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Mind the Gap - Kritik und Trailer zum Film

Regisseur Robert Schabus ist eine Reise quer durch Europa angetreten, um mit den Verlierern der Gesellschaft zu sprechen, die sonst selten den Raum vor der Kamera bekommen. Arbeitsmigranten und Working Poor aus verschiedenen Ländern kommen bei ihm zu Wort. Eine Übung in Toleranz.

Der Dokumentarfilmer Robert Schabus widmet sich mit Vorliebe den unbequemen Räumen unserer Gesellschaft. In seinem Vorgängerfilm "Bauer unser" porträtierte er die prekären Lebenssituationen von Landwirten. Nun widmet er sich mit "Mind the Gap" Menschen, die durch die zunehmende Globalisierung abgehängt werden und ihr Vertrauen in die Demokratie verlieren. Ab Freitag im Kino.

Mind the Gap - Kurzinhalt zum Film

Zu Beginn des Films steht ein verhältnismäßig überschaubarer Arbeiterprotest im Jahr 2017 gegen eine Fabrikschließung im Norden Frankreichs. Den Abschluss der Dokumentation bilden Aufnahmen eines Demonstrationszugs der weitaus größeren, landesweiten Gelbwestenproteste. Was Ursachen für die offenbar anwachsende, wenn nicht eskalierende Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung sein könnten, versucht der aus Kärnten stammende Regisseur anhand zahlreicher Gesprächspartner zu veranschaulichen. Schabus begibt sich unter anderem kurz nach dem Brexit-Votum nach England, inspiziert die Lage in Griechenland, dem Ursprungsland der Demokratie, hört sich vor der Bundestagswahl 2017 in Berlin um und klappert eine Baustelle sowie einen Gemeindebau in Wien ab.

Dabei kristallisiert sich zusehends heraus, dass viele der Probleme der Befragten in Verbindung mit dem wirtschaftlichen System und der mangelnden Anerkennung des Willens der Bevölkerung stehen. So hat ein 50-jähriger Vater zweier Kinder nach besagter Fabrikschließung im Norden Frankreichs Angst, keine Arbeit mehr zu finden. Seine Arme, Hüfte und Knie seien nicht mehr das, was sie einmal waren, meint er resigniert. Sein Arbeitsplatz geht an einen Polen in Lodz. Dieser muss sich mit knapp 500 Euro netto zufriedengeben. Ist ihm das zu wenig, könnte er problemlos durch einen ukrainischen Arbeiter ersetzt werden.

Derartige Konkurrenz unter Arbeitern werde gezielt geschürt, weiß der Betriebsrat einer Wiener Baufirma, die zwecks Wirtschaftlichkeit vorwiegend externe Arbeitskräfte beschäftigt. Manche würden auch hierzulande "unter der Hand" für sechs bis sieben Euro netto in der Stunde arbeiten.

Auch ein deutscher Taxilenker ist unzufrieden. Er fährt seit über 30 Jahren großteils nachts und dennoch verdient er mittlerweile kaum mehr als zu Beginn seines Arbeitslebens. Als Denkzettel überlegt er, die Alternative für Deutschland (AfD) zu wählen, obwohl er jahrelang den Sozialdemokraten treu war. Deren Spitzenkandidat, Martin Schulz, bekundet unterdessen kurz vor der Bundestagswahl, dass "wir in einem Land leben, in dem es uns gut geht".

Was passieren kann, wenn die Sorgen der Bevölkerung nicht wahr- oder ernst genommen werden und die Kluft in der Gesellschaft anwächst, zeigte sich etwa am Ausgang des Brexit-Referendums. Schabus holt einen Arbeiter aus Sunderland im Norden Englands vor die Kamera. Dieser wollte mit seiner Stimme für den Austritt es "denen da oben" zeigen. Schließlich werde für seine Region seit Jahrzehnten nicht genug getan.

Mind the Gap - Die Kritik

Die Erzählungen der an den Rand gedrängten Personen ordnet Schabus gekonnt mit Interviews von Wissenschaftern, Journalisten und so manchem Politiker in einen größeren Kontext ein. Der Anstieg von Rechtspopulismus oder auch EU-Feindlichkeit wird dadurch klarer. Der Fokus verbleibt dennoch bei jenen, die normalerweise (zu) selten gehört werden. Schabus erledigt das, was Politikern gerne aufgetragen wird: Er begibt sich direkt zum "Volk" und lässt sich erzählen, wo der Schuh drückt.

"Mind the Gap" offenbart keine rasenden Neuigkeiten. Dass in Teilen der Bevölkerung Politik- und Demokratieverdrossenheit herrscht, ist bekannt und Gegenstand zahlreicher Analysen. Der Mehrwert des Dokumentarfilms liegt darin, sich rund 90 Minuten anderen Ansichten und Lebensrealitäten auszusetzen - auch wenn es mitunter unbequem sein mag. Wer dazu ganz im Sinne einer Demokratie bereit ist, wird nicht enttäuscht werden.

Alle Spielzeiten auf einen Blick

(APA/Red)

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