schwerer Schlag gegen ein nationales Verbrecher-Netzwerk gelungen. Eine, nach derzeitigem Ermittlungsstand, überaus brutale und menschenverachtende Tätergruppe wurde damit aus dem Verkehr gezogen", sagte er. "Bei diesen Verbrechen, international 'Hate-Crime' genannt, werden oft homosexuelle Menschen bedroht, gefoltert, erniedrigt und auch ausgeraubt. Die Ermittlungen werden mit Hochdruck weitergeführt, um auch mögliche weitere Täter schnellstmöglich aus dem Verkehr zu ziehen", betonte Karner.

Arbeitsgruppe "Venator" seit Oktober 2024

Nachdem sich diese sogenannte "Pedo-Hunter-Szene" weiter ausbreitete, habe das Landeskriminalamt die Ermittlungen übernommen, sagte Lohnegger. Es konnten weitere Tathandlungen ermittelt werden, weshalb innerhalb des LKA die Arbeitsgruppe "Venator" im Oktober 2024 eingerichtet wurde. "Die Tätergruppen erstellten in sozialen Medien und auf diversen Kontaktplattformen Fake-Accounts, um damit potenzielle Opfer heranzulocken", schilderte Lohnegger die Vorgehensweise der Täter. Bei der Kontaktaufnahme mit den Opfern wurden teilweise sexuelle Handlungen "an abgeschiedenen Plätzchen" vereinbart, so der LKA-Leiter weiter. "Es erwarten sie dort aber nicht das angekündigte Treffen, sondern vier bis acht maskierte Personen, die die Opfer schwerst misshandeln. Wir haben schwere absichtliche Körperverletzungen, in einem Fall sogar einen versuchten Mord, zu verzeichnen."

Es ging der Tätergruppe laut den Ermittlern nicht nur darum, die Opfer zu verletzen, sondern sie auch zu berauben und zu erniedrigen und das Ganze zu filmen: "Opfer müssen etwa mit den maskierten Tätern tanzen und diese Videos wurden dann in entsprechenden privaten Gruppen hochgeladen." Die Festnahmen seien ein erster Schlag gegen die Szene. Die Polizei geht von einer hohen Dunkelziffer aus und bittet mögliche weitere Betroffene sich zu melden, "denn solche Taten gehören rigoros abgestellt". Die Verdächtigen seien "von Tathandlung zu Tathandlung immer brutaler vorgegangen und die Verletzungen immer schlimmer" geworden. "Die Erniedrigungen nahmen ein überdurchschnittliches Ausmaß an", sagte Lohnegger.

Unter "Deckmantel der Selbstjustiz"

Auf APA-Nachfrage hieß es, dass unter den 15 festgenommenen Personen elf mit österreichischer, eine mit kroatischer, eine mit rumänischer, eine mit slowakischer und eine mit deutscher Staatsbürgerschaft zu finden sind. Eine Festnahme erfolgte in der Slowakei, die anderen in Österreich. Derzeit liegen den Ermittlern 17 strafrechtlich relevante Vorfälle vor, doch mit weiteren wird gerechnet.

Die mutmaßlichen Täter sollen laut Lohnegger bundesweit vernetzt gewesen sein. Den Ausgang nahm die Gruppe südlich von Graz, weitete sich dann auf die Steiermark und dann auf ganz Österreich aus - es gab sogar eigene "Administratoren" in der Gruppe. Zum Motiv führte Lohnegger aus, dass die Verdächtigen unter dem "Deckmantel der Selbstjustiz" gehandelt hätten: "Man ist offiziell darauf bedacht, pädophile Menschen aus der Gesellschaft zu holen oder zu erniedrigen, aber - das ergeben auch die Ermittlungen - die Täter sind sich sehr wohl bewusst, dass die Opfer nicht pädophil sind." Diese "grausamen Taten" seien von den mutmaßlichen Tätern "schöngeredet" worden, um sie für sich selbst verantworten zu können.

"Kein einziges der Opfer ist pädophil"

Ob es sich bei den mutmaßlichen Tätern um Identitäre handelt, da bei den Hausdurchsuchungen neben Waffen und Suchtmitteln auch nach dem Verbotsgesetz unerlaubte Gegenstände gefunden wurden, konnte die Polizei vorerst nicht beantworten. Der stellvertretende Landespolizeidirektor Joachim Huber unterstrich, dass "kein einziges der Opfer pädophil" sei.

Seitens der Staatsanwaltschaft Graz wurde außerdem auf APA-Nachfrage bestätigt, dass vor rund zwei Wochen bereits in Prozess gegen drei Beschuldigte, die mit dem gleichen Modus auf Homosexuelle losgegangen sind, im Grazer Straflandesgericht begonnen hat. Es wurde aber unter anderem wegen der laufenden Ermittlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. "Zwischen den drei Angeklagten und den Hausdurchsuchungen gibt es einen Zusammenhang", sagte Sprecher Christian Kroschl. Die Verhandlung blieb vorerst ohne Urteil und wurde vertagt.

"Hate Crime": Entsetzen über Vorgehensweise der Gruppierung

Am Freitag herrschte Entsetzen über den Fall von Hass-Kriminalität, der zu einer Razzia in sieben Bundesländern geführt hatte. SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner zeigte sich schockiert. Für ihn sei es nur die "traurige Spitze eines Eisbergs". Das zeige "einmal mehr, dass die Lage für queere Personen auch in Österreich immer bedrohlicher wird", sagte David Stögmüller, LGBTIQ+-Sprecher der Grünen. Auch NEOS-LGBTIQ+-Sprecherin Henrike Brandstötter verurteilte den Fall.

"Ich bin fassungslos, dass so etwas in Österreich im Jahr 2025 passiert", sagte Lindner von der SPÖ. "Mein Dank gilt den Einsatzkräften und allen, die an der Aufklärung dieser widerwärtigen Verbrechen beteiligt waren", so der Politiker. "Als schwuler Mann weiß ich, mit welchem Hass viele Menschen auch hierzulande wegen ihrer sexuellen Orientierung noch immer konfrontiert sind. Dass aber Menschen sich zusammentun, um Homosexuelle in Fallen zu locken, anzugreifen, schwer zu verletzen und diese Verbrechen dann auch noch zu teilen, ist ein feiger und ekelerregender Akt, der uns alle alarmieren muss." Er ermutigte mögliche weitere Opfer, sich bei der Polizei zu melden.

Bewusst Vorurteile geschürt und Lügen verbreitet

Für Lindner sei klar, dass dies nur die traurige Spitze des Eisbergs darstelle. "Wir erleben auch in Österreich seit Jahren, dass der Hass gegen LGBTIQ+ Personen zunimmt, dass bewusst Vorurteile geschürt und Lügen verbreitet werden. All das hat furchtbare Konsequenzen!", betont Lindner. "Dass diese feigen Täter, laut Polizeiberichten, ihre Verbrechen als Selbstjustiz sahen und ihren Opfern Pädophilie unterstellten, kommt nicht von irgendwoher - das ist die direkte Konsequenz jener Lügen und Fake News, die aus rechtsextremen Kreisen bewusst in den sozialen Medien verbreitet werden."

"Immer mehr Menschen aus der rechten und rechtsextremen Szene fühlen sich durch die wachsende Salonfähigkeit von Hass, Homophobie und Transfeindlichkeit ermutigt, ihre menschenverachtende Vorstellung von Gerechtigkeit selbst in die Tat umzusetzen", meinte Stögmüller von den Grünen. Dass diese Logik der Selbstjustiz nun auch in Österreich Fuß fasse, sei besonders besorgniserregend." Und Agnes Prammer, Sprecherin der Grünen für Sicherheit und Menschenrechte, sagte: "Ich bin erleichtert, dass unsere Ermittlungsbehörden diese Hassverbrechen als das behandeln, was sie sind: organisierte, gewaltbereite Gruppen, die schwerste Straftaten aus reinem Hass auf Menschen begehen, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität sie nicht akzeptieren."

"Diese Gewalt ist nicht nur ein Angriff auf Einzelpersonen - sie ist ein Angriff auf die Freiheit, auf die Menschenrechte und auf unsere offene Gesellschaft", sagte Brandstötter von den NEOS. "Es braucht eine klare Haltung gegen Queerfeindlichkeit - in der Politik, in der Justiz und in der digitalen Welt."

Solche Angriffe seien zudem kein Einzelfall, betont Brandstötter. "In autoritären Staaten wie etwa Russland ist das gezielte Auflauern und Bestrafen queerer Menschen über Dating-Plattformen längst Teil systematischer Repression." Dass ähnliche Muster nun auch in Österreich sichtbar werden, sei ein Alarmzeichen, das nicht ignoriert werden dürfe. "Wir dürfen nicht zusehen, wie Hass, der in autoritären Regimen längst Alltag ist, auch bei uns Fuß fasst. Der Rechtsstaat muss hier mit voller Härte reagieren - und gleichzeitig Prävention, Aufklärung und Schutz stärken."

(APA/Red)

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