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NR-Wahlkampf: St. Pöltner Stadtchef ruft Parteien zu "Vernunft" auf

Matthias Stadler im Gespräch über die "entscheidenden Fragen".
Matthias Stadler im Gespräch über die "entscheidenden Fragen". ©APA/HELMUT FOHRINGER
Der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler mahnte die Parteien, im laufenden Wahlkampf "Vernunft" walten zu lassen.

Während St. Pölten derzeit im Zeichen des Frequency-Festivals steht, wird laut Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) "mit Hochdruck" an der Bewerbung für die Europäische Kulturhauptstadt 2024 gearbeitet. Im laufenden Nationalratswahlkampf mahnte der Stadtchef im APA-Interview ein, in der politischen Debatte "Vernunft" walten zu lassen. Den Brandanschlag auf die Zentrale der FPÖ NÖ verurteilte er.

Stadler verurteilt Brandanschlag auf FPÖ-Zentrale

"Es ist traurig, dass so etwas passiert", meinte der frühere SPNÖ-Landesparteivorsitzende zum Anschlag auf das FPNÖ-Gebäude in St. Pölten, der diese Woche für gegenseitige Anschuldigungen von SPÖ und FPÖ gesorgt hatte. Stadler betonte, dass "alle politischen Parteien aufgefordert sind, trotz Wahlkampfs nicht die Unvernunft, sondern die Vernunft" walten zu lassen. "Bei aller politischen Positionierung und auch durchaus manchmal unvernünftigen und übers Ziel schießenden Dingen im Wahlkampf" sollte man sich immer überlegen, was das bei der Bevölkerung und auch bei der eigenen Anhängerschaft auslöse, hielt der Stadtchef fest. Er sei "kein Anhänger" davon, zu radikalisieren oder am lautesten zu schreien.

Auf eine Koalitionspräferenz auf Bundesebene will sich Stadler nicht festlegen. "Das wird man nach der Wahl sehen", meinte der Stadtchef, es hänge davon ab, wer bei der Nationalratswahl als erstes durchs Ziel gehe. Er wünsche der SPÖ natürlich ein "gutes Ergebnis", fügte er hinzu. Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner schätze er als "sehr verlässliche, umsichtige Politikerin" und "Frau mit Handschlagqualität".

Arbeitswelt und Gesellschaft: Entscheidende Fragen für Stadler

Als "entscheidende Fragen" bezeichnete Stadler u.a. Veränderungen in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft, etwa durch Automatisierung und Digitalisierung oder durch die demografische Entwicklung, sowie das Klimathema. In Sachen Finanzierung "wird man sich andere Dinge einfallen lassen müssen", um den "hohen Standard im Gesundheits- und Sozialsystem und bei den öffentlichen Ausgaben" zu halten. Es brauche eine Veränderung im Denken und ein Umgewöhnen. Dass man bei den jetzigen Steuern nichts verändern werden müsse oder die nächsten 30 oder 50 Jahre genauso fahren werde, denke er nicht. Wer das glaube, sei ein "Träumer": "Verantwortungsvolle Politik hat auch die Aufgabe, diese Themen anzugreifen und rechtzeitig reinen Wein einzuschenken", betonte Stadler. Eine CO2-Steuer "wird man diskutieren müssen", meinte er auf Nachfrage. Wenn man auf einer Seite besteuert, gelte es aber auf der anderen Seite zu entlasten. Als "Ungerechtigkeit" bezeichnete er etwa die Besteuerung jener globalen Konzerne, die hierzulande nur wenig Abgaben zahlen.

Imagegewinn durch Frequency-Festival

Für die niederösterreichische Landeshauptstadt, in der Stadler seit 15 Jahren Bürgermeister ist, bringt das Frequency-Festival, das heuer vom 15. bis 17. August zum elften Mal in St. Pölten über die Bühne geht, einen großen Image- und Werbegewinn. "Wir verjüngen uns in den drei Tagen gewaltig." Durch das Festival werden auch künftige Studierende auf die Stadt aufmerksam. Bereits jetzt läuft der Vorverkauf von Tickets für die Auflage 2020, die wieder an der Traisen stattfinden wird.

"Gut aufgestellt" in Sachen Kulturhauptstadt-Bewerbung

In Sachen Kulturhauptstadt-Bewerbung sieht Stadler St. Pölten "gut aufgestellt". Als Assets führte er u.a. die gemeinsam mit dem Land beschlossenen Investitionssummen "in politischer Einigkeit", Know-how beim Ausrichten von Großveranstaltungen und die Einbindung von Bevölkerung sowie Kunst- und Kulturszene ins Treffen. "Wir sehen die Kulturhauptstadt auch als Möglichkeit, jene aus den Zügen herauszuholen und von der Westautobahn herunterzuholen, die bisher vorbeifahren." Besucher seien oft "überrascht", was St. Pölten - von der Innenstadt über barocke und moderne Architektur - zu bieten habe.

In der Region zwischen Krems, Lilienfeld, Melk und Neulengbach mit 77 Gemeinden und Städten sei die Wachau als Weltkulturerbe überregional bekannt, "aber wir wollen uns noch viel stärker im Kunst-, Kultur- und Kreativbereich als Stadt und Region positionieren", betonte Stadler. Auch die Eröffnung eines Tourismusbüros in St. Pölten sei im Rahmen der Bewerbung erfolgt. "Wir sind bis jetzt nicht der typische Tourismusort gewesen", es gebe aber Zuwachs bei Tagesgästen und die Landeshauptstadt sei zuletzt - auch aufgrund von zwei neuen Unterkünften - "treibende Kraft" beim Nächtigungs- und Ankünfte-Plus im niederösterreichischen Zentralraum gewesen. Der Titel als Kulturhauptstadt könnte nachhaltig einen Schub für den Tourismus bringen.

Derzeit wird am zweiten Bid Book gearbeitet, das im Oktober abgegeben werden muss. Am 12. November soll die Entscheidung der Kulturhauptstadt-Jury zwischen St. Pölten, Dornbirn und dem Salzkammergut mit Bad Ischl an der Spitze fallen.

Stadler: "Will Image und Ruf der Stadt noch einmal deutlich verbessern"

"Ich will mit den St. Pöltnern das Image und den Ruf der Stadt noch einmal deutlich verbessern", formulierte Stadler als Ziel. In seiner bisherigen Amtszeit als Bürgermeister sei es gelungen, St. Pölten etwa im Bildungsbereich oder als Wohnstadt zu positionieren, zog er Zwischenbilanz. Eine Medizin-Privatuni oder die Landesgalerie NÖ nach St. Pölten zu holen, habe man jedoch nicht erreicht. Positiv hob er die Zusammenarbeit mit dem Land hervor.

Die SPÖ hält in der Stadt die absolute Mehrheit. "Mir macht das Bürgermeister-Sein in St. Pölten Freude und Spaß. Das Vertrauen der Bevölkerung dreimal bekommen zu haben, macht mich stolz und ist jeden Tag ein neuer Ansporn für neue Überlegungen und Pläne", so Stadler, der bei der Gemeinderatswahl 2021 in St. Pölten erneut antreten will - "wenn es die Gesundheit zulässt" und wenn die SPÖ St. Pölten wieder hinter der Kandidatur stehe.

(APA/Red)

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