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Pestizid-Studie: Einsatz gefährlicher Mittel stark gestiegen

Neue Daten zeigen: Der Pestizideinsatz auf Äckern wächst dramatisch.
Neue Daten zeigen: Der Pestizideinsatz auf Äckern wächst dramatisch. ©APA/DPA/Patrick Pleul
Der Einsatz besonders riskanter Pestizide hat in Österreich in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Das zeigen neue Daten des Landwirtschaftsministeriums, die nun auf parlamentarische Anfrage veröffentlicht wurden. Die Kritik an der Regierung wächst.

Der Einsatz von problematischeren Pflanzenschutzmitteln in Österreich ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Das ergab die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Landwirtschaftssprecherin der Grünen, Olga Voglauer. So haben sich die potenziell mit Substitutionskandidaten behandelten Flächen von 2010 bis 2024 mehr als verdoppelt, jene mit PFAS-Pestiziden fast verdreifacht, wie aus den vom Landwirtschaftsministerium publizierten Verkaufsmengen hervorgeht.

Anstieg beim Einsatz von Pestiziden mit hohem Risiko

Mit den im Zuge der Anfragebeantwortung veröffentlichten wirkstoffgenauen Daten wurde von Global 2000 im Auftrag der Grünen berechnet, wie viele Hektar mit den verkauften Substanzen behandelt werden können. "Erstmals wissen wir nun, wie es wirklich um die Entwicklung der Pestizid-Anwendung in Österreich steht, und die Ergebnisse sind dramatisch", stellte Voglauer fest. Denn die so errechnete potenziell pestizidbehandelte Fläche ist demnach seit 2010 bis 2024 um 22 Prozent gestiegen und beträgt derzeit 7,5 Millionen Hektar. Die errechnete Fläche mit Substitutionskandidaten-Wirkstoffen stieg im gleichen Zeitraum jedoch um rund 106 Prozent von 1,35 Millionen auf 2,78 Millionen Hektar, jene mit PFAS-Wirkstoffen um über 175 Prozent und verdreifachte sich von 0,53 Millionen auf 1,46 Millionen Hektar.

Voglauer kritisiert Untätigkeit

Dass der Einsatz von besonders gefährlichen Pestiziden so massiv steigt, sei laut Voglauer insbesondere für die landwirtschaftlich tätigen Personen ein Problem, "denn sie haben durch das Hantieren mit den Substanzen das größte Risiko für gesundheitliche Auswirkungen". Kritik übte sie an Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), denn ihm seien diese Zahlen schon seit Jahren bekannt, "und er hat nichts unternommen um die Verwendung der besonders gefährlichen Wirkstoffe einzuschränken. Das ist höchst fahrlässig."

Auch Umweltmediziner Hans-Peter Hutter kritisierte in einem Statement den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, denn es sei "längst keine Überraschung mehr, dass die meisten Fungizide und Insektizide neurotoxisch sind", was unter anderem das Risiko für Parkinson erhöhe. Die Datenlage für einzelne Stoffe sei zwar unterschiedlich, aber nach einer aktuellen Literaturübersicht könne kein Wirkstoff diesbezüglich als harmlos angesehen werden.

NGO fordert Umsetzung von EU-Vorgaben

Global 2000 begrüßte in einer Stellungnahme ausdrücklich, dass das Landwirtschaftsministerium mit der aktuellen Beantwortung die vollständigen Daten nun erstmals öffentlich zugänglich gemacht hat. Jedoch kritisierte die NGO, dass aus den Zahlen hervorgeht, dass etwa Substitutionskandidaten zu den am häufigsten verwendeten Wirkstoffen zählen. Das sei eine mangelnde Umsetzung eines gesetzlichen Auftrags vonseiten der EU. Als Substitutionskandidaten gelten Pestizide laut EU dann, wenn diese Wirkstoffe enthalten, die etwa als reproduktionstoxisch (fortpflanzungsgefährdend) oder als mutagen (erbgutverändernd) eingestuft worden sind. Diese Pflanzenschutzmittel mit höherem Risiko sollten von den Mitgliedsstaaten eigentlich durch weniger gefährliche Alternativen ersetzt werden.

Bei den als PFAS-Pestizide bezeichneten Substanzen besteht das Problem darin, dass deren Abbauprodukt Trifluoressigsäure bzw. Trifluoracetat (TFA) im Verdacht steht, fortpflanzungsgefährdend zu sein und als "Ewigkeitschemikalie" zudem die Eigenschaften "schwer abbaubar und langlebig" aufweist. Dänemark hat im Juli 2025 als erster EU-Staat nationale Verbote für 23 dieser Pestizide ausgesprochen.

Global 2000 erklärt Berechnung

Nach mehreren Einwänden zu den Berechnungen von Global 2000, unter anderem verwies das Landwirtschaftministerium im Ö1-"Morgenjournal" auf einen Anstieg bei Pestiziden für die Bio-Produktion, reagierte die NGO in einer Aussendung auf diese Kritik. "Tatsächlich werden in Österreich nur rund 370.000 Hektar der pestizidbehandelten Fläche mit Wirkstoffen behandelt, die in der Biolandwirtschaft zulässig sind. Das entspricht lediglich fünf Prozent der 7,5 Millionen Hektar, die insgesamt mit Pestiziden behandelt werden", erklärt Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei Global 2000.

Zudem wurde von der NGO darauf verwiesen, dass die Berechnungen unter Anwendung der vom deutschen Umweltbundesamt veröffentlichten Standard-Hektaraufwandmengen durchgeführt wurden. Damit wurden die Wirkstoffmengen in jene Flächen umgerechnet, die mit einem bestimmten Wirkstoff tatsächlich behandelt werden können. Dies sei laut Burtscher-Schaden die "entscheidende Messgröße für den Pestizideinsatz". Hier reagierte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) in einer Aussendung, indem er darauf hinwies, dass es wesentlich sei, "dass die Menge eines ausgebrachten Wirkstoffs nichts über dessen Gefährlichkeit aussagt. Für eine fachliche Bewertung ist das Risiko entscheidend, nicht das reine Gewicht."

Kohlendioxid nicht mit einbezogen

Im Ö1-"Mittagsjournal" äußerte sich hingegen Landwirtschaftskammer-Generalsekretär Ferdinand Lembacher zum "angeblichen Anstieg von Pestiziden", dass sich dieser nur ergeben könne, indem man CO2 dazu rechne, das für die Haltbarkeit von Obst verwendet werde. Jedoch wurde der Einsatz von Kohlendioxid in der Auswertung von Global 2000 bewusst nicht miteinbezogen, da dieses "inerte Gas" nicht auf die landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht wird, sondern vor allem nach der Ernte verwendet wird, um Lagerbestände vor Schädlingen zu schützen.

(APA/Red)

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