AA

Marko Feingold: "Als Nicht-Kommunist war Überleben im Lager sehr schwer"

Zeitzeuge Marko Feingold mit Ehefrau Hanna und Bischof Benno Elbs im Montforthaus Feldkirch.
Zeitzeuge Marko Feingold mit Ehefrau Hanna und Bischof Benno Elbs im Montforthaus Feldkirch. ©Bandi R. Koeck
Feldkirch. (BK) Der 103-jährige Zeitzeuge und Holocaust-Überlebende Marko Feingold zog über 800 Besucher im Montforthaus in seinen Bann, als er über seine Tortour unter der Nazi-Diktatur sprach.
Ein Mann, der die Hölle durchstanden hat

Es herrschte ein Andrang wie bei einem Konzert der Rolling Stones: Über 800 Besucher, darunter allein 500 Schülerinnen und Schüler aus allen Teilen des Landes, pilgerten sprichwörtlich zu Marko Feingold aus Salzburg, dessen Terminkalender jenen von Superstars gleicht, denn er ist bis 2017 ausgebucht mit Zeitzeugengesprächen und Schulbesuchen, und das schon seit über Jahrzehnten.

Unglaubliche Überlebensgeschichte

Stimmige Worte zur Einleitung fand der Rankler Pfarrer Dr. Juen: “Manche Ereignisse sind so bestialisch und schrecklich, dass es viele vorziehen, nicht daran zu denken, diese sogar zu leugnen. Zwölf Jahre haben ausgereicht, dass eine menschenverachtende Ideologie alles in den Abgrund stürzte und 70 Millionen Menschenopfer forderte” so der Geistliche zu Beginn der Veranstaltung, welche im Rahmen des Carl-Lampert-Forums durchgeführt wurde. “Es handelt sich um kein Drehbuch aus Hollywood, sondern um die Überlebensgeschichte eines Mannes, der den Opfern eine Stimme gibt und sich selbst als schlechtes Gewissen derer sieht, die damals dabei gewesen sind.”

Nie wieder!

Als Marko Feingold, der sich in seinem 104. Lebensjahr befindet, zusammen mit seiner Frau Hannah die Bühne betrat, war es derart still, dass man eine Stecknadel fallen hören hätte können. Schließlich ist Feingold einer der allerletzten Zeugen. “Der Sinn meiner Vorträge ist das ‘Nie wieder!'” waren die ersten Worte des KZ-Überlebenden, der mehrere Diktaturen hautnah erleben musste, von Dollfuss über Mussolini bis Hitler. Feingold insistierte, dass ganz gleich, ob Diktatur von links oder rechts komme oder auch religiös geprägt sei, er warne vor jeder Diktatur. In den folgenden achtzig Minuten las er nicht vor, sondern er berichtete über die Lager wie etwa Ausschwitz, welches zum Symbolbild aller Konzentrationslager wurde.

Ältester jüdischer Österreicher

Es befanden sich ohne Zweifel einige im Saal, die Feingold schon öfters gehört hatten, doch dieses Mal war vieles anders und neu, denn das Ehepaar Feingold hatte nie gezeigtes Material per Visualizer mitgebracht. Der über 100-jährige, der vor Kurzem mit dem Bischof von Salzburg Fußball gespielt hat und seit Jahren Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde ist, schaffte es mit seinem Humor, dass er jedem seiner Zuhörer ein Lächeln auf die Lippen zaubert: “Ich bin ein Wunderkind in Salzburg, denn ich bin nicht nur der älteste jüdische Österreicher, sondern führe seit 32 Jahren die Gemeinde.” Letzteres würde er nicht machen, weil er jede Wahl gewinne, sondern weil keine Wahl mehr stattfinden würde.

Von Österreich im Stich gelassen

Feingold sprach vor seinen Zuhörern über den Verdrängungsmechnismus vergangener Jahrzehnte: “Alle waren dafür, aber keiner war dabei.” Er schilderte die schrecklichen und unmenschlichen Erlebnisse an Höllenorte wie Auschwitz, Mauthausen, Neuengamme oder Buchenwald, die Vertuschung des Todesdatums seines Bruders und den unablässigen Hunger und dass fast alle Häftlinge stehend gestorben sind. Der charismatische “Wahl-Salzburger”, dem nach Kriegsende von Karl Renner und Konsorten eine Rückkehr in seine Heimatstadt Wien verwehrt wurde, weil Juden dort nicht mehr willkommen waren, da die über 65.000 jüdischen Wohnungen von Nazis bezogen worden waren, sprach Tacheles: “Von den 28 Nationen, die im KZ Buchenwald inhaftiert waren, wurden 27 Nationen von ihren Heimatländern geholt, nur Österreich kümmerte sich nicht um uns.” Ohne Vorwürfe zu machen sprach er auch darüber, wie er 1947 über 100.000 jüdische DP’s (displaced persons) über Italien ins damalige Palästina und heutige Israel gebracht habe. Allein fünftausend Juden hat Feingold über die Krimler Tauern gebracht.

Große Fragerunde

Viele junge Besucher wollten im Anschluss an die Schilderungen, welche sprichwörtlich unter die Haut gingen, wissen, was dem Shoah-Überlebenden Kraft gegeben habe, die täglichen Tode zu überstehen oder stellten die Frage, wie er über den zunehmenden Populismus und Rechtsruck weltweit denke? Feingold: “Wir sind heute genauso weit wie 1945: Einer deckt den anderen, alles wird vertuscht, damit keiner zur Verantwortung gezogen werden kann. Man sieht, dass man von gestern nichts gelernt hat!”

 

 

 

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Feldkirch
  • Marko Feingold: "Als Nicht-Kommunist war Überleben im Lager sehr schwer"