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Messerattacken in der Leopoldstadt: 23-Jähriger plante laut Gutachter Amoklauf

Der 23-Jährige ist voll zurechnungsfähig.
Der 23-Jährige ist voll zurechnungsfähig. ©APA
Voll zurechnungsfähig ist laut psychiatrischem Sachverständigen jener 23-Jährige, der Anfang März in Wien-Leopoldstadt vier Personen mit einem Messer attackiert und schwer verletzt hat. Somit ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft demnächst Anklage wegen vierfachen versuchten Mordes erheben wird. Außerdem geht der Gutachter davon aus, dass der Afghane einen Amoklauf plante.
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Jener 23-jährige Mann, der am 7. März in Wien-Leopoldstadt vier Personen mit einem Messer attackiert und schwer verletzt hat, ist voll zurechnungsfähig. Zu diesem Ergebnis kommt der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann, der den afghanischen Asylwerber eingehend untersucht hat.

Messerattacken in Wien-Leopoldstadt: Afghane zurechnungsfähig

Eine “psychische Störung im Sinn einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades” sei “nicht gegeben”.

Der Afghane hatte zunächst auf der Praterstraße einen Arzt, dessen Ehefrau und deren gemeinsame Tochter beim Verlassen eines Restaurants mit zwei Messern angegriffen. Er flüchtete vom Tatort und stach wenig später am Praterstern einen afghanischen Landsmann nieder. Nach seiner Festnahme und Überstellung in die Justizanstalt Josefstadt machte der 23-Jährige wirre Angaben, sprach von inneren Stimmen und “Teufelsmenschen”, die ihn verfolgen würden. Ende März wurde er mit Verdacht auf paranoide Schizophrenie vorübergehend ins Otto-Wagner-Spital (OWS) verlegt, wo er mehrere Selbstmordversuche unternahm.

Gutachten: “Keinerlei Anhaltspunkte auf psychische Erkrankungen”

Den nunmehrigen fachärztlichen Feststellungen zufolge liegen beim 23-Jährigen allerdings “keinerlei Anhaltspunkt auf schwerwiegende psychische Erkrankungen” vor. Der Psychiater geht vielmehr davon aus, dass der 23-Jährige zum Zeitpunkt der Messerangriffe “über einen völlig geordneten Gedankengang verfügte”. Hofmann schließt in seinem 42-seitigen Gutachten “relevante schwerwiegende psychische Symptombildungen” aus, die zu dem gewalttätigen Verhalten geführt hätten.

Da somit kein Schuldausschließungsgrund vorliegt, ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Verdächtigen demnächst Anklage wegen vierfachen versuchten Mordes erheben wird.

Anklage wegen vierfachen versuchten Mordes erwartet

Sein Verteidiger Wolfgang Blaschitz, der den Mann gemeinsam mit der Anwältin Astrid Wagner vertritt, will dessen ungeachtet die psychische Befindlichkeit seines Mandanten “weiter hinterfragen, weil ich schon den Eindruck gehabt habe, als wäre er nicht bei Sinnen”, wie er am Freitag der APA erklärte.

Mann hatte laut Gutachter Amoklauf im Sinn

Für den Psychiater Peter Hofmann drängt sich in Bezug auf den 23-Jährigen “aus psychodynamischer Perspektive der Verdacht auf, dass es hier aufgrund von Kränkungen, Frustrationen, Außenseitertum, Perspektivlosigkeit zu aggressiven Ersatzhandlungen gegen die Gesellschaft gekommen ist, in der er nie Fuß fassen konnte”. Der Gutachter geht davon aus, dass der Mann einen Amoklauf im Sinn hatte.

“Es handelt sich hier um einen typischen Amoklauf, bei welchem in kurzer Zeitspanne mehrere Tötungsdelikte bzw. Versuche zu töten umgesetzt werden. Die Opfer sind Unbeteiligte bzw. auch solche, die gezielt gewählt wurden und auf einer Art innerer Abschussliste stehen”, hält der Sachverständige in seiner Expertise fest.

Afghane wollte sich an Portier rächen

Der Afghane war im Oktober 2015 nach Österreich gekommen. Er wollte Pilot werden. Stattdessen lebte der Asylwerber von staatlicher Unterstützung, kam in Kontakt mit Drogen, verkaufte Cannabis und landete schließlich im Gefängnis. Anfang Dezember 2017 wurde er nach mehrmonatiger Haft bedingt entlassen. Seither lebte er auf der Straße, schlief teilweise bei Freunden. In einem Hotel am Nestroyplatz soll ihm der Portier einen Schlafplatz angeboten haben. Den Angaben des 23-Jährigen zufolge wollte der Portier für diesen Gefallen aber Sex. Weil der junge Afghane das ablehnte, musste er die klirrend kalte Nacht im Freien verbringen.

Wie der Verdächtige nach seiner Festnahme der Polizei erklärte, wollte er am Abend 7. März mit zwei Messern bewaffnet das Hotel aufsuchen und es dem Portier heimzahlen: “Ich wollte ihn mit dem Messer verletzen, damit er mir nie wieder im Leben sagt, dass ich schwul bin.” Bevor er das Hotel erreichte, begegnete ihm am Nestroyplatz zufällig ein Familie. Ein Arzt hatte seine Ehefrau und seine 17 Jahre alten Tochter zum Essen in ein Lokal ausgeführt. Weil der Afghane den Eindruck hatte, die drei würden ihn auslachen, stach er mit zwei Messern auf sie ein und verletzte sie schwer, den Arzt lebensgefährlich. Danach schlug er mit dem Messer gegen eine Auslagenscheibe des Lokals, das darauf von innen abgesperrt wurde.

“Ich wollte sie töten”

Der 23-Jährige begab sich nun zum Praterstern, wo er jenen Landsmann suchte, den er für dafür verantwortlich machte, ihn mit Drogen in Kontakt gebracht zu haben. Als er diesen an einem Imbissstand sah, stach er auch diesen Mann nieder. In weiterer Folge begab sich der Verdächtige auf den Bahnsteig der U2-Station. “Ich wollte zu den Schwarzen, um sie zu bestrafen, damit sie mir in Zukunft kein Kokain mehr verkaufen können. Ich wollte sie töten, mit dem Messer auf sie einstechen, damit sie weder Kokain noch etwas anderes geben, was mein Gehirn zerstört. Sie haben mein Gehirn zerstört, damit meine ich die Schwarzen”, schilderte der Afghane in seiner polizeilichen Einvernahme. Das Einschreiten von Polizeibeamten, die sich dem Bewaffneten in den Weg stellten, verhinderte weitere Gewalttaten.

Seit seiner Inhaftierung hat der Verdächtige eine erhebliche psychische Haftreaktion entwickelt. Der Psychiater bescheinigt ihm eine psychogene Simulationspsychose, die er wie folgt beschreibt: “Sie ist als psychogener Zustand anzusehen, der übertrieben gekünstelt ist und simulierte Züge aufweist. Tendenzen zu albernen Faxen und Falschbeantwortung einfachster Fragen, gepaart mit dem Wunsch durch scheinbare oder wirkliche Geisteskrankheit der Haft zu entgehen, welches dann in pathologischer Weiterentwicklung des Täuschungsversuchs zu einer echten Störung führt, sind typisch. Dabei wird durch Autosuggestion mittels bewusstseinsnaher Simulation der innere Zusammenhang zu normalen psychischen Abläufen gestört und läuft automatisch als selbstständiger pathologischer Vorgang weiter.”

Bislang mehrere Selbstmordversuche in Justizanstalt

Zu den Selbstmordversuchen, die der 23-Jährige auf der Krankenabteilung der Justizanstalt unternommen hat, bemerkt der Sachverständige: “Man kann auch davon ausgehen, dass er sich der völligen Aussichtslosigkeit seiner nunmehrigen Situation bewusst war und dass hier durchaus auch ernsthafte Intentionen in Richtung Suizidhandlungen gegeben waren.”

(APA/Red)

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