ÖVP-Kanzler sagen das heutzutage. Das hat schon Sebastian Kurz gemacht, wenn er kritisiert wurde. Dann erklärte er, wie Karl Nehammer jetzt: „Ich lasse mir Österreich nicht schlechtreden.“ Wie kommt er dazu? Nicht neun Millionen Menschen in diesem Land waren gemeint, sondern er ganz allein: Er hat eine Österreicher:innen-Beschimpfung durchgeführt. Davon kann er durch einen so billigen Trick aus der Rhetorikschule für Polit-Anfänger nicht ablenken.
Karl Nehammer hat sich zu einer Zumutung entwickelt. Gerne betont er auch, für Österreich zu arbeiten, während andere Wahlkampf betreiben würden. Auch das ist so ein Ablenkungsmanöver: Wenn hier einer seit einem halben Jahr im Wahlkampf steckt, dann ist er es. Mit seiner „Rede zur Zukunft der Nation“, die nicht nach vorne gerichtet war, sondern eine Zusammenfassung alter Wahlprogramme darstellte, gab er im März den Startschuss. Seither ist er fertig mit den Grünen und bemüht sich verzweifelt, seiner Partei einen größeren Absturz zu ersparen. Ob’s ihm gelingen wird, ist fraglich. Er hat’s nicht drauf.
Gut, hin und wieder zeigt er Ansätze. Im Sommer etwa, als er die „Normalitätsansage“ von Johanna Mikl-Leitner aus St. Pölten übernahm. Mit etwas Mühe hätte sich daraus etwas machen lassen können, was einer breiten Mitte gefällt. Allein: Nehammer tat sich nichts an und so wurde auch nichts daraus. Die Bargeld-in-der-Verfassung-Geschichte hielt sich ebenfalls nur für ein paar Tage.
Jetzt maßte er sich an, von Leopold Figl den Appell „Glaubt an dieses Österreich“ übernehmen zu müssen. Nehammer wollte als Staatsmann wahrgenommen werden. Tags darauf wurde – durch wen auch immer – jedoch ein Video einer größeren Öffentlichkeit bekannt, das ihn bei einem Auftritt Ende Juli in Salzburg zeigt. Wie er über Arbeitslose herzieht und Frauen, die nur Teilzeit arbeiten. Oder über ein angebliches Armutsgerede. Familien könnten sich kein warmes Essen für ihre Kinder leisten? Geht zu McDonalds und kauft euch einen Burger, empfiehlt der Regierungschef der Republik Österreich im Jahr 2023: Ein solcher koste nur 1,40 Euro, mit Pommes dazu seien es 3,50 Euro.
„Stimmt alles!“, rufen seine Anhänger. Wirklich? Nehammer bedient hier billige Vorurteile. Es gibt zweifellos Arbeitslose, die nicht arbeiten wollen oder die für keine Arbeit zu gebrauchen wären. Die wird man finden. Eine Masse ist jedoch zutiefst unglücklich mit ihrem Schicksal. Unzählige Erhebungen zeigen, dass das die unzufriedensten, ungesündesten und vor allem armutsgefährdetsten Menschen der Gesellschaft sind. Interessant auch: Regelmäßig die höchsten Arbeitslosenquoten gibt es zwischen den dortigen Saisonen in tiefschwarz-türkisen Tourismusregionen, wenn die Lifte und die Hotels geschlossen sind. Im Tiroler Bezirk Landeck mit Ischgl und St. Anton geht’s dann schon einmal Richtung 20 Prozent.
Haben es die Betroffenen nun nötig, sich durch den Bundeskanzler beschimpfen zu lassen? Nein. Ebenso wenig wie Frauen, denen die ÖVP einmal rät, sie sollen zu Hause auf ihre Kinder aufpassen und dann wieder vorwirft, sie würden zu wenig arbeiten.
Zum Burger: Billiges Fastfood ist vielleicht nicht einmal so übel. Aber kulturlos. Insofern lässt es tief blicken, wenn der Kanzler einer Kulturnation dazu rät. Der Mann hat die falsche Funktion in diesem Land. Wenn er verantwortungsbewusster, bürgerlicher Politiker wäre, würde er aufzeigen, wie möglichst alle dazu ermächtigt werden könnten, sich würde- und stilvoll zu ernähren und auch so zu leben.
Er könnte gerne Selbstbestimmtheit betonen. Wobei? Die ÖVP redet so gerne davon, praktiziert aber, wo’s ihr wichtig ist, ausschließlich einen fetten Staat. Bei den Bauern etwa. Oder bei den Parteien selbst. Diese werden kaum wo so maßlos mit Steuergeld gefördert wie in Österreich.
Lange wird das alles aber nicht mehr finanzierbar sein. Österreich fährt auf einen Abgrund zu. In europäischen Vergleichen zu Inflation oder Beschäftigung entwickelt sich das Land schlecht. Seit drei Jahren betreiben ÖVP und Grüne einzig „Koste es, was es wolle“-Politik. Dämpfen Einnahmen, erhöhen Ausgaben. Das geht sich nicht mehr lange aus, zumal der Kanzler nur die nächste Wahl im Kopf hat und das alles laufen lässt. Sodass es früher oder später ein böses Erwachen geben wird.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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