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ÖGK erwarten Verluste von 1,7 Milliarden Euro

Österreichische Gesundheitskasse erwartet Defizite
Österreichische Gesundheitskasse erwartet Defizite ©APA
Entgegen der von der türkis-blauen Regierung angekündigten Einsparungen für eine "Patientenmilliarde" durch die Kassen-Fusion erwartet die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) in den nächsten Jahren steigende Defizite. Laut der Gebarungsvorschau wird für heuer mit einem Bilanzverlust von 175,3 Millionen Euro gerechnet. ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer kündigte einen "Konsolidierungspfad" an.
BVAEB erwartet Minus
ÖGK statt VGKK

Nach der Sanierung der Kassen in den 2000er-Jahren hatten die Krankenkassen in den letzten Jahren durchwegs positive Ergebnisse erzielt, wobei diese zuletzt allerdings auch schon kleiner geworden sind. 2018 hatten die neun Gebietskrankenkassen noch einen Überschuss von 75 Mio. Euro erreicht. Im Vorjahr drehte das Ergebnis dann mit einem Verlust von 50,7 Mio. Euro ins Minus.

Jährlich steigende Defizite der ÖGK

Laut der Gebarungsvorschau, die der APA vorliegt, wird für heuer, dem ersten Jahr der aus den neun Gebietskrankenkassen zusammengelegten Österreichischen Gesundheitskasse, ein Verlust von 175,3 Mio. Euro erwartet, für 2021 sind es 178,1 Mio. Euro, für 2022 sind es 295,0 Mio. Euro. Für 2023 soll der Verlust auf 507,9 Mio. steigen und für 2024 auf 544 Mio. Euro. Kumuliert bedeutet das einen Bilanzverlust in fünf Jahren von insgesamt 1,7 Milliarden Euro.

Überschuss/Defizit der Gebietskrankenkassen

Laut Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ durch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) stehen diesen Zahlen Rücklagen der ÖGK in der Eröffnungsbilanz von 1,37 Mrd. Euro gegenüber. Die für die Fusion im Jahr 2019 angefallenen Beratungskosten bezifferte Anschober mit insgesamt 3,77 Millionen Euro. Dazu kommen für heuer noch weitere 8,2 Millionen Euro an geschätzten Fusions-Beratungskosten.

Den abschätzbaren Mehraufwand für die Leistungsharmonisierung in der ÖGK gibt Anschober in einer weiteren Anfragebeantwortung mit 13,1 Millionen Euro an. Darüber hinaus sind weitere Leistungsverbesserungen geplant, deren Mehrkosten nicht seriös prognostiziert werden können.

Belastungen der ÖGK von 2019 bis 2014

Gesetzliche Beschlüsse der ÖVP/FPÖ-Regierung, 2019 bis 2024 in Millionen Euro

"Das Ruder herumreißen"

Generaldirektor Bernhard Wurzer kündigte unterdessen einen "Konsolidierungspfad" an. Man werde jetzt versuchen, "das Ruder herumzureißen", sagte Wurzer. Kürzen wolle man nicht bei den Leistungen für die Versicherten, sondern bei künftigen Honorarverträgen für Ärzte und andere Leistungsanbieter. Man werde ausgabenseitig "den Gürtel enger schnallen" müssen, sagte Wurzer.

Bei künftigen Honorarverträgen werde die Steigerung nicht über den Beitragseinnahmen liegen können, stellte der Generaldirektor in Aussicht. Beim geplanten Gesamtvertrag mit den Ärzten etwa werde nicht alles nach oben harmonisiert werden können. Bei der Harmonisierung der Leistungen für die Versicherten will Wurzer hingegen nicht sparen.

Schuld bei Gebietskrankenkassen vor der Fusionierung

Neben der schwächer werdenden Konjunktur machte Wurzer als Ursache für die Entwicklung aus, dass die Kassen vor der Fusionierung "in den letzten zwei Jahren über ihre Verhältnisse gelebt" hätten. So hätten einzelne Gebietskrankenkassen vor der Zusammenlegung überdurchschnittliche Verträge mit einer Steigerung von bis zu elf Prozent bei den Ärztehonoraren abgeschlossen. Die Aufwendungen für die ärztliche Hilfe seien von 2017 bis 2019 um durchschnittlich 5,9 Prozent pro Jahr gestiegen. Dies bedeute Mehrausgaben von rund 300 Mio. Euro, die aber jetzt "mitgeschleppt" würden. Ein Teil der versprochenen Milliarde an Einsparungen sei "da schon drinnen", sagte Wurzer.

Bilanzsaldo der Krankenkassen seit 2007

Außerdem verwies der ÖGK-Generaldirektor darauf, dass noch vor der Zusammenlegung in den Satzungen Leistungsharmonisierungen beschlossen wurden. Diese machen auch rund 20 Mio. Euro pro Jahr oder 100 Mio. Euro zusammengerechnet in den nächsten fünf Jahren aus. Zudem machte Wurzer die schwächer werdende Konjunktur für die Entwicklung mitverantwortlich.

Rendi-Wagner spricht von einem "finanziellen Desaster"

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sprach von einem "gesundheitspolitischen Skandal". Die Arbeitnehmervertreter fordern einen finanziellen Ausgleich durch die Regierung bzw. von den anderen Kassen. In einer Stellungnahme gegenüber der APA sagte die SPÖ-Vorsitzende: "Die Zerschlagung der Sozialversicherung durch Schwarz-Blau ist ein riesiges finanzielles Desaster und ein gesundheitspolitischer Skandal zulasten der Menschen." Rendi-Wagner befürchtet nun drohende Beitragserhöhungen, Selbstbehalte und Leistungskürzungen für die Patienten.

Auch NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker sieht all seine Warnungen bestätigt. Die ÖGK bringe statt der versprochenen Patientenmilliarde gewaltige Kostenmillionen. Die Kritik der SPÖ sieht Loacker allerdings auch als "scheinheilig", weil auch die roten Gesundheitsminister nichts im Sinne der Versicherten gemacht hätten.

Nach Ansicht der Wirtschaftskammer resultieren die Verluste vor allem aus Zeiten vor der Fusion. Sie würden zeigen, dass die Reform der Sozialversicherungen "dringend notwendig war", sagte der Abteilungsleiter für Sozialpolitik und Gesundheit, Rolf Gleißner.

(APA)

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