Zu Beginn der 1970er hatte die Pfarre Altenstadt an selber Stelle ein Pfarrgemeindehaus mit angeschlossenem Mehrfamilienhaus errichtet. Im Laufe der Zeit war das Gebäude komplett sanierungsbedürftig geworden. Architekt Dietmar Walser und Harald Ess, Initiator sowie Betreuer des Projekts von Seiten der Pfarrgemeinde, stammen beide aus Altenstadt und waren schon in ihrer Jugend als Ministranten in der Pfarre aktiv. Gemeinsam beschäftigten sie sich mehrere Jahre mit unterschiedlichen Planungsvarianten. Es entstanden viele Konzepte von Sanierung bis Neubau und grundlegend verschiedene Entwürfe als Einzelgebäude oder in Kombination mit einer Wohnanlage oder Arztpraxis. Schließlich entschied man sich für den Abriss des alten Pfarrgemeindehauses unter Erhaltung des Wohnhauses und plante ein neues Pfarrzentrum als freistehendes Bauwerk.
Von Rankweil kommend, bildet das Pfarrzentrum das erste Gebäude öffentlichen Charakters in Altenstadt – hier beginnt der Ortskern – es folgen Kloster und Pfarrkirche. Das Herz des Pfarrzentrums ist ein flexibel nutzbarer Saal, der bis zu 100 Personen Platz bietet und mit einer Faltwand vom Foyer abgetrennt werden kann. Der Klosterstraße folgend, verläuft die Westfassade leicht schräg, was günstig für die Raumakustik im Saal ist. Im Obergeschoß befinden sich drei Gruppen- bzw. Seminarräume sowie ein großer Lagerraum. Zwei Eingänge erlauben reibungslose Parallelnutzungen. So kann der große Saal im Erdgeschoß südseitig – von der Pfarrkirche kommend – betreten werden und gleichzeitig gelangt man über den hinteren Eingang zu den Räumlichkeiten im Obergeschoß. Das neue Pfarrzentrum ist endlich barrierefrei: die Eingänge liegen ebenerdig – nicht wie im alten Haus einen Halbstock höher – und mit dem Lift kann auch das Obergeschoß einfach erreicht werden.
Zwischen Pfarrzentrum und altem Wohnhaus befindet sich ein Freiraum, der die beiden Bauten klar voneinander trennt. „Die Freistellung war mir ein Anliegen – der Neubau ist nun als eigenständiges Gebäude ablesbar. Außerdem sind Richtung Wohnhaus Nebenräume und Sitzungszimmer angeordnet, die eine Art ‚Pufferzone‘ zum Veranstaltungssaal bilden, um Lärmbelästigung zu vermeiden“, erklärt Architekt Walser.
Dem konstruktiven Holzbau ist eine hinterlüftete Keramikfassade vorgehängt. Die schmalen, vertikal verlaufenden Ziegelplatten sind unempfindlich und können bei Bedarf einfach einzeln ausgetauscht werden. Als Wand- und Deckenverkleidung dienen helle Birkensperrholzplatten, die im oberen Bereich gelocht sind und als Akustikdecke Schall absorbieren. Neben Parkett aus Eichenholz kommen großformatige Fliesenplatten als Bodenbelag zum Einsatz. Die flexiblen Räumlichkeiten bieten Platz für vielfältige Nutzungen: pfarrliche Veranstaltungen und Gruppen (Ministrant(inn)en, Chöre, Seniorennachmittage etc.); außerdem können die Räume und der Saal auch von Privatpersonen, Vereinen oder Unternehmen für Feste angemietet werden. Die Namen der Gruppenräume und des Sitzungszimmers beziehen sich auf biblische Ortsnamen. Unter insgesamt zwölf vom Pfarrgemeinderat ausgewählten Bibelstellen konnten alle Gemeindemitglieder abstimmen. Passend zu den biblischen Geschichten gestaltete der Ikonenmaler Rudi Jankovic anschließend vier Ikonen, die sich nun in den jeweiligen Räumen befinden.
Die Baukosten wurden zur Hälfte über den Verkauf von Grundstücken finanziert, ein Viertel deckten Subventionen der Stadt Feldkirch, des Landes Vorarlberg und der Diözese. Ein beachtlicher Anteil konnte durch Spendengelder von der Kirchengemeinde selbst beglichen werden. Insgesamt 350.000 Euro wurden innerhalb von zwei Jahren mit diversen Aktionen und Veranstaltungen unter dem Motto „mitanand fürs PZ“ gesammelt. Zugunsten des neuen Pfarrzentrums fanden unter anderem Konzerte, Pfarrcafés und eine Bilderausstellung statt, bei der Werke von Altenstädter Künstlerinnen und Künstlern erworben werden konnten. Besonders in Erinnerung bleibt den Beteiligten aber vor allem der Stundenlauf, bei dem an einem Tag allein über 33.000 Euro an Spendengeldern zusammenkamen. „Alle Vereine haben mitgemacht und das ganze Dorf war unterwegs. Es kamen so viele Leute aus Altenstadt zusammen, wie man es sonst nie erlebt – ein richtiges Dorffest!“, erinnert sich Pfarrer Ronald Stefani gerne. „Werbung brauchen wir keine mehr“, betont Harald Ess mit einem Lächeln. „Wir sind meistens auf ein halbes Jahr ausgebucht.“
Und woran liegt es, dass das Pfarrzentrum so gut ausgelastet ist und hohe Akzeptanz genießt? Einerseits bestimmt an der zentralen Lage innerhalb von Altenstadt und Vorarlberg sowie an der guten Verkehrsanbindung, mit Sicherheit auch an den moderaten Mietpreisen. Und: „Die Betreuung durch unser ehrenamtliches Team ist überdurchschnittlich“, erklärt Pfarrer Stefani dankbar.
Altenstadt hat einen neuen Treffpunkt im Dorf erhalten – ein Ort des Miteinanders und der Begegnung. Die Neuerrichtung des Pfarrzentrums wertet als würdiger städtebaulicher Auftakt zur Dorfmitte das Ortsbild von Altenstadt auf.
Daten und Fakten
Objekt: Pfarrzentrum, Feldkirch-Altenstadt
Eigentümer: Pfarre Altenstadt
Architektur und Bauleitung: walser + werle architekten, Feldkirch
Statik: SSD Beratende Ingenieure, Röthis
Fachplaner: Elektro: Hiebeler + Mathis, Hörbranz; Heizung, Lüftung, Sanitär: BHM Ingenieure, Feldkirch; Bauphysik: WSS Wärme- und Schallschutztechnik, Frastanz; Küche: gastro-plan, Dornbirn
Grafik: Doris Fraisl, Satteins
Planungs- und Baustellenkoordination: Kurt Gau, Feldkirch
Planung: 1/2011–3/2012
Ausführung: 3/2012–1/2014
Grundstücksgröße: 1180 m²
Nutzfläche: 734 m²
Bauweise: Holzriegelbau mit 20 cm Steinwolldämmung; Flachdach als Warmdachkonstruktion; Alu-Fenster; Keramikfassade, hinterlüftet; Bodenbeläge: Parkett geölt und großformatige Fliesen; Heizung: Grundwasserwärmepumpe, Fußbodenheizung; Innenwände und Deckenverkleidungen: Birkensperrholzplatten, Gipskarton
Ausführung: Baumeister: Wilhelm & Mayer, Götzis; Zimmermann: Summer Holzbau, Röthis; Bautischler: Ernst Plattner, Hohenems; Spengler: Ganath Spenglerei, Feldkirch; Keramikfassade: Lins Dach & Fassade, Weberdach, beide Feldkirch-Altenstadt; Fliesen: Bell Fliesen, Götzis; Parkett: Vetter, Bregenz; Bühnentechnik: Wyss Bühnenbau, Näfels(CH); Alufenster und Außentüren: Glas Metall Salzgeber, Dornbirn; Schlosser: M+S Metalltechnik, Koblach; Innentüren und Einbaumöbel: Hanno Bickel, Dornbirn
Energiekennwert: 19 kWh/m² im Jahr
Gesamtkosten: ca. 1,7 Mill. Euro (netto)
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at
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