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Parteisoldat Nehammer

©APA/ROBERT JAEGER
GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER. Wenn es um Flüchtlinge und Afghanistan geht, agiert der Innenminister ganz im Sinne der neuen ÖVP. Noch ist das wirkungsvoll, es besteht jedoch Grund zur Hoffnung.

Zu den größten Irrtümern politischer Beobachter zählt die Überzeugung, Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sei gerade wieder gescheitert. Übertroffen wird das nur durch die Vorstellung, dass sich seine Karriere in der Politik jetzt aber wirklich ihrem Ende zuneige.

Natürlich würde in anderen Ländern nicht durchgehen, was er so von sich gibt zu Flüchtlingen und Afghanistan. Sein luxemburgischer Amtskollege Jean Asselborn findet die Aussagen schrecklich: Sie seien populistisch und würden nur Angst schüren. Also das glatte Gegenteil dessen, was ein Innenminister schaffen sollte: Ruhe und Ordnung.

Der ehemalige ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer dient jedoch weniger der Republik und ihren Menschen als vielmehr der neuen Volkspartei von Sebastian Kurz. Das wiederum tut er sehr wirkungsvoll, um nicht zu sagen erfolgreich. 

Die Botschaften entsprechen den Slogans, die den Türkisen 2017 und 2019 bei den Nationalratswahlen starke Zugewinne beschert haben: „2015 darf sich nicht wiederholen“, lautet die Überschrift. Das ist Stimmungsmache für eine einzige Abwehrhaltung. Nehammer lehnt sogar die Aufnahme gefährdeter Frauen aus Kabul ab, weil es dann zu einem „Exodus“ kommen könnte, wie er suggeriert. Das ist ein Code: Im Alten Testament steht das für den Auszug eines ganzen Volkes aus einem Land (der Israeliten aus Ägypten). Wer auf diesen Code hereinfällt, kann nicht einmal ein paar Frauen Schutz im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zugestehen.

Damit erreicht der ÖVP-Mann zwei Dinge: Die Bereitschaft, zu helfen, reduziert sich eher nur auf eine Minderheit links der Mitte (exklusive Spitzengrüne wie Werner Kogler, die lieber nichts-sagende Worte wählen, um keinen Koalitionskrach zu provozieren). Und die Freiheitlichen sind neutralisiert: Herbert Kickl kann nichts mehr fordern, wenn Nehammer seinen Job ohnehin erledigt.

Das Ganze kann zu denken geben: 2015 hat zu einer Schwarz-Weiß-Politik geführt. Auf eine satte Mehrheit können sich diejenigen stützen, die Humanität und Menschenrechte mit Füßen treten; die nicht einmal bereit sind, Einzelne aufzunehmen, weil das ihren Angaben zufolge zu einer Kettenreaktion bzw. hunderttausenden Flüchtlingen führen würde. Wie damals, vor sechs Jahren.

Immerhin aber besteht Hoffnung: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die große Flüchtlingskrise wiederholt, tendiert gegen null. Erstens: Die Taliban lassen kaum jemanden ausreisen. Zweitens: Nachbarländer wie der Iran errichten Pufferzonen, um Leute, die es doch schaffen, in Grenznähe zu halten. Drittens: Die Türkei hat mit einer Mauer eine Barriere geschaffen. Viertens: Griechenland betreibt seit geraumer Zeit das, was als effektiver Außengrenzschutz bezeichnet wird. Für Massen ist da kein Durchkommen. Sprich: Rahmenbedingungen dafür, zu behaupten, dass Österreich überrannt werden könnte, sind weniger denn je vorhanden.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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