Exzentrisch, virtuos, misstrauisch - Rudolph Nurejew war ein begnadeter Tänzer und immer darauf bedacht, nicht von russischen Machtverhältnissen erdrückt zu werden. Regisseur Ralph Fiennes widmet sich nun in "The White Crow" Nurejews früher Ballettkarriere mit politischem Blick. Ein kritische Auseinandersetzung mit ständiger Überwachung und ihren Auswirkungen. Ab Freitag im Kino.
Nurejew - The White Crow: Kurzinhalt zum Film
Wien/Hollywood. "The White Crow" meldet sich das erste Mal unter lautem Schreien in einem Waggon der Transsibirischen Eisenbahn. Während einer beschwerlichen Fahrt wird ein blasser Bub geborgen, der seine Kindheit kontaktscheu im russischen Ufa verbringt. Später beginnt der nicht mehr ganz so blasse Bursche eine Ausbildung als Balletttänzer. Er ist 20 Jahre alt, als er Ende der 1950er Solotänzer im angesehenen Kirov-Ballett wird. Drei Jahre später reist Rudolph Nurejew mit seiner sowjetischen Kompanie nach Paris, wo ihn eine steile Karriere erwartet.
Collagenhaft verknüpft Ralph Fiennes ("The Grand Budapest Hotel") Szenen aus Nurejews Kindheit und Jugend mit solchen aus dessen Anfangszeit in Paris. Obwohl die Ausschnitte aus den jungen Jahren blass gefärbt sind und somit im Kontrast zum farbenfrohen Paris stehen, braucht es Zeit, bis man sich im Leben des Balletttänzers zurechtfindet. Gegen Ende des Films wird die Handlung stringenter, als die Überwachung der KGB am Pariser Flughafen ihren Höhepunkt erreicht, sodass Nurejew, gespielt vom ukrainischen Tänzer Oleg Ivenko, in einer spektakulären Aktion um politisches Asyl ersucht.
Im Film folgen die Agenten des russischen Geheimdienstes Nurejew beinahe auf Schritt und Tritt, denn der weltoffene Tänzer kommt in Paris schnell mit dem westlichen Leben in Kontakt. Nurejew zeigt nicht nur den Beamten gegenüber großes Misstrauen, sondern hält auch private Kontakte auf Abstand. "The White Crow" zeichnet diese Flüchtigkeit in seinem Charakter vor allem anhand der Beziehung zu Claire Saint (Adele Exarchopoulos), Tochter eines chilenischen Künstlers, der Nurejew in einer Szene auf respektlose Art kurzzeitig die Freundschaft kündigt. Schnell wird aber wieder alles gut, wie in den meisten Szenen im Film, in denen es um problematische private Beziehungen geht. Das Image des Ballettstars wird nicht durch eine allzu kritische Darstellung angekratzt.
Kurz vor Ende von "The White Crow" erhält Nurejews ehemaliger Ballettlehrer Puschkin - für den Regisseur Ralph Fiennes auch vor die Kamera wechselt - einen kleinen Modellzug der Transsibirischen Eisenbahn, den ihm Nurejew aus Paris schickt. Eine schöne Szene, die die sanfte Seite seines Charakters unterstreicht, und sie zeichnet einen gelungenen Bogen zur unsanften Geburt des Tänzers zu Beginn des Films.
Nurejew: Die Kritik
"The White Crow" hinterlässt das Bild eines beziehungsscheuen und misstrauischen, doch weltoffenen Tänzers, der große Schwierigkeiten mit seinem Verhältnis zu Russland hatte. Es ist weniger die große tänzerische Leistung, auf die Ralph Fiennes den Fokus richtet, als der Eintritt in die westliche Welt, den Kontakt mit "La Liberte", die Nurejew als Signalwort auf Pariser Straßenschildern und Monumenten durch den Film begleitet.
Ein gelungenes Biopic, das Nurejew als wandelbaren Charakter zeigt und auf prägnante Weise das kritische Verhältnis zwischen Sowjetunion und dem Westen in den 1960ern thematisiert. Aus der ständigen Überwachung scheint die Kunst der einzige Ausweg. Eine schöne Erinnerung daran, was durch einen starken Willen und die Liebe zur Kunst doch alles möglich ist.
(APA/Red)
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