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Plasmawelle: ESA warnt vor Blackout-Gefahr in Europa durch Sonnensturm

Spektakuläre Nahaufnahme der Sonnenoberfläche: Die ESA-Sonde Solar Orbiter liefert hochauflösende Bilder von solaren Plasmabewegungen und Magnetfeldlinien – entscheidend für das Verständnis gefährlicher Sonnenstürme.
Spektakuläre Nahaufnahme der Sonnenoberfläche: Die ESA-Sonde Solar Orbiter liefert hochauflösende Bilder von solaren Plasmabewegungen und Magnetfeldlinien – entscheidend für das Verständnis gefährlicher Sonnenstürme. ©ESA
"Es geht nicht darum, ob dies passiert, sondern wann", sagt ESA-Experte Gustavo Baldo – Europa rüstet sich gegen kosmisches Risiko.

Ein Sonnensturm wie aus einem Katastrophenfilm – aber wissenschaftlich realistisch: Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat im Oktober 2025 in einer groß angelegten Simulation durchgespielt, was passiert, wenn eine sogenannte Plasmawelle – ein koronaler Massenauswurf – auf die Erde trifft. Die Folgen wären dramatisch: Ausfälle bei Navigation, Stromversorgung, Kommunikation. Auch Österreich wäre betroffen.

Sonnensturm-Alarm: Wie Europa auf das kosmische Chaos vorbereitet wird

Ein unterschätztes Risiko aus dem All: Die Sonne ist derzeit so aktiv wie seit Jahren nicht mehr. Forscher der Europäischen Weltraumorganisation ESA warnen: Ein einziger extremer Sonnensturm könnte weite Teile Europas lahmlegen – und das ohne jede Vorwarnung.

Halloween Solarsturm im Jahr 2003. ©ESA

Drei Phasen der Zerstörung

Die gefährlichste Phase beginnt etwa 10 bis 18 Stunden nach dem Sonnenausbruch, wenn eine Plasmawolke – ein sogenannter koronaler Massenauswurf – auf das Magnetfeld der Erde trifft. Die Folge: ein geomagnetischer Sturm, der Störungen in Stromnetzen auslösen und im schlimmsten Fall zu großflächigen Blackouts führen könnte.

In der ESA-Simulation wurde genau dieses Szenario durchgespielt – inspiriert vom Carrington-Ereignis von 1859, dem bisher stärksten bekannten Sonnensturm.

"Die Sonneneruption überraschte die Teammitglieder. Doch als sie sich wieder gefasst hatten, wussten sie, dass der Countdown begonnen hatte. In den nächsten 10 bis 18 Stunden würde eine koronale Massenauswurfwelle eintreffen, auf die sie sich vorbereiten mussten", erklärt Gustavo Baldo, leitender Simulationsbeauftragter bei der ESA.

Info: Die Europäische Weltraumorganisation ESA
  • Gründung: 30. Mai 1975
  • Sitz: Paris, Frankreich
  • ‍✈️ Generaldirektor: Josef Aschbacher (seit 2021, gebürtiger Tiroler)
  • Mitglieder: 22 europäische Staaten – inkl. Österreich
  • Budget: 7,79 Milliarden Euro (2024)
  • Mitarbeiter:innen: ca. 2200 (Stand 2022)
Ziele & Aktivitäten:
  • Ziele: Friedliche Raumfahrtforschung im Interesse aller Europäer:innen
  • Erfolge: Rosetta, Columbus, Gaia, Copernicus, Galileo, Solar Orbiter
  • Aktuell: Artemis-Mondmission mit NASA (Servicemodul Orion)
  • Sicherheit: Zentrum für Weltraumsicherheit in Darmstadt (Sonnenstürme, Asteroiden, Weltraumschrott)
Österreich & die ESA:
  • – Mitglied seit 1987, Fokus auf Erdbeobachtung & Klima
  • – Beteiligung an Copernicus & JUICE
  • – Datenanalyse & Satellitentechnologie aus Österreich
Wichtige ESA-Standorte in Europa:
  • – ESOC (Satellitenkontrolle) – Darmstadt (DE)
  • – EAC (Astronautentraining) – Köln (DE)
  • – ESTEC, ESRIN, ESAC, ECSAT, ESEC – NL, IT, ES, UK, BE

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Kontrollverlust über Navigation, Kommunikation, Stromnetze

Die ESA modellierte eine extreme Sonneneruption der Klasse X45. Diese führte in der Simulation zum Ausfall von Galileo- und GPS-Systemen, zu Kommunikationsstörungen und einer Überlastung von Bodenstationen – vor allem in den Polarregionen.

  • "Ein Ereignis dieser Größenordnung würde die Qualität der Konjunktionsdaten erheblich beeinträchtigen, wodurch Kollisionsvorhersagen schwieriger zu interpretieren wären. Ein Ausweichmanöver könnte plötzlich ein anderes Risiko erhöhen", so Jan Siminski vom Space Debris Office der ESA.

Die dritte Welle – ein massiver koronaler Massenauswurf – führte zum geomagnetischen Sturm. Polarlichter waren in der Simulation bis Sizilien sichtbar, Stromleitungen und Pipelines wurden von gefährlichen Spannungen getroffen.

  • "Sollte ein solcher Sturm auftreten, könnte der Luftwiderstand für Satelliten um 400 Prozent zunehmen. Das verkürzt ihre Lebensdauer und erhöht das Kollisionsrisiko", erklärt Jorge Amaya, ESA-Experte für Weltraumwetter.
Sonnenstürme verlaufen in drei aufeinanderfolgenden Wellen:

Welle 1 – in 8 Minuten:
Eine elektromagnetische Stoßwelle erreicht die Erde und stört GPS-, Galileo-, Radar- und Kommunikationssysteme.

Welle 2 – nach 10 bis 20 Minuten:
Hochenergetische Teilchen beschädigen die Elektronik von Satelliten, was zu Funktionsstörungen und Ausfällen führen kann.

Welle 3 – nach 10 bis 18 Stunden:
Eine Plasmawolke trifft das Magnetfeld der Erde. Die Folge können Stromausfälle, Infrastruktur-Schäden und Bahnabweichungen von Satelliten sein.

Auch in Österreich könnten bei einem realen Ereignis Stromausfälle, Unterbrechungen der Kommunikation und kritische Infrastrukturstörungen die Folge sein. Die ESA nennt das Weltraumwetter inzwischen ein ernstes Sicherheitsrisiko für ganz Europa.

Ziel: Europas Resilienz stärken – nicht Panik verbreiten

Die Simulation war Teil der Startvorbereitung des Sentinel-1D-Satelliten und wurde vom ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt durchgeführt. Das Weltraumsicherheitszentrum der ESA spielte dabei eine zentrale Rolle.

  • Diese Übung war die erste Gelegenheit, sich mit einem solchen Großereignis auseinanderzusetzen. Die wichtigste Erkenntnis ist: Es geht nicht darum, ob dies passiert – sondern wann", betont Gustavo Baldo.

Jorge Amaya ergänzt:

  • "Die Auswirkungen lassen sich mit einer Pandemie vergleichen: Wir werden sie erst wirklich spüren, wenn sie eintreten. Aber wir müssen vorbereitet sein."
Info: Blackout-Vorbereitung in Vorarlberg

ESA plant Frühwarnsystem – Mission Vigil ab 2031

Die ESA arbeitet bereits an der Verbesserung der Weltraumwetter-Vorhersage. Die Mission "Vigil" soll ab 2031 die Sonne von der Seite aus beobachten – vom Lagrange-Punkt 5 aus. Ziel ist es, gefährliche Sonnenaktivitäten zu erkennen, bevor sie von der Erde aus sichtbar sind. Damit sollen Satelliten und Stromnetze rechtzeitig gewarnt werden können.

Europa nimmt das Risiko ernst – und mit ihm auch Österreich. Denn bei einem echten Sonnensturm dieser Größenordnung wären Blackouts, Satellitenausfälle und Kommunikationsprobleme nicht Science-Fiction – sondern Realität.

(VOL.AT)

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