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Offenbar mehrere Missbrauchsfälle im Kloster Mehrerau

Bregenz – Im Internat des Privatgymnasiums des Bregenzer Zisterzienser-Klosters Mehrerau hat es offenbar mehr als nur einen Missbrauchsfall gegeben. Im Jahr 2004 gab es eine Anzeige gegen einen Pater, der sich an zehn Jugendlichen vergangen haben soll.
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Der Mehrerauer Abt Anselm van der Linde, der in einem VN-Interview erstmals Gewalt und Missbrauch im Internatsalltag früherer Jahre öffentlich gemacht hat, trat gestern Vormittag in der Aula Bernardi vor Schüler und Lehrer des Bregenzer Privatgymnasiums. In einer bewegenden Rede erzählte er ihnen von einem Missbrauchsfall in den Achtzigerjahren, von brutalen Erziehungsmethoden, wie sie früher mitunter angewandt wurden. Am Ende seiner Worte brach der Abt, der sich vorgenommen hat, offensiv mit dem Thema Kindesmissbrauch umzugehen, in Tränen aus. Die Lehrer bat er, in den folgenden Schulstunden das Thema weiter zu behandeln. Die Schüler antworteten ihm anerkennend mit stehendem Applaus.

Opfer melden sich

Bis zum frühen Nachmittag meldeten sich bei Abt Anselm zwei ehemalige Schüler der Bregenzer Zisterzienserschule, die nach eigenen Angaben in den Sechzigerjahren im Internat missbraucht wurden. „Sie sagten mir, dass sie ihr Schicksal verarbeitet hätten und keinen Groll mehr hegten.“ Beide versicherten dem Abt, dass sie dankbar dafür seien, dass über die Fälle von Kindesmissbrauch endlich offen gesprochen werde. Dabei ist es ein überaus steiniger Weg, den der junge Abt da beschritten hat.

Schon 1967 verurteilt

Gestern Nachmittag trat das wahre Ausmaß jener Missbrauchsaffäre ans Licht, die Anfang der Achtzigerjahre dazu führte, dass der Täter nach Tirol versetzt wurde. Demnach hat eines seiner Opfer, heute mehrfacher Familienvater, erst 2004 bei der Kriminalpolizei Anzeige erstattet, weil er mit den Erlebnissen nicht fertig wurde. Die Anzeige wurde wegen Verjährung eingestellt. Den Ermittlungen zufolge wurden zehn ehemalige Schüler befragt, die zwischen 1970 und 1982 die Mehrerau besucht hatten und alle vom selben Pater sexuell missbraucht worden waren. Dieser Pater war offenbar bereits 1967 wegen Missbrauch eines 13-jährigen Hauptschülers rechtskräftig verurteilt worden. Nach Auffliegen der Affäre 1982 wurde der Pater nach Tirol versetzt. Er unterzog sich einer Therapie. Seit damals arbeitete er als Priester im Verband des Klosters Stams. Ordensobere und Diözese achteten nach eigenem Bekunden darauf, dass er nichts mehr mit Kindern zu tun hatte. Gestern verfügte Abt Anselm im Einvernehmen mit Bischof Manfred Scheuer, dass der Pater Tirol dennoch verlassen muss. Die Mehrerau hatte in den vergangenen Jahren mehrfach in verschiedener Form mit Missbrauch zu tun. In Frankfurt wurde 1998 der Fall eines Adeligen verhandelt, der als Gast in der Mehrerau im April 1997 einen betrunkenen deutschen Pfadfinderburschen missbraucht hat, der ebenfalls Gast in Bregenz war. Der Adelige wurde zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt. In der Mehrerau erhielt er „Hausverbot auf Lebenszeit“. Ende der Neunzigerjahre wurde ein wegen sechsfachen Kindesmissbrauchs verurteilter Mönch in die Mehrerau versetzt, blieb aber nur wenige Wochen, ehe er in ein Kloster in Süddeutschland weiter geschickt wurde, wo er bald darauf verstarb.

Erzieher entlassen

Ein profaner Erzieher, dem die Mehrerauer Schulleitung 2001 ebenfalls Verfehlungen gegenüber Minderjährigen nachweisen konnte, wurde umgehend entlassen. Jener Diplomtheologe aber, der in Innsbruck Nachhilfeschüler missbraucht hat – die VN berichteten – war ja vom damaligen Abt der Mehrerau angezeigt und in Innsbruck verurteilt worden. Er ist zwischenzeitlich offenbar zweimal rückfällig geworden und sitzt seit 19. Juni 2007 in der Haftanstalt Stein. Anselm van der Linde, der erst im Frühjahr 2009 zum Mehrerauer Abt gewählt wurde, hat sich nach eigenem Bekunden vorgenommen, das Thema Missbrauch restlos und schonungslos anzugehen. „Ich verstehe einfach nicht, wie man einem Kind so etwas antun kann“, betont er und hat abermals Mühe, die Fassung zu bewahren.

Altmehrerauer mit Opfern solidarisch

Der Verein der Altmehrerauer Schüler zeigte sich gestern „sehr betroffen über die Tatsache, dass an unserer Schule in der Vergangenheit Jugendlichen Leid zugefügt worden ist“. Obmann Dr. Harald Pöttinger schreibt weiter: „Wir wollen die Augen vor dem Unrecht nicht verschließen und den Opfern unsere Solidarität aussprechen.“ Gleichzeitig betont der Verein, dass die Mehrerau für Tausende von Schülern ein gutes Stück Heimat war.

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