Ein Rätsel
Warum nun die Brutkolonie nicht mehr genutzt wird, ist auch Vogelkundlern nicht klar. Sicher hatten die Abwehrmaßnahmen Auswirkungen, warum aber kein einziges Nest mehr angelegt wurde, ist ein Rätsel, sagt auch der Experte Alwin Schönenberger. Eine Rolle spielte mit Sicherheit das Fällen und spätere Absterben der Brutbäume an der Fußacher Bucht. Die bevorzugten Weiden sind infolge der Verkotung abgestorben, nur noch wenige kahle Stämme blieben stehen und bieten ohne Seitenäste keine Nistplätze mehr. In niedrigen Büschen oder am Boden brüten die Vögel nur im Notfall.
Die Vergrämungen am Vorarlberger Ufer sehen die deutschen Fischer mit scheelen Blicken. Ihr vertreibt sie, dafür kommen sie zu uns, lautet der Zuruf von Norbert Knöpfler, des Vorstandes der Baden-Württembergischen Berufsfischer, über den See. In der Kolonie im Eriskircher Ried brüteten schon im Vorjahr 150 Kormoranpaare, heuer nahm die Kolonie noch weiter zu. Eher stabil blieb dagegen die Zahl der Brutvögel in der kleineren Ansiedlung bei Radolfzell. Das Schweizer Ufer blieb frei von Kormoranbruten, dort bieten sich keine Nistgelegenheiten.
Gesamtzahl gleich
Die Gesamtzahl der Kormorane am Bodensee blieb in etwa gleich wie in den Vorjahren, wenn auch die Brut an der Fußacher Bucht erloschen ist. Die Gesamtpopulation schwankt je nach Jahreszeit stark, wie Harald Jakobi von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee ausweist. Im Dezember 2010 wurden am ganzen See 472 Exemplare gezählt, im März 2011 waren es noch 374 Stück. Dann setzte der vor der Brutzeit übliche starke Zuzug ein, bis Mitte April dieses Jahres stieg die Gesamtzahl auf 1075 Exemplare an.
Ledige am Rheinspitz
Wenn auch am Vorarlberger Seeufer das Brüten aufgegeben wurde, die Kormorane sind keineswegs verschwunden, ihr Bestand ist alles andere als gefährdet. Auf dem Pfahlschlag an der Ostseite des Rheinspitzes unter Gaißau versammeln sich täglich über 100 Kormorane. Wie ihr noch bräunliches Federkleid mit weißlicher Brust verrät, sind sie fast ausschließlich Ledige. Kormorane sind erst ab dem dritten Lebensjahr geschlechtsreif, nur selten brüten sie bereits im 2. Jahr. Diese Singles am Rheinspitz, die natürlich ebenfalls Hunger haben, gehen zum Ärger der Fischer täglich auf Fischjagd. Eine einst befürchtete Ausrottung der Kormorane, die die EU zu Totalschutzmaßnahmen veranlasste, ist nicht mehr zu befürchten. Nach Schätzungen hat sich der noch in den 1970er-Jahren bedrohte Vogel in Europa wieder auf 1,5 bis 2 Millionen Exemplare vermehrt. (VN-GG)
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