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Berchtolds Rückkehr sorgt für Tränen

Feldkirch/VN - Emotionensgeladene Momente bei der Rückkehr von Bürgermeister Wilfried Berchtold ins Feldkircher Rathaus gab es am Dienstag.
Das sagen die Feldkircher
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Ritsch: "Machtwort von LH"
Verhandlungstermin 2011 fix
Sausgruber: "Zügiges Verfahren"
Egger: "Muss Verfahren abwarten"
"An Grenze des Ertragbaren"
Berchtold wird angeklagt
Stellungnahme BZÖ-Hagen
Verhandlungstermin im Dezember festgesetzt

Eine derartige Zusammenkunft dürfte der geschichtsträchtige Ratsaal im Feldkircher Gemeindeparlament wohl noch nie erlebt ­haben: pünktlich um 14 Uhr versammelten sich dort gestern rund 70 Mitarbeiter(innen) des Rathauses. Und warteten gespannt und mit betroffenen Gesichtern auf das Eintreffen ihres obersten Personalchefs. Immerhin hatten sie ihn über 64 Tage hinweg nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und darüber hinaus sahen sie sich in den letzten Wochen im Gespräch mit Bürgern immer öfters mit heiklen Fragen konfrontiert. Auch Gerüchte, wonach bereits ein(e) Nachfolger(in) für das altgediente Stadtoberhaupt gesucht werde, machten im Gemeindebau die Runde.

Applaus für Wilfried Berchtold

Wenige Minuten später betrat Wilfried Berchtold, der seit jeher über einen direkten Zugang aus seinem Büro zum Ratsaal verfügt, den Raum. Berchtold, der freilich mit steinerner Miene durch die Tür trat, staunte nicht schlecht, als ihn sein Mitarbeiterstab samt Vizebürgermeisterin Erika Burtscher mit spontanem Applaus begrüßten. In der Folge bedankte sich der sichtlich gezeichnete Gemeindechef „für die großen Solidaritätskundgebungen im Rathaus“ und wies abermals den Vorwurf, eine (nunmehr ehemalige Parteikollegin) vergewaltigt zu haben, vehement zurück. Was seine langjährige Beziehung zu eben dieser Frau anbelangt, nahm sich Berchtold im Rathaus kein Blatt vor dem Mund.

„Geständnis“ vor Mitarbeitern

Er gestand quasi vor der versammelten Schar seiner Mitarbeiter seine begangenen „Sünden“. Und bat gleichzeitig um Verzeihung für den schweren Fehler gegenüber seiner Familie. Rund eine halbe Stunde später schüttelten die Mitarbeiter(innen) Berchtold vor der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz persönlich die Hand. Dabei kam es zu bewegenden Momenten. So manche(r) kämpfte mit den Tränen, als er dem Gemeindeoberhaupt vor dem Verlassen des Saales mit einem Händedruck seine Solidarität bekundete. „Auch wenn über dem Rathaus noch ein Damoklesschwert einer Anklage hängt: wir sind erleichtert, dass Wilfried Berchtold wieder unter uns ist“, lautete der Tenor unter der Mitarbeiterschaft. Man werde „Berchtold ganz bestimmt nicht im Stich lassen“ und schenke den Beteuerungen des Stadtoberhauptes Glauben.

Völlig überraschende Rückkehr

Gestern war es in der bereits seit Monaten schwelenden „Causa Berchtold“ zu einem Knalleffekt gekommen: Nach Rücksprache mit seinem behandelnden Arzt hatte Wilfried Berchtold seinen Dienst im Feldkircher Rathaus wieder angetreten. Dieser Schritt überrascht vor allem deswegen, weil das Feldkircher Gemeindeoberhaupt gestern die Anklage von der Staatsanwaltschaft zugestellt bekommen hat. Berchtold hatte sich, wie bereits mehrfach in den VN berichtet, vor knapp zehn Wochen krankheitsbedingt von allen seinen Ämtern zurückgezogen, nachdem der Vorwurf publik wurde, dass er eine Parteikollegin bei einer Klausur der Feldkircher Stadtpartei im vergangenen Jahr im Bregenzerwald vergewaltigt haben soll. Eine ganze Reihe von Parteifreunden, die bei der Tagung mit von der Partie waren, wurden in der Folge vernommen.

Erhebt Berchtold Einspruch?

Seine Vertretung hatte am 4. Oktober Vizebürgermeister Erika Burtscher übernommen. Berchtold beteuerte von allem Anfang an seine Unschuld und hat den am 17. März 2010 erhobenen Vorwurf immer mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Nach mehrmonatigen Erhebungen und Untersuchungen hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage erhoben. Jetzt entscheidet in der Sache das Landesgericht in Feldkirch. Berchtold bleibt jedoch die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen Einspruch zu erheben. Berchtold selbst zeigte sich gestern enttäuscht darüber, „dass die Staatsanwaltschaft Feldkirch für diesen Beschluss, die Entscheidung dem Gericht zu überlassen, ein dreiviertel Jahr gebraucht hat“. Letztlich sieht er aber in einem ordentlichen Gerichtsverfahren „die beste Möglichkeit, die erhobenen Vorwürfe eindeutig zu klären und durch einen Richterspruch endgültig aus der Welt zu schaffen“.

Berchtold erwartet Freispruch

Sein Vertrauen in die unabhängige Gerichtsbarkeit sei uneingeschränkt, betont Berchtold. „Ich erwarte mir nichts anderes als einen Freispruch.“ Von der Öffentlichkeit erhofft er sich, „dass die Unschuldsvermutung nicht nur als juristisch bindende Bestimmung ernst genommen, sondern bis zum Vorliegen eines endgültigen Urteils auch tatsächlich gelebt wird. „Würde dieser wichtige rechtsstaatliche Grundsatz nicht mehr gelten, müsste jeder politische Mandatar, aber auch jede andere Privatperson, die mit einer Anzeige konfrontiert ist, sofort die berufliche Existenz an den Nagel hängen“, meint Berchtold.

Eingeständnis für „Fehltritt“

Der erhobene Vorwurf sei „ungeheuerlich“ und habe seine Gesundheit „belastet“, bekennt Berchtold. Zur Rückkehr hätten ihn „unzählige Zeichen der Solidarität aus der Bevölkerung, Briefe, Anrufe und Mails“ bewogen. Auch der in diesen Kundgebungen deutlich zum Ausdruck gekommene Wunsch, „ich möge rasch gesund werden und in meine Funktion zurückkehren, haben mir in diesen schweren Wochen sehr geholfen“. Sein Fehlverhalten gegenüber seiner Familie tue ihm sehr leid. „Es war ein schwerer Fehler. Klar ist aber, dass meine Familie zu mir steht, weil sie weiß, dass der Vorwurf der Vergewaltigung unglaubwürdig ist.“

zur Person

Mag. Wilfried Berchtold Bürgermeister von Feldkirch, Gemeindeverbandspräsident Geboren: 21. Juni 1954 in Feldkirch Ausbildung: Matura am Bundesgymnasium Feldkirch, Studium an der Hochschule für Welthandel in Wien Laufbahn: 1980 bis 1986 Landtagsklubsekretär und Landesparteisekretär der ÖVP Vorarlberg. Von 1986 bis 1991 Wirtschaftskammer-Referent für Außenhandel und Handelspolitik. 1990 Mitglied der ÖVP- Reformkommission. Seit 1991 Bürgermeister von Feldkirch. Familie: Berchtold ist verheiratet und hat drei Töchter sowie einen Sohn.

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