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"Nur Gegenwart und Zukunft zählen"

VN-Serie zum Rückrundenstart in der "Heute für Morgen"-Erste Liga, Teil 3: Harun Erbek über seine FCL-Heimat, sein Türkei-Engagement und neue Ziele.
Mit seinen erst 24 Jahren hat Harun Erbek schon Höhen und Tiefen im Fußballsport kennengelernt. Jetzt ist der „Dauerläufer“ wieder auf dem Weg nach oben.

Die Türkei rief und Harun Erbek folgte dem Lockruf des Geldes. Das war in der Saison 2008, und nichts war mehr wie zuvor. Österreichs U-21-Nationalspieler fand sich auf dem Abstellgleis wieder und brauchte fast zwei Jahre, um sich vom Karrierebruch zu erholen. Im Dress des FC Lustenau ist der nur 164 cm große „Dauerläufer“ zu alter Stärke zurückgekehrt. Und so findet sich der Name Erbek in so manchem Notizblock eines Managers wieder.

Kaum zu glauben. Der FCL ist die schlechteste Heimmannschaft der Liga. Am Freitag ist mit Hartberg die zweitschlechteste Auswärtself zu Gast in Lustenau. Wie wichtig ist der Rückrundenstart?

Harun Erbek: Das stimmt, wir haben viele Punkte daheim vernebelt. Deshalb ist das erste Spiel für uns richtungsweisend. Besser wie im Herbst (Anm. d. Red.: 0:4 gegen die Vienna) sollten wir schon anfangen. Wir wollen unsere Heimbilanz jedenfalls verbessern, und dazu muss ein Sieg her.

Dennoch war es eine tolle Hinrunde für den FC Lustenau, vor allem auch dank Ihrer starken Leistungen. Das weckte auch das Interesse von Altach an Ihrer Person. Bedauern Sie, dass der Wechsel im Winter nicht geklappt hat?

Erbek: In erster Linie hat es mich gefreut, dass Altach, aber auch andere Vereine bei mir angeklopft haben. Im Endeffekt war es dann eine Sache der Vereine. Da konnte und wollte ich mich nicht einmischen. Es wollte nicht sein. Für mich persönlich habe ich das allerdings als Motivation mitgenommen. So habe ich Ziele mit dem FC Lustenau, die ich zu hundert Prozent erfüllen will.

Konkret, welche Ziele?

Erbek: Da ist in erster Linie der Klassenerhalt mit der Mannschaft. Selbst möchte ich meine Leistungen vom Herbst bestätigen und ein gutes Frühjahr spielen. Vielleicht sogar noch zulegen.

Gerade zum Start sind Sie doppelt gefordert, fällt doch mit Christoph Schösswendter, Christoph Kobleder (beide gesperrt) und Philipp Eisele (verletzt) fast die komplette Abwehr aus?

Erbek: Wir haben andere Spieler, die ihre Aufgaben erfüllen werden. Denn durch die Zugänge hat der Kader an Qualität gewonnen. Ein Mario Bolter etwa bringt mit seiner Routine viel Sicherheit in unser Spiel.

Ein Blick zurück sei gestattet. Sie stiegen in der Karriereleiter kontinuierlich nach oben. Bis es nach dem Wechsel 2008 in die Türkei (Anm. d. Red.: Kayserispor) einen Bruch gab. Bereuen Sie diesen Schritt aus heutiger Sicht?

Erbek: Heute sage ich: Es war ein Fehler. Andererseits musst du im Leben etwas riskieren. Ich hatte damals einen Karriereplan. Mein Ziel war es, zwei Jahre Bundesliga zu spielen. Dann ging nach dem Wechsel zu Ried alles so schnell. Ich habe eine gute Vorbereitung gespielt, bin Stammspieler geworden und war fixer Bestandteil des U-21-Teams. Am Ende der Saison hatte ich dann die Wahl aus mehreren Angeboten – aus den Niederlanden, Deutschland, Österreich und eben aus der Türkei. Ich dachte, das wäre für mich am leichtesten. Erst zu spät bemerkte ich, dass der Wechsel auch ein Risiko in sich barg.

Wie kam es zum Wechsel?

Erbek: Es lief über Hakki Tolunay Kafkas, der auch in Pasching spielte. Er war Trainer bei Kayserispor, hat mich ein halbes Jahr beobachtet und dann frühzeitig gesagt, dass ich sein Wunschspieler sei.

Und was passierte dann?

Erbek: Die Vorbereitung dauerte zwei Monate. Ich habe praktisch immer gespielt. Eines Tages, noch in der Sommertransferzeit, kam der Kotrainer zu mir und sagte, es wäre besser, ich würde einen anderen Verein suchen. Die Gründe habe ich bis heute nie erfahren. Ich glaube, ich war ein Spielball im Machtkampf einiger Herren im Verein.

Wohl eine schwierige Zeit für Sie?

Erbek: In der Tat. Ich war mental sehr labil zu der Zeit. Nicht einmal das Training machte Spaß. Da war es sehr wichtig, dass meine Eltern, meine Freundin und meine Freunde zu mir gestanden sind. Auch Turgay Bahadir hat mir sehr geholfen. Gut eineinhalb Monate habe ich bei ihm gewohnt. Für mich war er eine große Stütze. Er selbst hat die Chance genützt, darüber freue ich mich riesig.

Ganz abgeschlossen ist die Zeit bei Kayserispor aber noch nicht?

Erbek: Es läuft noch die Anzeige bei der FIFA. Ich habe nämlich nie Geld erhalten. Nach drei Monaten habe ich mir einen Anwalt genommen und die Sache bei der FIFA angezeigt. Deshalb konnte ich im Winter auch ablösefrei wechseln. Dieser Tage habe ich von der FIFA die Nachricht erhalten, dass Kayserispor die Gelder nachzahlen muss.

In Vorarlberg gibt es viele ­türkischstämmige Fußballer, die davon träumen, einmal in der obersten Liga ihrer Heimat zu spielen. Was können Sie diesen Spielern sagen?

Erbek: Immer wieder werde ich von meinen Landsleuten gefragt. Für viele Spieler im Land war ich damals ja ein Vorbild. Natürlich kann ich sie verstehen, dass es ihr Ziel ist, in der Liga zu spielen. Doch ich erzähle dann immer, wie die Realität ist. Entscheiden muss dann eh jeder selbst.

Der Schritt zurück nach Österreich war dann wohl der richtige?

Erbek: Ja, auch wenn Wr. Neustadt ebenfalls eine schlechte Entscheidung war. Es ging mir ähnlich wie in der Türkei. Zehn Spiele habe ich gespielt, dann nicht mehr. Nur noch im Cup oder ein paar Kurzeinsätze. Eigentlich habe ich wieder ein Jahr verloren. Ich habe deshalb bewusst den Schritt zurück gemacht und bin nach Dornbirn gegangen. Leider verlief die Saison nicht so, wie wir es uns alle vorgestellt haben. Erst beim FC Lustenau habe ich mich wirklich wieder wohl gefühlt. Ich weiß, was ich an dem Verein habe, und der Verein kennt mich. Deshalb war das für mich der erste Schritt nach oben.

Kayserispor und Wr. Neustadt haben Sie als Fehler bezeichnet. Müssen Sie sich vielleicht den Vorwurf gefallen lassen, dass Ihnen der Erfolg zuvor in den Kopf gestiegen ist?

Erbek: Ich suche die Fehler nicht nur bei anderen, sondern auch bei mir. Aber ich kann sagen, dass meine Trainingsleistungen immer gepasst haben. Ich muss jedoch zugeben, dass es nicht leicht ist, am Boden zu bleiben, wenn du als junger Spieler plötzlich Zahlen siehst, von denen du zuvor nur geträumt hast. So gesehen sage ich heute: Ich war jung, ich habe es genossen, aber ich war und bin eigentlich ein bodenständiger Mensch. Ich weiß nur, im Fußball passieren manchmal Sachen, die nicht erklärbar sind.

Nach dem Wechsel zum FCL scheint es, als wären Sie wieder im Gleichgewicht?

Erbek: Das Vertrauen der Trainer, des Vereins ist für mich wichtig. Hier in Lusten­au werde ich wertgeschätzt. Aber ich habe auch hart an mir gearbeitet. Für mich zählt jetzt die Gegenwart und die Zukunft, was vergangen ist, ist vergangen.

Was trauen Sie der Mannschaft in der Rückrunde zu?

Erbek: Ich sage, wir können eine gute Rückrunde spielen und weit mehr als den Klassenerhalt sichern. Das Mannschaftsgefüge stimmt, alle ziehen an einem Strang.

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