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Nehammer möchte Bargeld in der Verfassung verankern

Karl Nehammer will Bargeld in der Verfassung verankern.
Karl Nehammer will Bargeld in der Verfassung verankern. ©APA/GEORG HOCHMUTH (Symbolbild)
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) möchte Bargeld als Zahlungsmittel in der Verfassung verankern.

Man wolle der Bevölkerung "eine klare Versorgungssicherheit geben", meinte Nehammer im APA-Sommerinterview, "dass auf der einen Seite genug Möglichkeiten gegeben sind, Bargeld zu beziehen, auf der anderen Seite aber auch ausgeben zu können". Im September soll es dazu einen Runden Tisch mit der Bankenwirtschaft und der Nationalbank geben.

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Bargeld in der Verfassung: Es gehe um "Wahlfreiheit"

Man habe "die Erkenntnis gewonnen, dass den Menschen das Thema Bargeld sehr wichtig ist", erklärte Nehammer. 47 Milliarden Euro würden jährlich von Bankomaten abgehoben, verwies er auf Daten der Nationalbank. Es gehe ihm um die "Wahlfreiheit", wie man zahlen möchte, betonte Nehammer. Es gebe immer wieder Diskussionen über eine Einschränkung von Bargeld, "das verunsichert die Menschen", glaubt der Kanzler.

"Mir ist wichtig: Bargeld soll in die Verfassung kommen." Es gehe auch um eine "Grundversorgung" mit Bargeld in zumutbarer Entfernung und darum, sicherzustellen, dass auch weiterhin mit Bargeld bezahlt werden könne. Er habe Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) beauftragt, dies auszuarbeiten.

Der SPÖ-Forderung nach mindestens einem Bankomaten in jeder Gemeinde will Nehammer dabei aber nicht unbedingt folgen: Es handle sich dabei ein Stück weit um "die Unerfahrenheit des politischen Mitbewerbers", befand Nehammer - "durch solche Festlegungen schränkt man auch die Möglichkeiten ein". Für die Umsetzung müsse man auch "Freiraum lassen", denn "sonst schränkt man zu sehr die Wirtschaft ein und dann kriegt man mehr Probleme als Lösungen". Im September soll im Kanzleramt ein Runder Tisch mit der Bankenwirtschaft abgehalten werden.

FPÖ gab sich zuletzt als Hüterin des Bargelds

Eigentlich gab sich zuletzt stets die FPÖ als Hüterin des Bargelds und forderte sogar eine Volksbefragung über den Schutz des Bargeldes in der Verfassung und des Rechts auf Cash-Zahlung. Auf die Frage, ob es denn nicht populistisch sei, hier nun den Freiheitlichen hinterherzulaufen, meinte Nehammer: Die FPÖ stehe an sich dafür, "viel zu trommeln, ohne dafür etwas tatsächlich zu tun". Die ÖVP habe immer wieder darauf hingewiesen, "dass es mit der Volkspartei keine Abschaffung des Bargelds geben wird, ganz im Gegenteil".

67 Prozent der Zahlungen unter 20 Euro würden in Österreich in bar geleistet, argumentierte Nehammer. Es gehe hier also um die "Lebenswirklichkeit der Menschen" und es sei "unsere Verantwortung in der Politik, Rahmenbedingungen zu setzen, dass das auch weiter möglich bleibt", meinte der Kanzler. "Und ja, natürlich wird sich eine Oppositionspartei, ganz egal ob SPÖ oder FPÖ, immer auf Themen versuchen draufzusetzen. Umsetzen kann es immer nur die Regierung, die tatsächlich politische Verantwortung trägt, und nicht der Spielfeldrand, der hineinruft."

Vorhaben ist noch nicht in trockenen Tüchern

Apropos Regierung: In trockenen Tüchern ist das Vorhaben wohl noch nicht. Gefragt, ob der Plan mit dem Koalitionspartner abgesprochen sei, erklärte Nehammer: "Die Grünen wissen das, dass die Volkspartei das immer schon auf ihrer Agenda hatte." Wie man das dann bestmöglich umsetze, "ist natürlich noch der politische Prozess". Bei Verfassungsfragen ist im Parlament außerdem eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig - also die Zustimmung der SPÖ oder der FPÖ.

Die Grünen reagierten am Freitag recht unverbindlich: "Bargeld wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen", hieß es in einer Stellungnahme der Partei gegenüber der APA. So mögen elektronische Zahlungsmittel für viele Menschen zwar praktisch sein, seien aber nicht für jeden geeignet. Jeder habe die Freiheit, so zu bezahlen, wie er oder sie möchte. Was die Ideen des Kanzlers betrifft, erwarten die Grünen "mit Interesse die Beiträge und Umsetzungsvorschläge am Bargeld-Gipfel".

Freiheitliche warfen Kanzler "Ideen-Diebstahl"

Die Freiheitlichen selbst warfen dem Kanzler "Ideen-Diebstahl" vor, steht das Thema Bargeld doch seit geraumer Zeit ganz oben auf der FPÖ-Agenda. So hätten ÖVP und andere Parteien schon mehrfach gegen derartige blaue Initiativen im Nationalrat gestimmt, Bargeld im Verfassungsrang könnte schon längst Realität sein, kommentierte Parteichef Herbert Kickl in einer Aussendung den Vorstoß des Kanzlers. Er will von Nehammer wissen: "Fällt Ihnen selbst überhaupt gar nichts Vernünftiges ein?"

Die SPÖ wiederum sieht im Vorschlag des Bundeskanzlers reinen Populismus. "Auch wenn wir hundert Mal das Wort 'Bargeld' in die Verfassung schreiben, gibt es damit keinen einzigen Bankomaten mehr in Österreich", meinte Klubobmann Philip Kucher in einer Aussendung. Er erinnerte an den eigenen Vorstoß zu einem "Bargeldversorgungsgesetz", das in jeder Gemeinde, unabhängig von der Größe, die Möglichkeit sichern soll, Bargeld abzuheben.

"Wir NEOS bekennen uns zum Bargeld", hieß es auch vonseiten der Pinken. Die derzeitige Debatte sei allerdings ein weiterer Beweis dafür, was die ÖVP tue, befand deren stellvertretender Klubchef Nikolaus Scherak: "Mit populistischen Scheindebatten von den großen Problemen ablenken." Er erinnerte an andere, akute Probleme wie die Inflation sowie Engpässe im Gesundheits- und Bildungsbereich.

Hinter sich hat Nehammer jedenfalls die Seniorenvertreter der eigenen Partei. Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec begrüßte Nehammers Ansage, die Versorgung mit und den Zugang zu Bargeld umfassend abzusichern. "Gerade für die Seniorinnen und Senioren bedeutet Bargeld Sicherheit und Freiheit", meinte Korosec. Sie forderte gleichzeitig, dass der überparteiliche Seniorenrat Teil des Runden Tisches zur Bargeldversorgung im September sein soll.

Bankenvertreter haben übrigens erst vor einer Woche betont, dass die Bargeldversorgung hierzulande eine gute sei: "Österreich hat ein ganz besonders dichtes Bankomatennetz", entgegnete Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer, Kritik der SPÖ an angeblich mangelnder Versorgung im ländlichen Raum. So komme man in Österreich auf 97 Bankomaten pro 100.000 Einwohner, in Deutschland gebe es etwa nur 66 Geldautomaten auf 100.000 Einwohner. Zudem gebe es seit einigen Jahren eine zunehmende Anzahl von sogenannten Cash-back-Möglichkeiten, also dass in Geschäften Geld behoben werden kann.

(APA/Red)

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