
Ballett ist klassisch, elegant und brutal, aber muss das sein? Blutige Füße und militanter Drill sind keine Randerscheinungen der Tanzart, an der schon die Träume unzähliger Menschen zerschellt sind. Ramona Schmid (37) glaubt, dass es auch anders geht. Die gebürtige Harderin wohnt in Wien und arbeitet als Online-Ballettlehrerin für Tanzbegeisterte auf der ganzen Welt. Dabei lässt sie den Tanz um die Spitze des Spitzentanzes links liegen und unterrichtet ein Ballett, das den Tanzenden helfen soll, sich im eigenen Körper wohl zu fühlen.

Ein Anfang mit schnellem Ende
„Als Kind habe ich oft die Jukebox aufgedreht und bis zum Schwitzen getanzt. Daher war es naheliegend, dass ich mit Ballett anfange. Als ich dann aber einmal in der Klasse gemerkt habe, das alle Kinder gleich ausschauen, empfand ich das als unglaublich einschüchternd. Dann habe ich eine Pause eingelegt, die 20 Jahre andauerte“, erinnert sich die Pädagogin zurück. Erst mit 26, damals arbeitete Schmid in Basel als Goldschmiedin, wurde sie von einer Freundin dazu gebracht, das Ballett wieder aufzunehmen. „Die erste Einheit war so intensiv, ich habe noch die ganze Nacht davon geträumt. Da es aber schon fest stand, dass ich 2012 nach Wien ziehen werde, versprach ich mir, auch dort eine Ballett-Klasse für Erwachsene aufzusuchen“, gesteht Schmid.

Tanzstudio. ©privat
Mit neuem Mut zu alter Liebe
Ihrem Versprechen folgend tanzte sich die gebürtige Harderin durch die Kurse der Hauptstadt. Dort merkte sie schnell, dass es in diesen nicht üblich ist, Fragen zu stellen. Schmid tat es trotzdem. Wenn ein Lehrer ihre zeigte, wie sie ihre Haltung korrigieren sollte, hörte sie erst auf ihren Körper und konterte: „Für mich fühlt sich die Korrektur gar nicht gut an.“ Stattdessen wuchs in der Tänzerin die Einsicht, dass man mit, statt gegen den Körper arbeiten sollte. Daraus folge aber nicht, dass man nicht üben müsse. „Wer mehr übt, wird besser und da Tanz sehr komplex ist, gibt es da auch kein Ende der Entwicklung“, erklärt Schmid.
Vertiefung und Selbstständigkeit
2014 ließ sich die Tänzerin zur Bewegungspädagogin ausbilden und begann 2016 unter dem Namen „LET’S PLAY BALLETT“ selbständig Ballett-Kurse anzubieten. In dieser Zeit entwarf Schmid einen Lehrstil, der das eigene Körperempfinden in den Mittelpunkt stellt, im Gegensatz zum klassischen Ballett, bei dem die Tanzenden eher als lebende Instrumente behandelt werden. Mit ihrem Ansatz fand sie regen Zulauf, vor allem bei Leuten, die wie sie das Ballett für lange Zeit aufgegeben haben oder es als Erwachsene erlernen wollen. Durch ein 2018 begonnenes Studium der Tanzpädagogik und -medizin vertiefte Schmid ihr Wissen über die menschliche Anatomie, eine Schlüsselkompetenz für ihre Arbeit.

Neue Wege im Netz
Wie arbeitet eine Ballettlehrerin während einer Pandemie? Nicht im Untergrund, sondern Online! Anfang sei es extrem schwierig gewesen, erinnert sich die Ballerina: „Weil ich da kein direktes Feedback hatte wie in einer Klasse.“ Rasch fand die Wahl-Wienerin einen Weg, um aus der Not eine Tugend zu machen: Sie wurde zu einer Online-Ballett-Mentorin mit Kundinnen aus der ganzen Welt. Dabei arbeitet sie zwar nicht mehr mit Tänzern, die ganz neu anfangen, aber auch erfahrene Ballerinas sollen durch sie den Tanz und dadurch sich selbst neu entdeckt haben: „Wenn die Kursteilnehmer merken, dass sich das Tanzen gut anfühlen darf, kann es sehr emotional werden. Die daraus gewonnene Sicherheit hat manche meiner Schülerinnen schon dazu motiviert, Beziehungen zu beenden oder den Wohnort zu wechseln.“
(WANN & WO/Sebastian Vetter)
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