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Medizin-Nobelpreis 2025 für drei Immunforschende

Eine Büste des schwedischen Chemikers, Erfinders und Unternehmers Alfred Nobel, Gründer und Namensgeber der Nobelpreise, aufgenommen am 6. Oktober 2025 am Karolinska-Institut in Stockholm, Schweden, vor der Bekanntgabe des diesjährigen Nobelpreisträgers für Physiologie oder Medizin.
Eine Büste des schwedischen Chemikers, Erfinders und Unternehmers Alfred Nobel, Gründer und Namensgeber der Nobelpreise, aufgenommen am 6. Oktober 2025 am Karolinska-Institut in Stockholm, Schweden, vor der Bekanntgabe des diesjährigen Nobelpreisträgers für Physiologie oder Medizin. ©APA/AFP
Der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie geht dieses Jahr an drei Forschende auf dem Gebiet der Immuntoleranz.

Die Preisträgerin und zwei Preisträger sind Mary E. Brunkow und Fred Ramsdell aus den USA sowie Shimon Sakaguchi aus Japan. Das gab das Karolinska-Institut in Stockholm am Montag zum Auftakt der Nobelpreiswoche bekannt. Die Auszeichnung ist heuer mit elf Millionen Schwedischen Kronen (eine Million Euro) dotiert.

Wenn das Immunsystem entgleist: Forschung hilft beim Bremsen

Die Arbeiten der Preisträgerin und der beiden Preisträger hätten maßgeblich dazu beigetragen, herauszufinden, wie das Immunsystem so eingestellt wird, dass es Krankheitserreger möglichst punktgenau erkennt und angreift, ohne dabei zum Überschießen zu neigen.

Ist letzteres der Fall, wendet sich das Immunsystem sozusagen gegen den Körper - eine Autoimmunerkrankung, wie Multiple Sklerose oder Rheuma kann entstehen.

Nur Sakaguchi telefonisch erreicht

Als einzigen der drei Ausgezeichneten habe der Sekretär der Nobelversammlung des Karolinska-Instituts, Thomas Perlmann, Sakaguchi in seinem Labor erreicht. Dieser sei "unglaublich dankbar" und "von der Neuigkeit recht mitgenommen gewesen". Die beiden US-Forschenden habe er gebeten, ihn doch bei Gelegenheit zurückzurufen, sagte Perlmann.

Sakaguchi trat unterdessen an der Universität Osaka vor die Presse. Er habe sich zwar vorstellen können, dass es eine Auszeichnung geben könne, wenn sich die Forschung in der klinischen Praxis als nützlich erweise, sagte er: "Aber dennoch bin ich überrascht und geehrt, nun eine solche Ehre zu erhalten."

Wissenschaftliche Laufbahnen zwischen Seattle, San Francisco und Osaka

Brunkow wurde 1961 geboren. Sie promovierte an der Princeton-Universität in den USA und arbeitet am Institute for Systems Biology in der US-Westküstenmetropole Seattle. Ramsdell stammt aus dem US-Bundesstaat Illinois und promovierte an der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Er ist wissenschaftlicher Berater bei Sonoma Biotherapeutics in San Francisco. Der 74 Jahre alte Japaner Shimon Sakaguchi promovierte 1983 in Kyoto. Er ist Professor an der Universität von Osaka.

Gegen den wissenschaftlichen Strom

Damit die körpereigene Abwehr nicht die eigenen Organe angreift, braucht es auch die "periphere Immuntoleranz". Den Ausgangspunkt zu ihrem Verständnis bildete Sakaguchis Arbeit, erklärte Marie Wahren-Herlenius vom Nobel-Komitee.

Der 74-Jährige hatte beobachtet, dass das Herausnehmen der Thymusdrüse im Rahmen von Untersuchungen an Mäusen dazu führte, dass diese ein überaktives Immunsystem entwickelten. Umgekehrt half es, diese Reaktionen abzufedern, wenn den Tieren bestimmte Immunzellen - später als "regulatorische T-Zellen" bezeichnet - injiziert wurden.

An deren Wichtigkeit habe es in Fachkreisen in den später 1990er-Jahren zunächst noch "viel Zweifel" gegeben, so Wahren-Herlenius. Sakaguchi habe den Mut gehabt, am Aichi Cancer Center Research Institute in Nagoya (Japan) gegen den wissenschaftlichen Mainstream seine Ideen zu verfolgen.

Von Mäusen zum Menschen

Damals waren einige Forschende davon überzeugt, dass sich Immuntoleranz nur entwickelt, wenn potenziell schädliche - quasi zu scharf eingestellte - Immunzellen im Thymus durch einen "zentrale Toleranz" genannten Prozess eliminiert werden. Sakaguchi offenbarte jedoch, dass dieser Ablauf deutlich komplexer ist, und die neu entdeckte Zell-Klasse den Körper ebenso vor Autoimmunerkrankungen schützt.

"Manhattan Projects"

Die Bedenken räumten in der Folge Brunkow und Ramsdell aus. Sie befassten sich um die Jahrtausendwende mit den genetischen Grundlagen des "Scurfy mouse"-Syndroms - einer schwerwiegenden Autoimmunerkrankung.

Die ersten Tiere mit dieser Einschränkung erblickten im Rahmen des "Manhattan Projects", mit dem Ziel der Entwicklung der ersten Atombombe, in den 1940er-Jahren das Licht der Welt.

Löst schwere Autoimmunerkrankung "IPEX" aus

Damals studierten US-Forschende die Auswirkungen von radioaktiver Strahlung auf Lebewesen - und schufen die Mäuse mit der charakteristischen schuppigen und abblätternden Haut. Nach langwierigen Tests fanden Brunkow und Ramsdell heraus, dass die Mäuse eine Mutation in einem Gen aufwiesen, das sie "Foxp3" nannten.

In weiteren Studien konnten Brunkow und Ramsdell den entsprechenden genetischen Defekt auch beim Menschen finden. Hier löst die Mutation die schwere Autoimmunerkrankung "IPEX" aus.

Kontrollinstanz für andere Immunzellen

Um das Jahr 2003 war es dann wieder Sakaguchi, der die Bedeutung der Erkenntnisse miteinander verknüpfen konnte: Er demonstrierte, dass das Foxp3-Gen zentral für die Entwicklung der von ihm 1995 identifizierten regulatorischen T-Zellen ist.

Diese fungieren als eine Art Kontrollinstanz für andere Immunzellen. Im Verbund hätten die drei Neo-Nobelpreisträger "ein komplett neues Feld innerhalb der Immunologie" auf den Weg gebracht, sagte Wahren-Herlenius.

Medizinische Forschung nutzt Nobel-Erkenntnisse für neue Therapien

Weltweit beschäftigt sich seither eine Vielzahl an Wissenschafterinnen und Wissenschaftern mit Ansätzen zum Heben der Aktivität dieser Immunzellen im Zusammenhang mit dem Bekämpfen der vielfältigen negativen Auswirkungen eines zu aktiven Immunsystems.

Den anderen Weg geht man im Zusammenhang mit Krebs-Erkrankungen, wo es oft darum geht, das Immunsystem sozusagen schärfer zu stellen - indem man die Tätigkeit der regulatorischen T-Zellen herunterfährt - damit es Tumore besser bekämpfen kann. Derzeit würden mehrere klinische Studien mit Anwendungen - u.a. auch in der Transplantationsmedizin - laufen, die auf den Erkenntnissen der heurigen Medizin-Nobelpreisträger basieren, heißt es.

Auftakt zur Nobelpreiswoche

Im Vorjahr war der Medizin-Nobelpreis an die beiden US-Forscher Victor Ambros und Gary Ruvkun gegangen. Sie wurden für die Entdeckung der microRNA und deren Rolle bei der posttranskriptionellen Genregulation ausgezeichnet.

Am Dienstag werden die Preisträger für Physik mitgeteilt, Chemie kommt am Mittwoch dran, Literatur am Donnerstag, der Friedens-Nobelpreis am Freitag und am Montag darauf die Wirtschaftswissenschaften. Die Auszeichnung wird traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, verliehen.

(APA)

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