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Mordversuch und Wiederbetätigung in Leoben vor Gericht

Zwei Männer waren angeklagt, aber nur ein Urteil gefällt
Zwei Männer waren angeklagt, aber nur ein Urteil gefällt
Ein 27-jähriger Obersteirer hat sich am Donnerstag im Landesgericht Leoben wegen versuchten Mordes und Wiederbetätigung verantworten müssen. Mitangeklagt war auch ein 22-Jähriger, mit dem der Beschuldigte den Hitlergruß gemacht und ein Foto davon auf Facebook veröffentlicht hat. Der Jüngere bekam 15 Monate bedingt, das Verfahren gegen den Älteren wurde ausgeschieden und vertagt.


Der arbeitslose Obersteirer, der schon mehrfach wegen Körperverletzung und Nötigung verurteilt worden ist, wurde aus der U-Haft vorgeführt: mit Glatze und Tätowierungen, wie zum Beispiel den Zahlen 1889 (Geburtsjahr von Adolf Hitler, Anm.) am Hals. Ganz anders der Lebenslauf des 22-jährigen Angeklagten, der in Anzug und in Begleitung seiner Familie gekommen war: Matura und drei Semester Jus-Studium, nun studiert er Geografie, unbescholten.

Eines haben die beiden aber gemeinsam und das hat sie auch im Mai 2015 via Facebook zusammengeführt: Beide fühlen sich politisch dem rechten Lager zugehörig. Laut Staatsanwaltschaft haben sie ein Foto von sich gemacht, auf dem beide mit dem Hitlergruß zu sehen sind. Der 22-Jährige stellte es auch auf Facebook. Das leugnete er auch nicht: “Es war ein riesen Blödsinn, ich war auch schon g’scheit betrunken, wobei das keine Entschuldigung sein soll.” Als er am Tag darauf wieder nüchtern war, löschte er das Foto.

Der 27-Jährige bestätigte, dass die Idee zum Foto vom 22-Jährigen gekommen war, und gestand, noch Hakenkreuze darunter gepostet zu haben. Die Richterin fragte ihn, wie er die Hakenkreuze posten könne. “Dafür gibt es eine App”, erläuterte der Beschuldigte.

Dann interessierte sich das Gericht für die Gesinnung des vorbestraften Obersteirers. Auf seiner Facebook-Seite hatte er ein Bild mit dem Text “Wir sind auch ohne Sonne braun”. Die Richterin wollte wissen, was er damit meinte. “Ich wollte damit die braune Gesinnung ansprechen. Das ist teilweise auch meine Gesinnung”, gestand er ganz ungeniert. Er stellte außerdem vor Gericht die Existenz von Gaskammern im Zweiten Weltkrieg infrage. Das führte das Gericht zu einem anderen einschlägigen Posting: Der 27-Jährige schrieb zu einem Link auf Facebook “Alle Zionisten in den Ofen”. Was er damit meinte, wisse er heute nicht mehr. Dann wollte er keine Fragen mehr zu dem Themenkreis beantworten und meinte lapidar: “Wurscht, nächste Frage.”

Nachdem sich das Gericht und die Geschworenen einen Eindruck von der Gesinnung des 27-Jährigen gemacht hatten, widmete man sich dem versuchten Mord: Zugetragen hatte sich dieser Ende September 2015 in der Wohnung eines langjährigen Freundes des Beschuldigten. Sie hatten Alkohol getrunken und Fußball geschaut. Dann schlug der 27-Jährige plötzlich auf seinen Schulfreund ein. Warum, wisse er nicht mehr, sagte er vor Gericht. Erst soll er das schon am Boden liegende Opfer mit Faustschlägen auf Kopf und Gesicht verletzt haben, dann griff er auch noch zu einer knapp zehn Kilogramm schweren Kurzhantel. Mit der stieß er zu.

Das Opfer erlitt einen offenen Schädelbruch, Rissquetschwunden und ein Schädelhirntrauma. Außerdem schlug ihm der 27-Jährige mehrere Zähne ab. Der Verletzte konnte flüchten und lief zur Polizei, woraufhin der Verdächtige noch blutbespritzt in der Wohnung seines Schulfreundes festgenommen wurde.

Vor Gericht gestand der Angeklagte, auf seinen Freund eingeschlagen zu haben, aber er habe ihn nicht töten wollen: “Wenn ich ihn umbringen hätte wollen, hätte ich noch fester zugeschlagen.” Erst als er abgelassen hatte, habe das Opfer flüchten können. Während der Verletzte sich zur Polizei rettete, machte der Täter noch ein Selfie mit seinem blutbespritzten Gesicht inklusive vorgehaltenem Mittelfinger. Er habe damit nur mögliche Verletzungen in seinem Gesicht sehen wollen, sagte er.

Für Kopfschütteln im Gerichtssaal sorgte der Angeklagte im Zuge seiner Befragung noch mehrfach. Auf die Frage, warum er kein Adolf-Hitler-T-Shirt, sondern eines von einem anderen Adolf trage, meinte er sofort: “Weil ich keines habe.” Erst im Nachsatz meinte er, dass er schon wisse, dass es verboten sei, er sei ja nicht blöd. Zur Sprache kam auch noch die Sehschwäche des Obersteirers: Gefragt wurde, wie viele Dioptrien er habe. Er antwortete: “Zusammengerechnet fünf.” Erst auf Nachfrage des Gerichts erklärte er, dass er damit 2,5 links und 2,5 rechts meinte.

Das Opfer des 27-Jährigen wurde am Nachmittag befragt: Der Mann, der noch immer eine Delle an Stirn hat, weil an dieser Stelle sein Schädelknochen eingedrückt wurde, klagte über gelegentlich auftretende Kopfschmerzen, Wetterfühligkeit und stechende Schmerzen an den Narben am Kopf. Außerdem habe er seit der Attacke Angstzustände und Schlafstörungen.

Warum der Angeklagte im Vorjahr auf ihn losgegangen war, konnte auch das Opfer nicht sagen: “Ich habe nur plötzlich einen Schmerz gespürt und bin umgeflogen. Als ich wieder aufgewacht bin, war er über mir und hat mit der Faust auf mein Gesicht eingehauen.” Immer wieder habe der Beschuldigte ihm zugeschrien: “Wehr dich nicht!”

Mehrmals sei das Opfer bewusstlos gewesen, zum Schluss könne er sich noch erinnern, wie ihm der Mann ins Gesicht sagte: “Jetzt stirbst und wennst dich wehrst, dann geh’ ich zu deiner Mutter und deiner Schwester und bring’ die auch noch um, weil mir ist das wurscht.” Als sich der Angreifer kurz weggedreht habe, habe das Opfer die Flucht ergriffen, wobei ihm der 27-Jährige noch bis zur Nachbarwohnung nachgelaufen sei.

Da der Verteidiger des 27-Jährigen beantragte, das dreistündige Video von der Tatrekonstruktion vorzuspielen, wurde das Verfahren gegen den Obersteirer ausgeschieden. Es wird am 25. Mai fortgesetzt. Dann soll auch noch ein Polizist geladen werden, der sich am Donnerstag krankheitsbedingt entschuldigen hatte lassen. Der 22-Jährige dagegen wurde wegen Wiederbetätigung zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Der Student nahm das Urteil an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, weshalb es noch nicht rechtskräftig ist.

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