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Neuer Anlauf für umstrittenen Freihandelsvertrag zwischen EU und USA

Erstmals TTIP-Gespräche unter neuer EU-Kommission.
Erstmals TTIP-Gespräche unter neuer EU-Kommission.
Die umstrittenen TTIP-Gespräche sind am Montag in eine neue Runde gegangen. In Brüssel wird von Montag bis Freitag im achten Durchgang über das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA verhandelt. Dabei sitzt erstmals die neue EU-Kommission am Tisch.
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Es ist die erste TTIP-Verhandlungsrunde unter der neuen EU-Kommission von Jean-Claude Juncker. Aufgrund der massiven öffentlichen Widerstands und Kritik an fehlender Transparenz bei den Verhandlungen hat Brüssel schon davor konkrete Textvorschläge veröffentlicht. Das sind Dokumente, in denen die Kommission darlegt, wie sie sich den Vertrag in bestimmten Punkten vorstellt.

Kritiker befürchten, dass europäische Standards für den Konsumenten- oder Umweltschutz abgesenkt werden könnten. Die EU-Kommission, die für die EU-Staaten verhandelt, hatte diese Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Worum geht es?

Über das Freihandelsabkommen wird seit Juli 2013 verhandelt. Die Befürworter erhoffen sich einen enormen Schub für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks, indem Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut werden. Im Mai 2014 gab die damalige EU-Kommission an, die europäische Wirtschaft könne bei einem Abschluss durch zusätzliches Wachstum von 119 Mrd. Euro pro Jahr profitieren. Kritiker in Europa befürchten jedoch eine Erosion von Standards bei Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und monieren, dass die Verhandlungen im Geheimen erfolgen.

Sind die Verhandlungen unter der neuen Kommission transparenter geworden?

Die neue Kommission hat versprochen, dass sie stärker auf Bedenken der Bürger eingehen und für mehr Transparenz sorgen wird. Schon vor der achten Verhandlungsrunde veröffentlichte Brüssel konkrete Textvorschläge. Das sind Dokumente, in denen die Kommission darlegt, wie sie sich den Vertrag in bestimmten Punkten vorstellt. Allerdings werden nicht alle Textvorschläge veröffentlicht. Daneben informiert die Kommission auch in einfacher zu lesenden Papieren: http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/index_de.htm

Was wurde bereits beschlossen?

Endgültig vereinbart ist nichts, bis der ganze TTIP-Vertrag beschlossen ist. Es gibt lediglich Zwischenergebnisse und Tendenzen.

Was zeichnet sich ab?

Dem EU-Parlamentarier Bernd Lange (SPD) zufolge ist absehbar, “dass im Chemiesektor keine gegenseitige Anerkennung und keine Harmonisierung möglich ist” – und damit auch keine von Kritikern befürchtete Aufweichung von EU-Standards in diesem Bereich. Ein großes Potenzial für die Angleichung von Standards sieht Lange hingegen im Maschinen- und Autobau. Diese Branchen gelten als unproblematischer.

Wie steht es bei den umstrittenen Schiedsgerichten?

In der europäischen Öffentlichkeit gab es so viel Gegenwind beim Thema Streitschlichtung zwischen Regierungen und Investoren (ISDS), dass die Kommission das Thema auf Eis gelegt hat. Es wird derzeit nicht verhandelt. Allerdings will Brüssel das Thema noch nicht endgültig fallen lassen. Denn Brüssel befürchtet offenbar, dass die USA bei einem Verzicht auf Schiedsgerichte ihrerseits Punkte streichen könnten, die den Europäern wichtig sind.

Was ist sonst problematisch?

Zuletzt sickerten Papiere über die sogenannte regulatorische Zusammenarbeit durch. Dabei geht es um die frühzeitige Einbindung der jeweils anderen Seite bei neuen Gesetzen. Die Grünen halten solche Kooperation in manchen Bereichen für hoch problematisch. Denn sie könnte das europäische Vorsorgeprinzip bei der Gesetzgebung etwa im Umwelt- und Gesundheitsbereich aufweichen, fürchten Skeptiker. Das sei für Verbraucher gefährlich, wenn es etwa um Nanotechnologie geht, die auch in Kosmetika steckt.

Wie lange dauern die Verhandlungen noch?

Mindestens bis 2016, glaubt TTIP-Parlamentsberichterstatter Lange. Dazu kämen noch ein Jahr für Übersetzungen und Prüfungen und ein Jahr für die Ratifikation, sodass TTIP frühestens 2018 in Kraft träte. Karl Bär vom Bündnis Stop TTIP zieht eine Parallele zum CETA-Abkommen mit Kanada. Die Verhandlungen starteten vor über fünf Jahren, in Kraft ist CETA noch nicht. Da die USA ein komplizierterer und stärkerer Partner seien, rechnet Bär mit Inkrafttreten von TTIP nicht vor 2023.

Könnte das Abkommen scheitern?

Ja. Bündnisse wie Stop TTIP organisieren massiven öffentlichen Druck. Parallel zur achten Verhandlungsrunde verhandeln in Brüssel auch Vertreter von rund 150 Organisationen über Kampagnen gegen TTIP und CETA. Und zumindest das Europäische Parlament – wahrscheinlich aber auch der Bundestag und andere nationale Parlamente – müssen am Ende zustimmen. Das Europäische Parlament hat schon einmal ein ähnlich umstrittenes Abkommen – Acta – gekippt.

(APA)

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