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"Kulturtreter" und kreativer Don Quijote

Ich bin froh, dass meine Zeit der „Unsterblichkeit“ vorbei ist.
Ich bin froh, dass meine Zeit der „Unsterblichkeit“ vorbei ist. ©MiK
Spielboden GF Peter Hörburger erzählt im Sonntags-Talk über seine „wilde“ Jugend, Risiken in der Branche und seinen Hang zur Widerständigkeit.

WANN & WO: Zweieinhalb Jahre Geschäftsführer im Spielboden – wie lautet dein Resümee?

Peter Hörburger: Ich komme nicht aus der Spielboden-Familie und habe einige Zeit gebraucht, um die Institution als Ganzes zu erfassen. Es war für mich Neuland, auch weil ich über 20 Jahre nicht in Vorarlberg gelebt habe. Inzwischen läuft es aber wie am Schnürchen und ich fühle mich wohl.

WANN & WO: Bist du wieder in Vorarlberg angekommen?

Peter Hörburger: Ich glaube, Vorarl­berg besitzt große Parallelen, beispielsweise zu einem Bezirk in Wien oder Berlin. Die Menschen bewegen sich auch nicht in wesentlich größeren Radien und das Angebot im Rheintal kann durchaus mithalten. Ich schätze die Lebensqualität. Ich kehre auch nicht zurück sondern sehe den Wechsel als Teil meiner Reise. Wo die hingeht, will ich lieber nicht wissen.

WANN & WO: Beim Freakwave-Festival hast du dir quasi die veranstalterischen Sporen verdient. Wie waren die damaligen Anfänge?

Peter Hörburger: Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr genau, wie das Freakwave entstanden ist (schmunzelt). Ich wollte immer schon in Lochau gemeinsam mit meinen Freunden und Bekannten etwas machen. Mit der Unterstützung der Gemeinde hat sich das Ganze dann positiv entwickelt – die Verknüpfung von Sport mit Kultur halte ich für sinnvoll. Als das Freakwave dann nach Bregenz umzog und so richtig Fahrt aufnahm, wurde das Risiko natürlich auch größer – inzwischen hatten wir ja ein Festival mit Besucherzahlen von 15.000 Leuten. Das hohe Risiko eines Festivals in Seenähe hab ich zwar als Einzelunternehmer getragen aber irgendwie war es auch emotional auf viele befreundete Schultern verteilt. Ich bin aber kein Typ, der vergangenen Sachen nachhängt. Bevor es zu einem kommerziellen Projekt wird, bin ich meistens weg. Was bringt es mir, wenn ich mehr Geld verdiene? Dann muss ich mich nur mit den größeren Geldschefflern herumschlagen. Ich trinke lieber mit Freunden ein Bier auf einer Veranstaltung, als dass ich mit vermeintlichen Geschäftspartnern in einer sogenannten VIP-Lounge ein Glas Barolo trinken muss.

WANN & WO: Welchen Stellenwert genießt Kunst bei dir?

Peter Hörburger: Ich persönlich kann mit diesem Begriff überhaupt nichts anfangen, ich tendiere eher in Richtung Kreativität, Initiative, Widerständigkeit oder gesellschaftliche Auseinandersetzung. Wenn jemand von sich behauptet, ein Künstler zu sein – na servas (schmunzelt). Der Kunstbetrieb rückt das kapitalistische Element in den Mittelpunkt, innerhalb eines Tages von Null auf eine Million.

WANN & WO: Und wie stehst du zu einem hochtrabenden, elitären Kunstbetrieb?

Peter Hörburger: Der Spielboden ist für alle da und macht auch für alle etwas. Wir sehen uns als ehrliche Kulturinitiative, damit kann ich etwas anfangen. Der angesprochene Kunstbetrieb ist etwas für wenige – Salons, geschlossene Gesellschaften usw. Diese Leute wollen nicht mit dem sogenannten Pöbel feiern, der Pöbel finanziert das aber sehr oft. Das ist mir einfach zu fad. Die müssen auch über alles drüber lesen, bevor sie davon sprechen können. Wiederkäuen wäre eigentlich eher was für Kühe.

WANN & WO: Hat sich dein Werdegang schon früh abgezeichnet?

Peter Hörburger: Anfangs waren es die Schulen, mit Autorität kam ich nie wirklich klar. Also musste ich einen Weg finden, an ihr vorbei zu kommen. Meine Lebensplanung hat auch nie einen speziellen Plan verfolgt. Ich hatte das große Glück, als viertes Kind in einem tollen Umfeld aufzuwachsen. Und als jüngster, sturer „Seckel“ ließ man mich dann machen. Die anderen waren ja bereits auf Schiene (schmunzelt). Es fing schon in der Volksschule an, als ich mich geweigert habe, den Füller so zu halten, wie die Lehrer wollten. Diese Widerständigkeit war immer schon in mir drin.

WANN & WO: Wie verlief deine „Sturm und Drang“-Phase?

Peter Hörburger: Ich bin froh, dass meine Zeit der „Unsterblichkeit“ vorbei ist. Das konsequenzfreie in den Tag hinein leben und denken, dass man niemals 30 wird, habe ich hinter mir gelassen. Ich bin ja auch schon über 40 – gewisse Freiheiten nehme ich mir immer noch heraus. Raubbau an mir selbst betreibe ich aber nicht mehr.

WANN & WO: Wien, Prag, Amsterdam oder auch ein Auslandsaufenthalt im Iran – wie haben sich deine Perspektiven verändert?

Peter Hörburger: Ich liebe das Reisen auf der Straße und bewege mich dort, wo sich die Leute bewegen – nie in Hotels, außer wenn man mal eine Badewanne braucht. Ein Land wie der Iran mit einem totalitären Regime und gleichzeitig der größten Gastfreundschaft, die mir je begegnet ist. Ursprung der Reise war eine „United Against Racism“-Konferenz in Baku. Im Iran habe ich dann meinen Vortrag über Antisemitismus in Ost-Europa vorbereitet. Wäre sicher spannend für mich und meine Person geworden, wenn man meine Unterlagen eingesehen hätte, unter dem Regime von Ahmadinedschad (schmunzelt). In Prag habe ich studiert und verlebte eine unbeschwerte Zeit, am meisten geprägt hat mich aber der Aufenthalt in Amsterdam. Dort habe ich mein Studium abgeschlossen und die Weichen in Richtung Beruf gestellt. Von ganz unten ohne Netzwerk oder finanzielle Mittel – wir haben einfach Häuser, die leer gestanden sind bespielt. Ein Konzept, dass ich nach wie vor sehr wichtig finde.

WANN & WO: Was war deine erste Veranstaltung?

Peter Hörburger: Der HAK-Ball im Bregenzer Festspielhaus. Das war glaube ich auch der Grund, wieso ich die Schule geschafft habe.

WANN & WO: Flexibilität als Schlüsselqualifikation eines Veranstalters. Was waren deine extremsten Situationen, mit denen du klar kommen musstest?

Peter Hörburger: Überschwemmungen. Bei einem Freakwave in Lochau stand die Wiese nach mehrtägigem Regen unter Wasser. Die Wakeboard-Anlagen sind kaputt gegangen und wir standen kurz vor dem Aus. Das gesamte Team hat Unmögliches geleistet, Feuerwehr und heimische Unternehmen haben uns unter die Arme gegriffen. Das Wetter hat dann gewechselt und die Leute haben unseren Einsatz auch honoriert. Sie wussten auch, wenn sie nicht mehr kommen würden, wäre dies das Ende der Veranstaltung gewesen. 48 Stunden ohne Schlaf und dann die Erlösung am Sonntag – schlussendlich ein Erfolg, für alle Beteiligten.

WANN & WO: Wie kannst du abschalten und zur Ruhe kommen?

Peter Hörburger: Glücklicherweise kann ich einfach den Schalter umlegen und dann abschalten, manchmal braucht es auch einfach eine Mountainbike-Tour auf den Pfänder. Momentan liegt das Hauptinteresse bei meiner Tochter, mit der ich viel Zeit verbringe.

WANN & WO: Deine beste und deine schlechteste Eigenschaft?

Peter Hörburger: Widerständigkeit und Widerständigkeit.

WANN & WO: Siehst du dich als kulturellen „Don Quijote“?

Peter Hörburger: Anfangs dachten wohl einige, dass ich als „Junger Wilder“ eine Hipster-Bude aus dem Spielboden mache. War aber nie mein Ziel. Ich schätze die Jugendkultur als Antrieb und kann mich mit dem Kulturauftrag des Spielbodens bestens identifizieren. Die Herausforderung lag eher im privaten Bereich.

WANN & WO: Vaterrolle und Beruf – deine Tochter lebt inzwischen wieder in Wien. Wie bringst du das alles unter einen Hut?

Peter Hörburger: Ich lerne momentan unglaublich viel von meiner wunderbaren Tochter. Kinder sind wesentlich klüger als Erwachsene, gerade in puncto unabhängiger Denkweise. Gegenüber dem Vorstand habe ich klar kommuniziert, dass ich meine Tochter jede Woche zwei Tage sehe. Mein momentan bestes Büro ist das Zugabteil. Und auf dem Spielplatz in Wien tummelt sich auch der ein oder andere Kulturschaffende, mit dem wieder neue Synergien entstehen.

WANN & WO: Unterscheidet sich das Vorarlberger vom Wiener Publikum?

Peter Hörburger: Das hängt immer von der Vorarbeit in der Region ab. Ich glaube nicht, dass sich die Vorarlberger wesentlich unterscheiden. Überzeugungskraft und Konsequenz ist überall von Nöten, um ein Publikum zu gewinnen.

WANN & WO: Wenn du das Rad der Zeit zurückdrehen könntest, würdest du etwas verändern?

Peter Hörburger: Einerseits kann ich das nicht, andererseits will ich das nicht. Den ganzen Blödsinn, den ich gemacht habe, finde ich inzwischen erfrischend. Ich kann über mich lachen, auch über die Zeit, als man sich selbst zu wichtig genommen hat. Ich fände es eher schade, wenn ich das alles nicht gemacht hätte.

WANN & WO: Fußball EM – Wie beurteilst du die Situation für Österreich (Stand vor dem Portugal-Spiel)?

Peter Hörburger: Wenn man sich die Reaktionen auf die Niederlage gegen Ungarn angesehen hat, kann ich nur sagen: „Geht’s scheißen!“. Wenn die Euphorie schon wegen einem verlorenen Spiel flöten geht, sollte man sich anderweitig umschauen. Umso mehr sollte man unser Team unterstützen. Für den Spielboden war das EM-Quartier eine logische Weitererzählung unseres Programms. Schön ist das gemischte Publikum – von Leuten aus der Tanz-Szene bis hin zur Putzfrau ist alles vertreten. Alle sind auf derselben Ebene, ohne Logen.

WANN & WO: Football Against Racism, Refugees Welcome – Wie stehst du zur aktuell aufgeladenen Stimmung in Sachen Flüchtlingssituation in Österreich oder Europa?

Peter Hörburger: Wenn ein Volksvertreter Eigennutz vor Gemeinnutz stellt, ist er kein Volksvertreter. Ängste sind da und auch nachvollziehbar. Sie sollten aber nicht grundlos befeuert werden. Dabei handelt es sich um eine Frage der Kanalisierung in der Tagespolitik, egal ob in Frankreich oder Österreich. Mich stört die Mutlosigkeit und die Verantwortungslosigkeit gegenüber einer Aufgabe, der man sich stellen muss.

WANN & WO: Wenn du unbegrenzte Mittel zur Verfügung hättest, was wäre deine Traumveranstaltung?

Peter Hörburger: Ich glaube, das wäre für mich das mit Abstand Fadeste, was ich mir vorstellen könnte. Das kann ja jeder.

Wordrap

Spielboden: ganz schön bunt
Kunst: na servas
Musik: überlebensnotwendig
Liebe: Herausforderung
Familie: Basis
Heimat: bist du großer Töchter
Vorarlberg: lässig
Wien: leiwand
Anerkennung: lieber nicht
Fremdenhass: für „Schwachonis“

Zur Person

Name, Beruf: Peter Hörburger, GF Spielboden
Geburtstag, Wohnort: 17. Juli 1973, Lochau
Werdegang: HAK Bregenz, WU Wien, Post-Graduate an der Angewandten, PH Taufrisch Agentur
Familienstand: Tochter Lia

Spielboden EM-Quartier

Fußball mit Wumms! Der Spielboden überträgt alle EM-Spiele, indoor und outdoor. Neben Spielburger, Grillwurst & Co. gibt es auch ein vegetarisches Angebot. Infos: www.spielboden.at

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