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Nur Wälderinnen angemessen

Riefensberg - Manchmal rufen Amerikaner an. Dann bedauert der Riefensberger Bürgermeister. "Modeleute" hat Herbert Dorn auch schon vertröstet. Martina Mätzler erinnert sich "an den Berliner Reisebus".

Die wollten doch partout… und hatten keine Chance.

Nur an Wälderinnen

Denn sie verkaufen keine Wäldertracht an „Auswärtige“. Nicht einmal an „Ländler“. So nennen Bregenzerwälder die aus dem Rheintal. „Leider“, aber die gefältelte Juppe – der knöchellange glänzend-schwarze Rock – bleibt denen in Langenegg vorbehalten und den Bezauerinnen, den Frauen aus Au oder Sibratsgfäll, die etwa in Egg und Großdorf geboren sind. Weil eben nur die das tragen können. Einzig für sie wird das vielleicht facettenreichste Kleidungsstück des Landes bis heute angefertigt. In unzähligen Stunden. Mühevoll. In Handarbeit. Die Riefensberger „Juppenwerkstatt“ hat das textile Erbe aufgefangen. Es war auch fünf vor zwölf. Die letzte Färberei in Egg schloss 1993. Zehn Jahre später ging die Andelsbucher Textillehrerin Martina Mätzler „im Mai und September“ bei Manfred Fitz in die Lehre. „Im Oktober ist er dann gestorben.“ Es war fünf vor zwölf. Doch die fünf Minuten reichten aus. Seit 2003 färben und glästen sie wieder, fälteln und nähen. Im alten „Gasthof Krone“, das die Gemeinde Riefensberg gemietet hat. Wo früher die Männer am Stammtisch wohl die Hälse reckten, wenn eine wie Tamara Waldner in Tracht die Wirtsstube betrat.

Die Verwandlung

Wie so ein „G‘wand“ doch die Frau verwandelt: Sobald sich die fünf Meter lange Stoffbahn, sauber in 500 Falten gelegt, um ihren Körper schließt, strafft sich ihr Gang. Lief sie vorher, so schreitet sie jetzt. Aufrecht und stolz. Als reckte sie das Leinen, im Leimsud stundenlang steif gekocht, zu voller Größe. Selbstbewusst – manch eine wohl auch ein wenig eitel – so tragen die Wälderinnen Geschmeide am Gürtel, filigrane Stickerei an „Bleatz“ und Mieder. Und einen Strohhut. Oder das „Schappale“, die Krone der Jungfräulichkeit. Selbst Tirols Altbischof Reinhold Stecher riss der Anblick bei einer Fronleichnamsprozession aus seiner Andacht. „Wie Königinnen“, soll er später befunden und dabei gelächelt haben.

Weltläufig

Solche Geschichten erzählt Martina Mätzler und legt noch ein Holzscheit in den Ofen, damit Luise Fitz Dampf aufmachen kann. Der glänzend schwarze Stoff wartet derweil auf feuchtem Lehmboden. Zehn Minuten lang auf jeder Seite. Dann wird er an der Fältelmaschine aus 1898 unter Dampf in seine typisch faltenreiche Form gebracht. So eine Maschine, erzählt Mätzler, sah der Egger Johann Fischer 1867 auf der Weltausstellung in Paris. Und hat sie nachgebaut. Wie auch die Tracht als solches nicht im „Would“ erfunden wurde. „Spanien stand Pate.“ Die pelzverbrämte Bremerkappe verrät russische Einflüsse. Biedermeier- und Empiremuster am Mieder erzählen beredt, wie Tracht und Trägerinnen mit der Zeit gingen. Ihre nachtblaue Schwärze verdankt sie übrigens der Gegenreformation. Die Väter des Konzils von Trient verordneten Mitte des 16. Jahrhunderts Sittsamkeit. Da färbten sie die weiße Tracht halt schwarz. Tamara hat sie inzwischen wieder abgelegt. Sorgsam, denn eine vollständige Wäldertracht ist gut ihre 3000 Euro wert. Alltagskleid ist sie ja keines mehr. Das war die Juppe früher einmal. Heute kündigt sie als eine Augenweide Feiertage an.

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