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Patrick Ortlieb: "Bin niemand, der sich inszeniert"

Sonntags-Talk mit Patrick Ortlieb, ehemaliger österreichischer Skirennläufer, Olympiasieger und Weltmeister in der Abfahrt.
Sonntags-Talk mit Patrick Ortlieb, ehemaliger österreichischer Skirennläufer, Olympiasieger und Weltmeister in der Abfahrt. ©MiK
Lech - Olympiasieger Patrick Ortlieb spricht im W&W Sonntags-Talk über seine Ski-Karriere, die Zeit als Politiker und gibt Einblicke in den ÖSV. ­

WANN & WO: Warum ist es in letzter Zeit ein bisschen ruhig geworden um Patrick Ortlieb?

Patrick Ortlieb: Ich bin niemand, der sich inszenieren will, oder eine Plattform sucht, um sich zu präsentieren. Ich habe meinen Job, meine Familie, meine Aufgaben. Dazu brauche ich keine öffentlichen Auftritte. Wenn man das vernünftig auf die Reihe bekommen hat, bleibt keine Zeit, als beruflicher Adabei von einer Veranstaltung zur anderen zu gehen. Der VSV ist ein riesiger Zeitfaktor geworden. Das mache ich gern und aus Überzeugung. Ich gehe auch nach wie vor gerne Skifahren, das gehört auch ein Stück weit zu meinem Job dazu. Aber ich fange morgens um sieben an und mache gegen Mitternacht
Feierabend.

WANN & WO: Im Wikipedia-Eintrag zu Patrick Ortlieb wird behauptet: „Ortlieb begann erst im Alter von 13 Jahren mit dem Skisport und entschied sich erst spät, für Österreich zu starten.“ Wann standen Sie denn das erste Mal auf Ski?

Patrick Ortlieb: Das ist ja ein totaler Blödsinn (schmunzelt)! Ich war nicht einmal drei Jahre alt, als ich das erste Mal auf Ski stand. Ich lebe mitten auf der Skipiste und bin hier aufgewachsen. Ich war sehr viel im Gelände, im Tiefschnee und auf Buckelpisten, das war einfach der Arlberg. Dass ich professionell damit begonnen habe, war vielleicht etwas später, als bei den einen oder anderen im Ländle. Aber ich war hier einfach sehr gut versorgt, auch vom Skiclub Arlberg.

WANN & WO: Wie ist es in einem Verband wie dem ÖSV, der ja von Talenten geradezu überrannt wird?

Patrick Ortlieb: Das ist eine der größten Herausforderungen. Talente gibt es viele und man muss das System Skisport früh verstehen. Es braucht Talent, Material, äußere Bedingungen und Glück. Erst die Kombination aus diesen Faktoren führt zum Erfolg.

WANN & WO: Im Jänner ’90 kam mit einem Seiten- und Kreuzbandriss in Val d’Isère eine schwere Verletzung.

Patrick Ortlieb: Das gehört einfach dazu. Das ist das tägliche Brot eines Skiprofis. Ein Bauarbeiter bekommt körperlich in 40 bis 50 Arbeitsjahren viel ab, genau wie ein Arzt, der ständig unter Strom steht, Nachtschichten macht und dergleichen. Das ist einfach das Leben und die Alternative wäre, nichts zu tun, aber macht das glücklich?

WANN & WO: Der große Höhepunkt war dann Gold bei Olympia 1992 in Albertville. Wieder auf der Abfahrtsstrecke von Val d’Isère. Wie ist das, wenn man mit Startnummer eins so eine Zeit fährt und dann warten muss, bis das alle Teilnehmer unten sind?

Patrick Ortlieb: Mir war klar, dass diese Fahrt eine Medaille wird. Dann wartest und wartest du und denkst, mit einer Medaille wäre ich schon sehr froh. Irgendwann spekulierst du dann auch auf Gold, was halt noch schöner wäre. Du hast selbst aber keinen Einfluss mehr darauf, kannst nur hoffen, dass alles fair abläuft. Damals war es sehr an der Grenze der Fairness, weil ein Lokalmatador mit einer hohen Nummer gefahren ist und sich nur auf das eine Rennen vorbereitet hat. Vor seinem Start wurde noch unterbrochen und man hat ihm die Piste nochmals etwas präpariert, aber es hat dann ja doch so ausgehen sollen, wie es ausgegangen ist.

WANN & WO: Drei Jahre nach dem Weltmeistertitel 1996 kam das Karriereende dann doch recht abrupt.

Patrick Ortlieb: Ich hatte mich nach einem Formtief eigentlich wieder gut erfangen und war guter Dinge, die 99er-WM als Abschlussrennen zu fahren. Etwa 14 Tage davor kam es zu dem schweren Trainingssturz auf der Streif. Das war mein Fehler, ich habe eindeutig zu viel Risiko genommen. Viele haben mich gefragt, ob das noch nötig gewesen sei, so eine schwere Verletzung am Ende der Karriere. Dazu kann ich nur sagen: Zum Glück am Ende und nicht mit 18, sonst hätte ich nie eine Karriere gemacht.

WANN & WO: Nach Ihrer Sportlerkarriere gab es dann einen Ausflug in die Politik. Mit welchem Gefühl denken Sie an diese Zeit zurück?

Patrick Ortlieb: Ich möchte diese Zeit nicht missen. Aber der Zeitaufwand, von Oberlech nach Wien – das ist eine Tagesreise – zu fahren, wegen einer Sitzung, die nur eine halbe Stunde dauert, ist einfach riesig. Wenn ich Rechtsanwalt in Wien bin und meine Kanzlei neben dem Parlament habe, ist das einfacher. Ich finde aber auch, dass man politische Arbeit nicht an der medialen Präsenz messen kann. Nach wie vor ist dieses politische Hickhack ganz eigenartig. Wenn ich heute die Berichterstattung in den Medien lese, muss ich schmunzeln. Die meisten Entscheidungen treffen Politiker nach der Überlegung, wie sie die nächste Wahl überleben. Nicht, wem kann ich etwas Gutes tun oder wo kann ich am System etwas ändern? Es kann nicht sein, dass man seit 20 Jahren von einer Verwaltungsreform redet und niemand bereit ist, die in Angriff zu nehmen. Jedem ist klar, dass es die Hälfte der im Nationalrat handelnden Personen überhaupt nicht braucht.

WANN & WO: Wie stehen Sie heute zur FPÖ?

Patrick Ortlieb: Im Ländle haben sie immer gute Arbeit gemacht. Dieter Egger ist auch ein sehr großer Unterstützer des Skisports, als Präsident vom Skiclub Rheintal. Politik hat aber im Sport nichts verloren. Wir sind komplett überparteilich. Ich war nie Mitglied, bin es jetzt auch nicht.

WANN & WO: Wie sehen Sie im Vergleich dazu die politischen Herangehensweisen der Bundespartei?

Patrick Ortlieb: Dieter ist einfach ziel- und handlungsorientiert, was auf Dauer bestimmt von Vorteil sein wird. Ich bin auch keiner, der treibt. Mir steht aber nicht zu, die politischen Praktiken zu beurteilen, weil ich überhaupt nicht involviert bin. Dass ich im Nationalrat war, ist bald 15 Jahre her. Heute bin ich nur ein Bürger, der das in den Medien verfolgt. Ich wähle auch ganz verschieden, themen- und personenbezogen.

WANN & WO: Das mehr oder weniger abrupte Ende der politischen Karriere kam dann durch den „Parkgaragenskandal“. Wie haben Sie empfunden, wie die Medien damals damit umgegangen sind?

Patrick Ortlieb: Sicher war es eine Hexenjagd, aber wenn ich weiß, wie Medien agieren, wovon sie leben, ist das keine Überraschung. Journalisten sind getrieben von Chefredakteuren und Herausgebern, die die reichsten Leute auf der Welt sind und nichts anderes im Sinn haben, als Skandale zu provozieren, Förderungen abzuholen und sie zu verteidigen – bis aufs Letzte. Wer nicht mitmacht ist Freiwild. Die Klarstellung, dass an dem „Skandal“ nichts dran war, ist zwei Mal drei Zentimeter groß gedruckt worden. Wenn man sich die Titelseiten vor Augen führt, die davor erschienen sind, kann man sich vorstellen, wie ich zu Herausgebern stehe.

WANN & WO: Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?

Patrick Ortlieb: Richtige Freunde sind solche, die zu einem stehen. Was da vorgefallen ist, war moralisch sicher nicht richtig. Es war aber nichts Kriminelles, es war keine Gewalt im Spiel, es war Garnichts. Dass es moralisch nicht in Ordnung war, muss ich meiner Familie gegenüber selbst verantworten. Ich habe aber sonst niemandem etwas zuleide getan, das ist erwiesen. Es macht wohl jeder in seinem Leben mal etwas moralisch Verwerfliches, als Person in der Öffentlichkeit muss man halt akzeptieren, wie darauf reagiert wird. Wie in den eigenen vier Wänden damit umgegangen wird, soll auch da bleiben.

WANN & WO: Wie sehen Sie Ihre Tätigkeit als Präsident des VSV?

Patrick Ortlieb: Wintersport entwickelt sich ständig weiter. Man ist permanent mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Ich bin überzeugt, dass harte Arbeit belohnt wird. Darum mache ich das gerne mit meinem Team, dessen Mitglieder alle ehrenamtlich und gewissenhaft arbeiten. Deshalb tut Kritik gleich doppelt weh, vor allem, wenn sie von Leuten kommt, die nur mitkassieren.

WANN & WO: Kommen solche Dinge, wie die kürzliche Aufregung um Anna Fenninger, zustande, weil die Öffentlichkeit nur kleine Streiflichter dieser komplexen Vorgänge mitbekommt?

Patrick Ortlieb: Die Ausbildung eines jungen Athleten bis der soweit ist, dass er absahnt, kostet 700.000 bis eine Million Euro. Wenn welche meinen, sobald sie oben im Rampenlicht stehen sagen zu können: ,Alles, was mit mir verdient wird, gehört mir.‘, ist das nicht in Ordnung. Mich hat am meisten gestört, dass man Prof. Schröcksnadel so persönlich angegriffen hat. Für jemanden, der ihn kennt und weiß, was er für ein Fan ist, der alles zum Wohle des Sports und der Athleten macht, ist das ungerechtfertigt. Bevor jemand keinen Sponsor hat, greift Schröcksnadel in seine eigene Tasche und pappt dem irgendeine eigene Firma, die er hat, auf den Kopf, damit er auch ein paar Tausender zum Überleben hat. Ich weiß nicht, wieviel das Management bisher in Anna Fenninger investiert hat. Aber jetzt, wo es ums Kassieren geht, sind sie da, die großen Beschützer. Wie gesagt, weiß ich, wie Medien agieren müssen. Man sucht sich die Extreme, lässt den einen oder anderen Beisatz weg, auch in Interviews. Man versucht zu stacheln. Das ist das gute Recht jedes Mediums, alle leben von Auflagen oder Einschaltquoten. Wenn man als Sportler getrieben ist von jemandem, der mehr mitkassieren will, ist das schwierig. Wann ist es aber zu viel? Morgen kommt der Nächste, übermorgen auch und jeder fordert mehr. Sicher kann man irgendwie rechtfertigen, Fenninger ist sportlich die erfolgreichste. Das kann in fünf Monaten aber ganz anders aussehen. Ich kenne Herrn Kärcher nur ganz flüchtig und kann ihn weder beurteilen noch kritisieren. Es hat aber schon in den letzten Jahren die eine oder andere Diskussion im Rahmen des Präsidiums gegeben, bezüglich der Sponsoren von Frau Fenninger. Wenn ich weiß, was für Regeln es gibt, verstehe ich überhaupt nicht, wieso er so etwas überhaupt anzettelt. Das ist sich selbst ins Rampenlicht stellen zu wollen, einen Deal zu machen, der nie zustande kommen kann, nur um groß dazustehen. Für das Unternehmen, das da mitgespielt hat, war klar, dass das nie etwas kosten aber unglaubliche Präsenz bringen wird.

WANN & WO: Die Situation bei den Vorarlberger Snowboardern ist derzeit ja auch nicht gerade einfach.

Patrick Ortlieb: Wenn nur drei Weltcuprennen sind, geht das allen gleich. Das ist höhere Gewalt, aufgrund der Wetter- und Schneebedingungen. Für Markus Schairer und Co. tut es mir leid, dass sie zum Nichtstun verurteilt wurden. Von Verletzungen blieb man nicht verschont und auch bei Events war das Glück eben nicht so sehr auf unserer Seite, wie im Jahr davor. Mathies wurde Weltcupsieger – damit hat kaum jemand gerechnet. Das ist aber nach wie vor eine super Truppe, von der ich voll überzeugt bin.

WANN & WO: Was machen Sie momentan und in naher Zukunft?

Patrick Ortlieb: Ich bin Geschäftsführer im Familienbetrieb, habe Verantwortung über 50 Mitarbeiter und bin im einen oder anderen Gremium. Bei all diesen Dingen fühle ich mich wohl, mache sie gern und auch relativ erfolgreich. Momentan habe ich keine Ambitionen, meinen Lebensmittelpunkt von Lech weg woanders hin zu verlegen und keinerlei Pläne oder Visionen, in den nächsten drei bis vier Jahren irgendetwas zu ändern.

Wordrap

Olympia: Schönstes sportliches Ereignis meines Lebens.
ÖSV: Funktioniert sehr gut.
Snowboard: Eine Sonderform des Wintersports, die sehr viele junge Athleten anspricht.
Mal selbst ausprobiert?: Selbstverständlich. Ein guter Fahrer bin ich nicht, aber ich fahre auch Snowboard – Freestyle, nicht rennmäßig.
Lech: Schönste Wintersport­destination weltweit.
Vorarlberg: S‘Ländle, in dem die wahren Werte des Lebens noch hochgehalten werden.
Winter: Die Lebensader unserer Region. Sommer: Könnte ab und zu etwas wärmer sein.
Politik: Die braucht es auch, sie ist aber dennoch nicht immer ganz verständlich.
Familie: Das Wichtigste, was man haben kann.
Zukunft: Gesundheit für den ganzen Bekanntenkreis.

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