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Österreich heizt sich rasant auf: Klima-Experten schlagen Alarm

Alarmierender Bericht: Die Klimakrise kommt schneller, als gedacht.
Alarmierender Bericht: Die Klimakrise kommt schneller, als gedacht. ©Canva
Österreich stöhnt unter der Klimakrise: Die durchschnittliche Temperatur ist seit 1900 um 3,1 Grad gestiegen, der weitere Trend geht sogar in Richtung 4 Grad. Experten fordern Milliardeninvestitionen, um katastrophale Folgen der Erderwärmung zu verhindern.

200 Wissenschafter aus 50 Institutionen haben über Jahre einen interdisziplinären Überblick über die Auswirkungen der Klimakrise in Österreich erstellt. Herausgekommen ist der rund 800 Seiten umfassende "Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel" (AAR2), dessen Hauptaussagen am Dienstag in Wien präsentiert wurden. "Der Bericht zeigt einen großen Handlungsbedarf, der uns alle betrifft", lautete das Resümee von Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP).

Temperaturplus von 3,1 Grad seit 1900

Der Sachstandsbericht zeigt nicht nur die Bedrohungen aufgrund der Erderwärmung, er präsentiert ebenso auch Handlungsoptionen - und fordert dabei massive Investitionen. "Wir arbeiten mit Hochdruck an einem Klimaschutzgesetz. Zentrales Anliegen ist CO2-Reduktion, die Dekarbonisierung und die Klimawandelanpassung", definierte Totschnig den politischen Handlungsrahmen. Angesichts der klimatischen Risiken setzt Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) auf Tempo: "Wir müssen schnell sein, wir müssen innovativ sein", sagte er zum AAR2 am Rande einer Pressekonferenz. Mit Blick auf den Klimawandel seien "maßgeschneiderte Logiken" notwendig, etwa müsse der ländliche Raum anders behandelt werden als der urbane. Hanke will hier gezielt mit Förderungen unterstützen.

Im Schnitt 3,1 Grad Celsius wärmer ist es im Vergleich zum Jahr 1900 bereits - Tendenz steigend. Die Auswirkungen auf Land, Leute und Umwelt sind groß. Um dem entgegenzuwirken und ein Kippen wichtiger Systeme zu vermeiden, sind laut den Autoren Investitionen zwischen 6,4 und 11,2 Mrd. Euro pro Jahr erforderlich. Politische Abläufe gehören überdacht. "Die Folgen der Klimakrise gefährden unseren Wohlstand und verschärfen auch hierzulande soziale Ungleichheiten", sagte Margreth Keiler von der Universität Innsbruck und der ÖAW, Co-Vorsitzende des Sachstandsberichts. Der Bericht betone jedenfalls, dass realistische, sozial verträgliche und wirtschaftlich tragfähige Wege hin zur Klimaneutralität vorhanden sind.

Erfolg durch sozial gerechte Transformation

Der soziale Aspekt wurde im zweiten Sachstandsbericht jedenfalls miteinbezogen: "Der Klimawandel ist mehr als ein Umweltproblem, er betrifft unser gesamtes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem", führte Klimaforscher Daniel Huppmann aus. Für eine wirksame Emissionsreduktion müsse diese auch sozial gerecht sein. Beispielsweise seien ältere Menschen, Personen mit niedrigem Einkommen und Menschen in prekären Wohnverhältnissen besonders vulnerabel. Gleichzeitig verursache dann das einkommensstärkste Zehntel der Bevölkerung mehr als das Vierfache der Emissionen des einkommensschwächsten Zehntels.

Es gilt jedoch noch eine weitere Hürde zu nehmen, denn "vielschichtige Zuständigkeiten und Abstimmungsprozesse verlangsamen oft die Umsetzung effektiver Maßnahmen für Emissionsreduktion und Anpassung an den Klimawandel", heißt es im Bericht. Im Zusammenspiel zwischen den politischen Ebenen des Bundes, der Länder und der Gemeinden blieben "viele Maßnahmen wirkungslos". Ablesen lässt sich das in den vergangenen Jahren etwa an wenig erfolgreichen Versuchen, die bedrohliche Ausmaße angenommene Bodenversiegelung im Land zu begrenzen. Klare Zuständigkeiten wären hier unter anderem gefragt.

Erderwärmung enormes Risiken für Landwirtschaft, Tourismus, Städte

Es gilt jedoch noch eine weitere Hürde zu nehmen, denn "vielschichtige Zuständigkeiten und Abstimmungsprozesse verlangsamen oft die Umsetzung effektiver Maßnahmen für Emissionsreduktion und Anpassung an den Klimawandel", heißt es im Bericht. Im Zusammenspiel zwischen den politischen Ebenen des Bundes, der Länder und der Gemeinden blieben "viele Maßnahmen wirkungslos". Ablesen lässt sich das in den vergangenen Jahren etwa an wenig erfolgreichen Versuchen, die bedrohliche Ausmaße angenommene Bodenversiegelung im Land zu begrenzen. Klare Zuständigkeiten wären hier unter anderem gefragt.

Das wirkt sich auf die Wasserverfügbarkeit etwa in der Landwirtschaft, auf den Skitourismus, wo immer weniger Tage mit natürlicher Schneebedeckung kompensiert werden müssen, die mittlerweile recht kümmerlichen Reste von Österreichs Gletschern und den Hitzestress vor allem in städtischen Gebieten des Landes aus. "Mit zunehmender Erhitzung werden in Regionen wie den Alpen, in wasserarmen oder stark versiegelten Gebieten die Anpassungsgrenzen überschritten", heißt es im Kernaussagen-Dokument des Berichts. Das bisherige Risikomanagement stoße "bei komplexen, kaskadierenden Gefahren" an seine Grenzen, "was potenziell irreversible Schäden für Gesellschaft, Infrastruktur und Ökosysteme zur Folge hat".

Erreichte oder in weiterer Folge überschrittene Anpassungsgrenzen sind die Folge von unzureichenden bestehenden Strategien und Risikomanagementsystemen. "Das führt zu lang anhaltenden oder sogar irreversiblen Folgen für Gesellschaft, Infrastruktur und Ökosysteme", erläuterte Klimaforscher Keywan Riahi gegenüber der APA.

Als Beispiele nannte er unter anderem Megadürren und landwirtschaftliche Schäden (die bereits bei etwas über zwei Grad Celsius globaler Erwärmung mit erhöhtem Risiko auftreten werden) und Naturgefahren, die kritische Infrastruktur und die wirtschaftliche Stabilität beeinträchtigen. "Besonders früh treten hitzebedingte Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden auf, welche bereits bei zwei Grad globaler Erwärmung zu erhöhtem Risiko für Sterblichkeit und verminderter Arbeitsproduktivität führen."

Wissenschafter warnen: Trend zeigt Richtung plus vier Grad

Mit Blick auf den derzeitigen Welttrend steuert man in unseren Breiten sogar auf ein Plus von "deutlich mehr als vier Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit" zu, heißt es seitens der insgesamt über 200 an dem Papier beteiligten Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Es ist das zweite seiner Art nach der Premiere im Jahr 2014, wurde vom Landwirtschaftsministerium über den Klima- und Energiefonds finanziert und vom Austrian Panel on Climate Change (APCC) umgesetzt.

Als Vorsitzende des Gremiums fungieren neben Keiler von der Universität Innsbruck und der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Daniel Huppmann und Keywan Riahi (beide Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse IIASA, NÖ) und Harald Rieder von der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien.

NGOs wollen Taten sehen und kritisieren Umweltpolitik

Heimische Umweltschutzorganisationen sind in Reaktion auf veröffentlichten "Zweiten Österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel" (AAR2) unisono für rasche Konsequenzen eingetreten - und übten dabei Kritik an der Regierung. Die Politik müsse auf die Wissenschaft hören "und unverzüglich handeln", hieß es vom WWF. Gegen den "Rotstift" beim Klimaschutz wandte sich Global 2000 und Greenpeace warnte, dass es ohne Taten in Zukunft noch schlimmer werde.

Global 2000 unterstrich angesichts des Berichts aber auch, dass hier ebenso auch Grund zur Hoffnung geliefert werde: "Sie (die weiteren Kapitel des AAR2, Anmerkung) zeigen Handlungsfelder für Politik und Wirtschaft, die uns endlich auf den Zielpfad bringen könnten", stellte Sprecherin Hannah Keller fest. Eine sozial gerechte Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft würde jedoch nur gelingen, "wenn Wohlstand aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, der Versiegelung von Flächen und dem übermäßigen Konsum von Ressourcen gelöst wird", so Keller abschließend.

Natur als "Verbündete" gegen Klimakrise

Der WWF trat zudem für "präventive Investitionen in wirklich wirksame Klimaschutzmaßnahmen und vielfältige Naturräume" ein. Denn eine intakte Natur sei eine unverzichtbare Verbündete gegen die Klimakrise, argumentierte Karl Schellmann vom WWF. Als Beispiele nannte er frei fließende Flüsse, die als natürlicher Schutz bei Hochwasser dienen würden, sowie "intakte Moore und Mischwälder", die wiederum Lebensraum für zahlreiche Tiere seien und als CO2-Speicher dienen.

Der Sachstandsbericht führte weiters auch dazu, dass erneut die Abschaffung der sogenannten klimaschädlichen Subventionen eingemahnt wurde. So hieß es etwa vonseiten der Mobilitätsorganisation VCÖ, dass das aktuelle Budget der Bundesregierung hier eine vertane Chance sei. "Im Gegenteil, die NoVA-Befreiung für Diesel-Transporter und die Verdreifachung des Pendlereuros erhöhen die klimaschädlichen Subventionen anstatt diese zu reduzieren.

FFF wollen Klimaschutzgesetz mit Verantwortung

"Fridays for Future" reagierte in einer Aussendung unter anderem auf das von Umweltschutzminister Norbert Totschnig (ÖVP) noch für Sommer angekündigte Klimaschutzgesetz. Dieses sei dann wirksam, "wenn nicht nur der Weg mit Sektorzielen verankert ist, sondern auch klipp und klar festgeschrieben steht, wer verantwortlich ist, wenn die Ziele verfehlt werden", forderte Laila Kriechbaum, Sprecherin von "Fridays For Future". Ansonsten würde es sich nur um ein Lippenbekenntnis handeln, adäquat zu einem Neujahrsvorsatz zu Silvester. Gebraucht würde stattdessen "ein starkes Klimagesetz, mehr Geld für Sanierungen und Heizungstausch und einen echten Schub für erneuerbare Energie", so Jasmin Duregger, Klima- und Energieexperte bei Greenpeace in Österreich.

Ebenfalls Kritik am Sparstift kam von Katharina Rogenhofer, Vorständin beim Institut "Kontext": "Rund ein Drittel der gesamten Einsparungen im Doppelbudget 2025/26 betreffen den Klimabereich. Gerade hier können sich die Einsparungen als Bumerang für die Budgetkonsolidierung erweisen", sagte sie mit Verweis auf die Klimaziele. Denn mit den Strafzahlungen, wenn Österreich die EU-Klimaziele nicht erreicht, würde ein milliardenschweres Damoklesschwert über dem Budget hängen.

Mehr Risiko im alpinen Bereich

Die Klimaschutz-NGO "Protect Our Winters" und der Österreichische Alpenverein warnen vor den bereits sichtbaren und kommenden Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Sport, Infrastruktur und den Lebensraum im alpinen Bereich. Vermehrte Felsstürze und der Rückgang der Gletscher und des Permafrosts bedeuten mehr Risiko und einen höheren Aufwand bei Instandhaltungsarbeiten. "Die Alpen zählen zu den am stärksten von der Klimakrise betroffenen Regionen Österreichs", hieß es.

"Es herrscht Alarmstufe Rot in Österreich", lautete hingegen das Resümee von Leonore Gewessler, Sprecherin für Klimaschutz und Energie der Grünen. Keine entsprechenden Reaktionen ortete sie bei den drei Regierungsparteien: "SPÖ und NEOS haben groß im Wahlkampf von konsequentem Klimaschutz gesprochen, doch davon scheint aktuell wenig übrig zu sein. Beide schauen zu, während sich die ÖVP auf EU-Ebene für ein Abschwächen der Klimaziele, den Abbau von Umweltschutz im Lieferkettengesetz oder im Waldschutzgesetz einsetzt", wurde Gewessler in einer Aussendung zitiert.

(APA/Red)

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