AA

Nahost - Israel: Vereinbarung mit Hamas offiziell unterzeichnet

Die Vereinbarung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas zur ersten Phase einer Waffenruhe im Gazastreifen ist laut der Regierung Israels offiziell am Donnerstag "von allen Parteien" in Ägypten unterzeichnet worden.
Die Vereinbarung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas zur ersten Phase einer Waffenruhe im Gazastreifen ist laut der Regierung Israels offiziell am Donnerstag "von allen Parteien" in Ägypten unterzeichnet worden. ©AFP
Geiseln sollen bald im Tausch gegen Häftlinge freikommen - Israel zieht Truppen zurück - Spontane Straßenfeiern im Gazastreifen und in Israel - Viele Details aber noch ungeklärt.

Die Vereinbarung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas zur ersten Phase einer Waffenruhe im Gazastreifen ist laut der Regierung Israels offiziell am Donnerstag "von allen Parteien" in Ägypten unterzeichnet worden. Das teilte eine Sprecherin am Nachmittag mit. Die geplante Waffenruhe soll demnach 24 Stunden nach einer israelischen Kabinettssitzung am (heutigen) Donnerstag in Kraft treten. Dann beginne die vereinbarte 72-stündige Frist zur Freilassung der Geiseln.

Marwan al-Barghouti, ein Anführer der Fatah-Bewegung, werde aber nicht unter der Palästinensern sein, die im Austausch für die Geiseln freikommen, sagt die Sprecherin weiter. Nach Freilassung der Geiseln werde Israel noch etwa 53 Prozent des Gazastreifens kontrollieren. Die Vereinbarung sieht neben der Freilassung israelischer Geiseln auch die Entlassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen, einen Rückzug der israelischen Armee sowie Hilfslieferungen vor.

Israel und die islamistische Hamas hatten sich in der Nacht auf Donnerstag auf die erste Phase des US-Friedensplans geeinigt. Demnach werden die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freigelassen und Israel wird seine Truppen zurückziehen, wie US-Präsident Donald Trump bekannt gab. "Alle Parteien werden fair behandelt." Dies sehe ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen, einen Rückzug der Israelis, Zugang für Hilfsgüter und einen Tausch von Geiseln und Häftlingen vor.

Damit ist zwei Jahre nach dem Beginn des Gaza-Kriegs ein Durchbruch gelungen. "Dies ist ein großartiger Tag für die Welt", sagte der US-Präsident der Nachrichtenagentur Reuters in einem kurzen Telefoninterview. Die ganze Welt sei in dieser Sache zusammengekommen. "Das ist ein wundervoller Tag, ein wundervoller Tag für alle."

Insider nannte Details von Gaza-Abkommen

Ein Insider nannte Details der in der Nacht erzielten Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas. Demnach könnten von der Hamas festgehaltene israelische Geiseln am Samstag freikommen. Das israelische Militär wiederum werde innerhalb von 24 Stunden nach dem formellen Abschluss des Abkommens die erste Phase eines Teilabzugs aus dem Gazastreifen vollziehen.

Die Unterzeichnung des Abkommens werde um 11.00 Uhr MESZ erwartet. Ab 16.00 Uhr MESZ sollen das israelische Sicherheitskabinett und die Regierung über das Abkommen beraten.

Trump erwartet Geisel-Freilassung für Montag

In einem Interview mit dem US-Fernsehsender Fox News sagte Trump, er rechne mit einer Freilassung der Geiseln aus dem Gazastreifen am Montag. Die Vereinbarung umfasse auch die Übergabe der Leichen von Getöteten. Trump zeigte sich in dem Interview zuversichtlich, dass der Gazastreifen wiederaufgebaut werde und auch der Iran Teil des Friedensprozesses sein werde.

Die Nachrichten über die Einigung lösten im Gazastreifen und in Israel spontane Jubelfeiern aus. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Diese betreffen etwa den Zeitplan, eine Verwaltung für den Gazastreifen nach dem Krieg und das Schicksal der Hamas. Es ist zudem unklar, wer den Gazastreifen nach Kriegsende regieren wird.

Trump hatte kurz vor der Verkündung der Einigung erklärt, ein Waffenruhe-Abkommen stehe bevor. Er werde möglicherweise an diesem Wochenende nach Ägypten reisen. Er dankte den Vermittlern aus Katar, Ägypten und der Türkei, die mit den USA zusammengearbeitet hätten, um dieses "historische und beispiellose Ereignis" zu ermöglichen.

Netanyahu: "Großer Tag für Israel"

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kündigte kurz nach Trumps Mitteilung an, er werde im Laufe des Donnerstags seine Regierung einberufen, um die Vereinbarung zu billigen. "Dies ist ein großer Tag für Israel", erklärte Netanyahu. Die israelische Regierung teilte mit, die Freilassung der Geiseln werde voraussichtlich am Samstag beginnen. Netanyahu telefonierte nach Angaben seines Büros mit Trump. Beide gratulierten einander demnach zu einer "historischen Errungenschaft". Netanyahu habe Trump eingeladen, eine Rede vor dem israelischen Parlament, der Knesset, zu halten.

Die radikal-islamische Hamas teilte mit, sie habe einer Vereinbarung zur Beendigung des Kriegs im Gazastreifen zugestimmt. Die Einigung umfasse einen israelischen Rückzug aus dem Küstengebiet sowie einen Austausch von Geiseln gegen Gefangene. Die Hamas forderte Trump und die Garantiemächte auf, sicherzustellen, dass Israel eine Waffenruhe vollständig umsetze, hieß es in der Erklärung weiter. Laut einem Vertreter der Hamas sollen die Geiseln, die noch am Leben sind, innerhalb von 72 Stunden nach der Billigung der Einigung durch die israelische Regierung übergeben werden.

Jubel in Israel und im Gazastreifen

Sowohl in Israel als auch im Gazastreifen feierten Menschen erleichtert auf den Straßen. In Tel Aviv versammelten sich die Familien der festgehaltenen Geiseln auf dem sogenannten "Platz der Geiseln". "Präsident Trump, vielen Dank. Wir danken ihm, ohne ihn würden unsere Kinder nicht nach Hause zurückkehren", sagte Hatan Angrest, dessen Sohn Matan eine der Geiseln ist. "Gott sei Dank für die Waffenruhe, das Ende des Blutvergießens und des Tötens", sagte Abdul Majeed Abd Rabbo in Khan Younis im Süden des Gazastreifens.

Das israelische Militär warnte die Bewohner des Küstengebiets jedoch, dass einige Gegenden dort weiterhin gefährliche Kampfzonen seien. Die Streitkräfte hielten die Stadt Gaza weiterhin umschlossen, und eine Rückkehr dorthin bleibe "extrem gefährlich", teilte das Militär mit.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres rief alle Seiten dazu auf, das Geisel-Abkommen vollständig einzuhalten. "Der sofortige und ungehinderte Zugang für humanitäre Hilfsgüter und wichtige Handelsgüter nach Gaza muss sichergestellt werden. Das Leiden muss ein Ende haben."

Israelische Armee bereitet Truppenrückzug aus Gazastreifen vor

Die israelische Armee breitet unterdessen nach eigenen Angaben einen Rückzug der im Gazastreifen stationierten Soldaten vor. Die Streitkräfte hätten "mit den operativen Vorbereitungen für die Umsetzung des Abkommens begonnen", erklärte die Armee am Donnerstag. Die Positionierung der Truppen im Gazastreifen solle "rasch angepasst" werden.

Die israelische Armee kontrolliert drei Viertel des Gazastreifens. Ein Hamas-Vertreter erklärte, dass parallel zur vereinbarten Freilassung der Geiseln ein Rückzug israelischer Soldaten aus Teilen des Gazastreifens erfolgen werde.

EU: "Große diplomatische Errungenschaft"

Die Europäische Union begrüßte die Einigung zwischen Israel und der Hamas auf die erste Phase des US-Gaza-Plans als bedeutenden Durchbruch. Dies sei eine "große diplomatische Errungenschaft" und eine echte Chance, den Krieg zu beenden und alle Geiseln freizulassen, erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. "Die EU wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um dessen Umsetzung zu unterstützen", fügte Kallas hinzu.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Vereinbarung über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Gazastreifen. Alle Seiten müssten nun die Bedingungen der Vereinbarung vollständig einhalten, forderte sie in einem Beitrag auf X. "Alle Geiseln müssen sicher freigelassen werden. Eine dauerhafte Waffenruhe muss erreicht werden. Das Leid muss ein Ende haben." Die EU werde weiterhin Hilfslieferungen in den Gazastreifen unterstützen und sei bereit, beim Wiederaufbau zu helfen.

Der US-Plan sieht vor, dass es in einer ersten Phase zu einer Waffenruhe, einem Austausch der verbliebenen israelischen Geiseln mit palästinensischen Gefangenen sowie der Versorgung der Menschen im Gazastreifen kommen soll. In einem zweiten Schritt sollen dann die weitaus kritischeren Fragen geklärt werden, etwa die Entwaffnung der Hamas, die Gewährleistung der Sicherheit im Gazastreifen sowie der Wiederaufbau des palästinensischen Gebiets. Dazu ist für Donnerstag eine Konferenz in Paris geplant, zu der nach Angaben aus diplomatischen Kreisen US-Außenminister Marco Rubio erwartet wird.

Gremium unter Führung von Trump und Blair

Die nächste Phase des US-Plans sieht vor, dass ein internationales Gremium unter Führung von Trump und dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair eine Rolle in der Nachkriegsverwaltung des Gazastreifens spielen soll. Arabische Länder, die den Plan unterstützen, fordern, dass er zu einem unabhängigen palästinensischen Staat führen müsse. Netanyahu lehnt dies jedoch ab. Er sowie Trump und westliche und arabische Staaten haben eine Rolle für die Hamas im Gazastreifen ausgeschlossen.

Die Hamas hat erklärt, sie werde die Regierung im Gazastreifen nur an eine palästinensische Technokraten-Regierung abgeben, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde beaufsichtigt und von arabischen und muslimischen Ländern unterstützt werde. Zudem hat sich die Hamas bisher geweigert, die israelische Forderung nach einer Niederlegung der Waffen zu erörtern. Eine Rolle für Blair oder eine ausländische Regierung im Gazastreifen lehnt die Hamas ab.

Der Krieg hatte mit dem Großangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 begonnen, bei dem nach israelischen Angaben 1.200 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Von den verbliebenen 48 Geiseln dort sollen noch 20 am Leben sein. Bei der anschließenden israelischen Militäroffensive sind nach Angaben der Gesundheitsbehörden bisher mehr als 67.000 Palästinenser gestorben.

(APA)

  • VOL.AT
  • Politik
  • Nahost - Israel: Vereinbarung mit Hamas offiziell unterzeichnet