In Skihosen sitzt der 45-jährige Tobias auf der Couch in seiner eiskalten Sozialwohnung. Mit dem Heizkostenzuschuss hat er einen Spielautomaten gefüttert, außer ein paar Zwiebeln und einer Dosensuppe herrscht in seinem Kühlschrank gähnende Leere. Dem W&W-Fotografen will er sein Gesicht nicht zeigen. Zu groß ist die Angst vor eventuellen Vergeltungsaktionen der Betreiber, die in Vorarlberger Hinterzimmern mit illegalen Automaten täglich tausende Euro verdienen. „Wenn mich jemand erkennt, bin ich tot. Ich wäre sicher nicht der erste”, erklärt er besorgt.
Zuckerbrot und Peitsche
In eben solchen Hinterzimmern ist Tobias Anfang des Monats immer ein gern gesehener Gast. Wer Geld hat, ist willkommen: „So lange man spielt, ist in diesen Lokalen alles gratis”, sagt Tobias. „Wenn man dann auszahlen lassen möchte, wird man noch auf einen Schnaps oder ein Bier eingeladen und gedrängt, doch weiter zu spielen.” Dann probiere man halt noch einen Zehner, wenn der verloren sei einen Fünfziger und bevor man seine Zigarette fertig geraucht habe, sei der ganze gewonnene Tausender wieder weg. Nicht selten werde dann aus lauter Ärger über den Verlust sogar noch Geld ausgeliehen. Tobias kennt einige Spieler, die so in nur einer Nacht 10.000 Euro und mehr verspielt haben. „Wenn das Geld dann nicht in kürzester Zeit zurückgezahlt wird, drohen die Betreiber mit Gewalt, Verstümmelung und Schlimmerem. Damit fängt der Teufelskreis am Rande des finanziellen Ruins an, denn Kontrollen oder gar Suchtprävention gebe es keine. Auch auf Alterskontrollen werde weitgehend verzichtet. Wer Geld hat, soll spielen.
Kein Loskommen
Vor etwa acht Jahren hat Tobias an einer Tankstelle zum ersten Mal Geld in einen Spielautomaten gesteckt. „Damals habe ich in der Schweiz gearbeitet und monatlich 8000 bis 9000 Franken verdient. Da ich gut verdient habe, hab ich mir auch keine großen finanziellen Sorgen gemacht”, erinnert er sich. Mittlerweile ist er zwar am Boden der Realität angekommen, das Spielen aufzugeben ist für ihn aber keine Option. „Ich habe jetzt etwa einen Monat lang nicht gespielt”, bemerkt Tobias. „Das wird erfahrungsgemäß aber nicht so bleiben”, fügt er gleich hinzu. Dass man bei diesen Automaten nicht gewinnen kann, sei ihm mittlerweile vollkommen klar. „Wenn du nur durch diese Tür gehst, hast du schon verloren”, sagt er. „Ich hab mir dann oft gedacht: Ich hab eh schon kein Geld, aber wenn ich gewinne, kann ich mir vielleicht mal was gönnen.” Dass ihn seine Freundin verlassen hat, sei ein neuer Tiefpunkt für ihn. „Ich kann das verstehen. Niemand braucht einen Mann, der am Monatsersten schon den ganzen Lohn verspielt”, sieht er ein. Tobias komme aber trotzdem nicht von der Spielsucht los, die seiner Meinung nach schwieriger zu überwinden sei, als Tabak- oder Alkoholabhängigkeit. Insgesamt habe er bisher rund 150.000 Euro an die Betreiber von Automaten verloren.
3 Warnzeichen für Spielsucht
- Wer sich zum Spielen Geld leiht oder es sogar auf illegale Weise beschafft, ist sehr stark gefährdet, spielsüchtig zu werden.
- Nach Verlusten mit höheren Einsätzen zu spielen, ist gefährlich. Wenn man immer häufiger und um mehr Geld spielt, wird es kritisch.
- Der innere Drang zu spielen, ist ein eindeutiges Zeichen. Wer ohne Glücksspiel nicht glücklich sein kann, hat ein großes Problem.
3 Fragen an Hubert Häusler (Casino Bregenz)
- Wie sieht Suchtprävention im Casino aus?„Wir achten bei unseren Gästen auf drei Indikatoren: Spielfrequenz, Verweildauer und Spielintensität, also die Höhe der Einsätze. Wenn sich das normale Muster ändert, wer- den wir hellhörig. Wenn jemand zum Beispiel das vierte Mal im Monat zu uns kommt, laden wir ihn zu einem Beratungsgespräch ein. Wir weisen auf die Gefahren hin und erkundigen uns auch nach der finanziellen Situation. Dazu sind wir sogar gesetzlich verpflichtet.“
- Was kann man als Angehöriger tun?
„Besonders wichtig ist die rechtzeitige Konfrontation mit dem Problem. Wenn es zu spät ist, sind diese Bemü- hungen leider fruchtlos, denn ein Spielsüchtiger wird in so einem Fall immer abblocken. Auch wir im Casino bekommen hin und wieder Anfragen von Angehörigen, die sich Sorgen machen. In diesen Fäl- len raten wir immer – am besten gemeinsam mit dem Betroffenen – eine der ausgewiesenen Bera- tungsstellen aufzusuchen.“ - Wohin kann man sich wenden?
„Wenn der Betroffene ein- sieht, dass er ein Problem hat, ist das in vielen Fällen schon der erste Schritt zur Bes- serung. Hier in Vorarlberg gibt es mehrere Stellen, an denen Spiel- süchtigen Hilfe angeboten wird. Die Supro, die Beratungsstelle Clean, die ifs Schuldenberatung aber oder auch die Stiftung Maria Ebene sind hier sehr kompetente und erfahrene Ratgeber.“
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