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Mehr Wert Wohnen

"Den Bestand prüfen, schätzen lernen, was da ist – das Großzügige, das besondere Flair." (Christian Lenz, Architekt)
"Den Bestand prüfen, schätzen lernen, was da ist – das Großzügige, das besondere Flair." (Christian Lenz, Architekt)
Dornbirn - Stadtnah, und doch im Grünen, Altbau, und doch neueste Standards, privat zurückgezogen, und doch eine Gemeinschaft.
Wohnanlage Druckergasse

Wie das: ein Wehen der Luft, Glänzen des Himmels, Grünen der Bäume, vor allem: Rauschen des Bachs – und das nur wenige Minuten von Dornbirns lautem Bau-, Supermarkt- und McDonald’s-Strip entfernt?

Das laute Rauschen des Bachs gibt den Hinweis: Es kommt vom Gefälle einer Wehranlage, die Wasser auf eine Turbine lenkte, die einen Teil der Textilfabrik bis Mitte der 1990er-Jahre mit Strom versorgte. Die heutige ländliche Idylle verdankt sich nicht nur dem aufgelassenen Industriestandort – das Gebäude selbst war zu großen Teilen Bestandteil dieser Fabrik – Werksküche und Kantine waren hier untergebracht.

Man staunt immer wieder, was man sich geleistet hat zu einer Zeit, auf die wir aus unseren „modernen Zeiten“ etwas hochnäsig herabblicken. Nicht nur, dass das Gemäuer am Wasser seit über 100 Jahren seinen Dienst tut; bemerkenswert ist die Raumqualität, die der ungewöhnlichen Raumhöhe zu verdanken ist und zu neuer Nutzung geradezu einlädt – nachhaltig im besten Sinn. Ergänzt durch den Neubau anstelle des nicht mehr nutzbaren Holzschuppens wird das Baurecht des Bestandes ausgeschöpft. So wurde eine außerordentliche Bebauungsdichte erzielt – und dennoch hohe Qualitäten des Außenraumes, wovon ein Vergleich mit der neu entstandenen Nachbarschaft überzeugt.

23 Wohnungen, mit 2–4 Zimmern ein gemischtes Spektrum, sind so entstanden. Alle mit privaten Außenbereichen – kleine Gärten, großzügige Balkone, ein Dachgarten – dazu eine große Grünfläche für die Gemeinschaft. Und dies wird genutzt: nicht nur als Kinderspielplatz – die Feste fallen fast im Monatsrhythmus, und wenn das Wetter mal nicht mitspielt, werden Weihnachtsfeiern oder Faschingsfeste in die hellen Treppenhäuser (es gibt ja noch den Lift) verlegt. Das kommt dem Bild der Anlage zugute: Der Blumenschmuck ums Haus verdankt sich einer Gemeinschaftsinitiative zum Blumenfest.

„Die rege Hausgemeinschaft ist eines der schönsten Dinge, weil wir hier sehr großzügig sind, gut miteinander bekannt und einander unterstützen“, so eine Bewohnerin.
Vorherzusehen oder gar geplant, war das nicht. Ein klein wenig besonders müssen die Menschen wohl gewesen sein, die sich für eine Eigentumswohnung in einer ehemaligen Fabrik interessierten. Neu eingezogene Trennwände und Decken aus Beton, eine neue, offene Fassade nach Westen gewährleisten jedoch zeitgemäßen Standard. Die historische Hülle ist wärmegedämmt, die Westfassade durch eine vorgestellte Holz/Stahl-Konstruktion für tiefe Balkone ergänzt. Eine Raumhöhe von 3,20 m stellt sicher, dass trotzdem die ganze Raumtiefe belichtet ist – „die Pflanzen wachsen wie im Urwald – im Winter haben wir die Sonne herinnen, im Sommer spenden die Balkone Schatten“, so Timo Bereiter, Architekt, der sich hier eine Wohnung ausgebaut hat.

Auch das eine Besonderheit: Es wurden Standardeinrichtungen angeboten, jedoch freigestellt und möglich gemacht, die Einrichtung nach eigenen Vorstellungen zu planen. Insbesondere bei den oberen Wohnungen wurde das genutzt: Bei gleichem Preis wurde durch niedrigere Räume im Innern zusätzlicher Wohnraum im Dachspitz gewonnen – „ein Zuckerl“, wie eine Bewohnerin anmerkt, „wenn man ehrlich ist, kein kleines.“ Und da im obersten Stock konnten die Balkone großzügig nach oben geöffnet werden, sodass hier auch bei geringeren Raumhöhen die Sonne bis ins Innere scheint.

Liegt’s an der Mischung? Ein altes Gebäude und moderner Standard, rationelle Planung mit Vorteilen der Serie und individuelle Ausstattung, private Geborgenheit und öffentliche Räume für alle – jedenfalls begegnet man hier einer Lebhaftigkeit, die Wertschätzung ausdrückt und im Ganzen mehr leistet, als die Teile allein. Man könne nur raten, so Christian Lenz, der Architekt der Anlage, „den Bestand zu prüfen, schätzen zu lernen, was da ist, das Großzügige, das besondere Flair – etwa eines Satteldachs für eine Dachwohnung. Und den Außenraum nicht aus dem Blick verlieren.“

Daten und Fakten

Objekt: Wohnanlage Druckergasse

Bauträger: Hinteregger Bau- und Projektentwicklung GmbH

Architektur: DI Christian Lenz Architekturbüro, Schwarzach

Baufertigstellung: 2007

Statik: M+G Ingenieure, Feldkirch

Konstruktion: Massivbauweise mit Holzfassade

Grundstücksfläche: 3.788 m²

Wohnnutzfläche: 2.123 m² gesamt
Haus A: 17 Wohneinheiten mit Zwei- und Vierzimmerwohnungen
Haus B: sechs Dreizimmerwohnungen, ein Penthouse

Besonderheit: Überdurchschnittliche Raumhöhe
(EG 320 cm, OG 340 cm, DG mit optionalem Dachbodenausbau)

Energie: ÖKO 1, Solaranlage

Dachwohnung W.: 
Architektur: Architektin Geli Salzmann, Dornbirn
Möbelbau: Tischlerei Arno Dür, Schwarzach

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg, Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten.
Mehr unter architektur vorORT auf www.v-a-i.at

(Leben & Wohnen)

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