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Wiener Kurdenmorde erschütterten vor 30 Jahren Österreich

Die Empörung über die Morde war 1989 österreichweit groß
Die Empörung über die Morde war 1989 österreichweit groß ©APA - Georg Hochmuth
Die Ermordung der drei Kurdenführer in Wien ist bis heute ein Rätsel. Die Tatverdächtigen tauchten in der iranischen Botschaft unter und konnten in Folge unbehelligt aus Österreich ausreisen.

Vor 30 Jahren, am 13. Juli 1989, wurden in einer Wiener Privatwohnung der Chef der Kurdischen Demokratischen Partei/Iran, Abdul Rahman Ghassemlou, sein Stellvertreter Abdullah Ghaderi-Azar und der in Österreich eingebürgerte Kurde Fadel Rasoul bei einem Geheimtreffen mit Emissären der Teheraner Führung ermordet.

Die Tatverdächtigen tauchten in der iranischen Botschaft unter und konnten nach Interventionen der iranischen Regierung unbehelligt ausreisen; einer von ihnen wurde sogar unter Polizeischutz zum Schwechater Flughafen geleitet.

So äußerte sich Peter Pilz damals

Nach Darstellung des damaligen Grünen Parlamentariers Peter Pilz, der sich jahrelang mit dem Fall beschäftigte, saß zumindest ein Akteur von damals in höchster Position: Der frühere iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad höchstpersönlich sei "dringend verdächtig", an der Ermordung der drei Kurdenführer in Wien beteiligt gewesen zu sein. Möglicherweise habe er selbst geschossen, dies lasse sich allerdings nicht mehr eindeutig eruieren.

Laut Aussage eines deutschen Waffenhändlers aus dem Jahr 2006, so Pilz, habe es in der ersten Juliwoche 1989 ein Treffen in der iranischen Botschaft gegeben. Bei diesem Treffen sei auch ein "gewisser Mohammad", welcher "später Präsident der iranischen Republik wurde", anwesend gewesen. Zweck dieses Treffens seien laut Protokoll illegale Waffenlieferungen gewesen.

Empörung über die Morde war groß

Der damalige Außenminister Alois Mock (ÖVP) sprach im Zusammenhang mit den Tötungen von einer "Schweinerei", am Ballhausplatz war von "erpresserischen Methoden der Iraner" die Rede. Der damalige Chef der Politischen Sektion des Außenamts, Botschafter Erich Maximilian Schmid, sagte im April 1997 nach seiner Pensionierung in einem TV-Interview, der iranische Botschafter habe "mit ziemlicher Klarheit" zu verstehen gegeben, dass "es gefährlich werden könnte für die Österreicher im Iran", sollten die Tatverdächtigen in Österreich vor Gericht gestellt werden. Über die iranischen Drohungen war nach Angaben Mocks auch der damalige Außenamts-Generalsekretär und spätere Bundespräsident Thomas Klestil informiert.

Am 30. November 1989 sagte Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) nach einem Treffen mit dem Chef der Terrorbekämpfungsabteilung im US-Außenamt, Morris Busby, dass Haftbefehle gegen die Tatverdächtigen erlassen worden seien. Allerdings hatte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Robert Danzinger, am Vortag per Weisung die Überwachung der iranischen Botschaft "reduzieren" lassen.

Druckmittel gegen Österreich

Im August 1991 erklärte der in Frankreich im Exil lebende Ex-Präsident Abolhassan Bani-Sadr, Teheran besitze ein Druckmittel gegen Österreich, nämlich die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im irakisch-iranischen Golfkrieg. In der Noricum-Affäre war eine Woche vor dem Attentat eine Voruntersuchung gegen die SPÖ-Politiker Altbundeskanzler Fred Sinowatz, Ex-Außenminister Leopold Gratz und Ex-Innenminister Karl Blecha eingeleitet worden.

Am 17. August 1992 wurde Ghassemlous Nachfolger Sadegh Sharafkandi nach einer Tagung der Sozialistischen Internationale (SI) mit drei Mitarbeitern im Restaurant "Mykonos" in Berlin ermordet, der Lokalbesitzer lebensgefährlich verletzt. Sharafkandi hätte am darauffolgenden Tag nach Wien kommen sollen. Österreichische Beamte sagten im deutschen "Mykonos"-Prozess aus, dass sich der Iran für die mutmaßlichen Attentäter von Wien eingesetzt hatte. Die deutsche Justiz warf dem Iran Staatsterrorismus vor. Nach ihren Erkenntnissen wurden auch die Wiener Morde von der obersten iranischen Führung angeordnet. Das "Mykonos"-Urteil veranlasste die EU-Staaten, ihre Botschafter 1997 vorübergehend aus Teheran abzuziehen.

Im November 1992 wurde die Amtshaftungsklage der Ghassemlou-Witwe in Wien in dritter Instanz abgewiesen; die Republik Österreich bescheinigte ihren Organen, dass es "keinerlei schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten" gegeben habe. Grüne und Liberale scheiterten 1997 mit ihrer Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung möglicher Vertuschungsversuche am Widerstand der Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP.

Von einem "bösen, brutalen und vorbereiteten Verbrechen" sprach der damalige Nationalratspräsident und spätere Bundespräsident Heinz Fischer bei einer Gedenkfeier zu Ehren von Ghassemlou. Es sei "bitter und traurig", dass die Aufklärung im Einzelnen und die Bestrafung der Täter nicht zustande gekommen seien.

2016 forderte der Nachfolger Ghassemlous Österreich auf, das Verfahren gegen die Verdächtigen wieder aufzurollen und die Hintermänner im Iran zur Verantwortung zu ziehen. "Damals hat Österreichs Regierung die Mörder ziehen lassen und damit gegen die Gerechtigkeit verstoßen. Seither ist klar: Österreich schuldet dem kurdischen Volk im Iran noch etwas", sagte Mustafa Hejri (Hijri), Generalsekretär der "Demokratischen Partei Kurdistans Iran" (PDKI) im Interview mit der "Presse". Das Gespräch wurde im Exil-Hauptquartier der PDKI nahe der nordirakischen Stadt Koya geführt.

Der Fall Ghassemlou überschattete die Beziehungen zwischen Österreich und dem Iran nicht all zu lange. Bereits 1991 - drei Jahre nach den Morden - besuchte der damalige Bundespräsident Kurt Waldheim als erstes westliches Staatsoberhaupt seit 1979 die Islamische Republik. 1999 kam Thomas Klestil als erster Präsident eines EU-Landes nach Teheran, 2004 absolvierte er einen Staatsbesuch. Auch der als Reformer angetretene iranische Präsident Mohammad Khatami war öfters in Österreich. Unter dem Hardliner-Präsidenten Ahmadinejad kühlte sich das Verhältnis wieder ab. Nachdem am 14. Juli 2015 der Iran das Atomabkommen mit den fünf UNO-Vetomächten und Deutschland abgeschlossen hatte, nahm der damalige Bundespräsident Heinz Fischer als erstes Staatsoberhaupt eines EU-Landes die Einladung des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani zu einem Besuch in Teheran an.

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