Wie zum Vergnügen wirft die Sonne den Schatten des achtzackigen islamischen Sterns mannigfaltig auf den Boden. Rub al-hizb oder auch Khatim wird er genannt und erzählt als Symbol der Erneuerung davon, dass dieser Altacher Boden künftig die sterblichen Überreste der Vorarlberger Muslime tragen wird: Der erste islamische Friedhof des Landes ist nach acht Jahren Planung und Bauzeit fast fertig. In wenigen Wochen wird Bürgermeister Gottfried Brändle (59) die Vertreter der islamischen Gemeinden zur Besichtigung bitten. Am Vormittag des 2. Juni wird der Friedhof offiziell eröffnet.
Endgültige Beheimatung
Für die mehr als 30.000 Muslime Vorarlbergs wird damit ein ganz besonderer Akt der Beheimatung wahr. Niemand zweifelt mehr, dass das Angebot angenommen wird. 724 Gräber finden hier Platz. Brändle schätzt, dass in 15 bis 20 Jahren ein zweiter Friedhof gebraucht werden wird. „Wenn unsere Gräber zu zwei Dritteln belegt sein werden, wird sich der Gemeindeverband auf die Suche nach einem neuen Standort machen.“ Er könnte auch gleich nebenan fündig werden, aber da will Brändle nicht vorgreifen. Durch die schweren Holztüren, die künftig immer offen stehen sollen, gelangt der Besucher in die Aufbahrungshalle, die sich zu einem Garten hin öffnet. Hier steht der Musalla Tasi, ein steinerner Tisch, auf dem der Verstorbene in seinem Sarg aufgebahrt wird. So wie die Gräber auch, wurde der Tisch streng nach Mekka ausgerichtet.
Raum für Waschungen
Die sterblichen Überreste werden künftig durch ein anderes hölzernes Portal getragen und in einem eigenen Raum rituell gewaschen. Für das Projekt Islamischer Friedhof erklärt Attila Dincer (40) dieses zentrale Element der islamischen Bestattungsriten: „Bei uns werden Begräbnisse sehr schnell vorgenommen, in islamischen Ländern oft noch am selben Tag.“ Die rituelle Waschung nimmt der Imam mit zwei, drei Verwandten des Verstorbenen vor. „Männer waschen dabei Männer und Frauen Frauen.“ Drei Mal wird ein Leichnam bei den Sunniten mit einer chemiefreien Seifen und einem speziellen Schwamm gesäubert. „Dabei geht es uns um die reale und die geistige Waschung.“ Kafan heißt das islamische Leichentuch, das aus Baumwolle ohne Naht gewoben sein muss. Darin wird der Leichnam eingewickelt und nach der Aufbahrung bestattet. Beerdigungen finden nur zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang statt. Die Gräber sind schlicht. Für die Belegung hat die Gemeinde bereits eine Abfolge festgelegt. Künftig werden Sunniten und Aleviten, Türken, Araber und Bosnier nicht getrennt, sondern scheinbar willkürlich nebeneinander bestattet. Den christlichen Grabstein ersetzen im Islam ein Kopf- und ein Fußstein als Begrenzung. „Schon heute“, bestätigt Attila Dincer, ohne im geringsten pietätlos zu sein, „haben zwei Krebspatienten bei uns angeklopft.“ Sie warten darauf, dort ihre letzte Ruhestätte zu finden, wo sie auch gelebt haben. Ein Begräbnis wird ähnlich den christlichen Bestattungen in Altach rund 700 Euro kosten, auch die 15 Jahre Nutzungsrecht für eine Grabstätte werden mit 700 Euro zu Buche schlagen. Aber noch ist Zeit. Letzte Arbeiten werden verrichtet. Im lichten Gebetsraum wird bald der von Hand gewobene Teppich bosnischer Frauen verlegt. Vor dem Fenster, das sich großzügig zum Fallenkobel hin weitet, hängt ein Vorhang aus unzähligen metallenen Kettengliedern. Er wird eine ganze Reihe Bregenzerwälder Holzschindeln tragen, die zusammen in arabischen Buchstaben den Schriftzug „Mohammed“ und „Allah“ zeichnen werden. Wenn das Licht in den Raum strömt, wird sich so der Schatten Allahs und seines Propheten auf den Boden und die Betenden legen.
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