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Mücksteins Schuhe

©APA/APA-POOL/ROLAND SCHLAGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Der Gesundheitsminister sollte weniger daran denken, was er gerne trägt, sondern wie das von 8,9 Millionen Menschen gesehen wird.

„Sneakers“ sind keine Turn-, sondern sportlich aussehende Schuhe, die im Alltag getragen werden. Sie können sehr hochwertig und edel sein. Von Designern werden sie auch um 1000 Euro oder mehr angeboten. Billig ist etwas anderes. 

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) mag Sneakers „wirklich“, wie er betont. Also trug er diese Woche auch bei seiner Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Wiener Hofburg welche: Er wolle sich „nicht verbiegen“.

Das klingt sympathisch, ist jedoch riskant: Mückstein sollte sich das zweimal überlegen, wenn er sich sein Amt nicht unnötig schwer machen möchte. Gerade in der größten Pandemie seit Menschengedenken spielt es eine Rolle, wie der Gesundheitsminister wahrgenommen wird. Als „coole Socke“ ist weniger gut. Als „seriöse Persönlichkeit“ wäre besser, weil das vertrauensbildender ist.

Wolfgang Mückstein ist nicht mehr Privatmann und Arzt von ein paar hundert Patientinnen und Patienten, sondern Gesundheitsminister für 8,9 Millionen Menschen in Österreich. In diesem Sinne treten seine persönlichen Vorlieben in den Hintergrund gegenüber dem, was sich nach Ansicht einer Masse gehört. Wie auch immer er das sehen mag. Das hat nichts mit Verbiegen zu tun, das ist pragmatisch: Würde man eine Umfrage durchführen, was ein erwachsener Mann beim Bundespräsidenten zu tragen hat bei einer Angelobung, würde wohl eine deutliche Mehrheit antworten „Anzug, Krawatte, Business-Schuhe“.

Der erste Eindruck ist der wichtigste. Insofern hat Mückstein mit Sneakers in der Hofburg irritiert. Es sind sogar Vergleiche mit dem Auftritt von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in türkisen Socken im Hohen Haus bemüht worden. Obwohl es hier noch einen entscheidenden Unterschied gibt: Bei Mückstein kann noch nicht beurteilt werden, welchen Respekt er staatlichen Institutionen entgegenbringt. Bei Blümel passen die Socken zu einer demonstrativen Geringschätzung, die etwa durch seinen provokanten Auftritt vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss belegt ist, bei dem er sich an nicht viel mehr als seinen Namen erinnern können wollte.

Dumm für den neuen Gesundheitsminister ist, dass zur Schau gestellte Lässigkeit halt auch schon mit einer ersten Niederlage gegen den Kanzler zusammenfällt: Sebastian Kurz ist immer hochkonzentriert und gibt sich nur selten seinen Launen hin. Er hat diese Lücke, die durch den Übergang von Rudolf Anschober zu Mückstein entstanden ist, genützt, um Fakten zu schaffen. Kurz hat angekündigt, dass es im Mai zu weitreichenden Lockerungen kommen wird. Mückstein hat das mir nichts, dir nichts übernommen, obwohl er die Verantwortung für alle gesundheitlichen Folgen trägt, er aufgrund noch immer sehr hoher Fallzahlen also gleich einmal scheitern könnte.

Johannes Huber betreibt dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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