Kommt jetzt doch Dreier-Koalition? NEOS verhandeln wieder mit

Bei den Regierungsverhandlungen sind am Freitag Versuche unternommen worden, die NEOS in eine Dreier-Koalition zu bewegen. Die diesbezüglichen Gespräche mit ÖVP und SPÖ dauern seit dem Vormittag, am Abend will man die Öffentlichkeit informieren. Ein Termin in der Hofburg wird am Freitag hingegen nicht mehr stattfinden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird indes langsam ungeduldig. In einer Aussendung vom Nachmittag mahnt das Staatsoberhaupt Kompromissfähigkeit ein.
Eigentlich war gestern schon erwartet worden, dass die Spitzen von ÖVP und SPÖ in der Hofburg vorstellig werden, nachdem man sich in Sachen Budget geeinigt hatte. Nach der Entscheidung, es noch einmal mit den NEOS zu versuchen, verzögert sich nun aber alles weiter. Schon der Parteivorstand der NEOS dürfte länger gedauert haben als geplant. Nämliches gilt nun für die Dreier-Gespräche, die als eher zäh beschrieben werden.
"Es geht ums Staatsganze"
Van der Bellen wurde nun selbst aktiv. In einer Aussendung "erinnert" er alle Parteien daran, dass Kompromiss ein anderes Wort für eine gemeinsame Lösung sei. Eine funktionierende Demokratie brauche den Mut, Meinungen zu verteidigen, aber auch die Weisheit, Lösungen im Kompromiss zu finden. Dieser sei keine Schwäche, sondern der Schlüssel zu nachhaltigen und gerechten Entscheidungen in einer Demokratie: "Denn es geht nicht um Einzelinteressen. Es geht ums Staatsganze."
ÖVP, SPÖ, NEOS werden sich äußern
In einer gemeinsamen Aussendung von ÖVP, SPÖ und NEOS heißt es dazu Freitagnachmittag, dass die Worte des Bundespräsidenten ernst genommen würden. Ein Termin in der Präsidentschaftskanzlei sei heute nicht zu erwarten. Es sei jedoch klar, dass es noch heute in den Abendstunden Stellungnahmen der Parteien zum Stand der Gespräche geben wird. Noch unklar ist, ob diese getrennt oder gemeinsam abgegeben werden.
Dass die NEOS formal wieder in eine Koalition einbezogen werden könnten, ist dem Vernehmen nach sowohl der Wunsch der ÖVP als auch der Wiener SPÖ. Weite Teile der Sozialdemokraten hätten sich eher flexiblere Partnerschaften mit den drei Oppositionsparteien vorstellen können. Dass man es jetzt noch einmal versucht, ist insofern ein wenig überraschend, als die NEOS die SPÖ - vor allem deren Chef Andreas Babler - beim Scheitern der ersten Dreier-Verhandlungen mit teils heftiger Kritik überzogen hatten.
Zwei Ministerien für NEOS?
Nun dürften ihnen zwei Ressorts offeriert worden sein. Dabei soll es sich um Bildung und Äußeres handeln. Kernstück der ÖVP-Ministerien wären neben dem Kanzleramt die Agenden für Inneres, Verteidigung, Wirtschaft und Landwirtschaft. An die SPÖ gingen unter anderem Finanzen, Soziales, Infrastruktur und Frauen. Justiz könnte bei der ÖVP landen, allenfalls statt Äußeres noch zu den NEOS wandern. Interessant werden könnte die Besetzung des Bildungsressorts, für das eigentlich der Wiener Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) Favorit war. Der sollte aber in zwei Monaten in Wien als Spitzenkandidat die Landtagswahl schlagen.
Was die weiteren Schritte angeht, ist zumindest noch mit einigen Tagen an Verhandlungen zu rechnen. Dass die Regierungserklärung schon bei der regulären Sitzung des Nationalrats kommenden Mittwoch gehalten werden kann, wäre nur möglich, wenn es doch zu einer Zweier-Koalition kommt. Auf der Tagesordnung, die am Freitag festgelegt wurde, findet sich keine Regierungserklärung, dies könnte jedoch noch kurzfristig geändert werden. Die NEOS müssten für ein Regierungsübereinkommen noch ihre Mitglieder befragen. Eine entsprechende Versammlung dürfte kommenden Freitag stattfinden. Fix ist diese nicht.
So schwierig macht die Regierungsbildung diesmal auch der geringe Spielraum für gemeinsame Projekte angesichts des großen Konsolidierungsbedarfs. Auch Finanzminister Gunter Mayr geht mittlerweile von einem Defizit in Höhe von rund 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, wie er am Freitag im Budgetausschuss des Nationalrats erklärte. Grund sei vor allem die negative Entwicklung des Beitrags der Länder und Gemeinden, so Mayr laut Parlamentskorrespondenz. Wifo und IHS hatten bereits im Dezember für 2025 ein staatliches Budgetdefizit von 4,2 bzw. 3,8 Prozent des BIP prognostiziert.
FPÖ will Neuwahlen
Die Aussicht auf die Dreier-Koalition lässt die bei der Regierungsbildung gescheiterten Freiheitlichen nicht kalt. Gar von einem "Wählerbetrug" durch eine "Verlierer-Ampel" schreibt Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. Der "klare Wählerwille" werde durch "das System" umgangen. "Wohlstandszerstörung", "Sicherheitschaos" und "illegale Masseneinwanderung" ist das, was Schnedlitz erwartet. Daher fordert er Neuwahlen.
Viele NEOS-Forderungen bisher ohne Gegenliebe
Nehmen ÖVP und SPÖ nun tatsächlich die NEOS wieder mit ins Koalitionsboot, müssen einige Differenzen bereinigt werden. Aus den im Jänner geleakten Protokollen zu den zu Jahreswechsel gescheiterten Verhandlungen der Drei geht hervor, woran es sich aufseiten der NEOS spießte.
Weitgehend auf Rot gestellt - und damit ohne Einigung - blieben die Ideen der NEOS zur Bundesstaatsreform, zur Kürzung von Werbeausgaben und der Parteienfinanzierung, zur Objektivierung bei Postenbesetzungen und zur Entpolitisierung der Gremien von ORF und Sozialversicherung.
Im Bereich Budget und Steuern setzten sich die NEOS für eine Zweckwidmung des Konsolidierungserfolgs für eine Einkommenssteuerreform sowie eine gesetzliche Ausgabenbremse ein. Beides blieb auf Rot gestellt. Im Gesundheitsbereich bissen sich mit der Forderung nach Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens aus einer Hand auf Granit.
Bei der Lohnnebenkostensenkung waren sich NEOS und ÖVP einig, hier bremste die SPÖ. Im Verkehrsbereich blieben die NEOS mit dem Wunsch nach Reformen bei Dienstwägen und beim Dieselprivileg allein.
Wenig Freude hatten ÖVP und SPÖ auch mit den NEOS-Wünschen zur Pensionsreform, konkret der Koppelung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung. Den Bildungsbereich komplett in Bundeskompetenz zu legen und eine "Mittlere Reife" einzuführen, blieb ebenfalls "rot".
Die NEOS forderten etwa - so wie zuletzt auch die FPÖ - eine Reform der Kammern inklusive eines Endes der Pflichtmitgliedschaft. Sowohl ÖVP als auch SPÖ lehnten den Vorschlag ab. Auch die Wettbewerbsstärkung bei Energieversorgern ist ein Anliegen, mit dem sich die NEOS nicht durchsetzen konnten.
Offen blieb auch vieles im Bereich der Landesverteidigung, wobei hier in den Protokollen nicht klar ersichtlich ist, wer welche Forderung unterstützte oder nicht. Die NEOS taten sich in der Vergangenheit aber wiederholt mit der - bei den anderen unbeliebten - Idee einer europäischen Armee hervor.
"Je breiter und stabiler eine Regierung aufgestellt ist, umso besser"
SPÖ und ÖVP in den Ländern haben am Freitag abwartend bis vorsichtig positiv auf mögliche neuerliche Dreierverhandlungen mit den NEOS reagiert. Die NEOS hatten die SPÖ und vor allem deren Chef Andreas Babler nach dem Scheitern der ersten Gespräche teils heftig angegriffen, offene Kritik an einem etwaigen zweiten Anlauf mit den Pinken war beim APA-Rundruf bisher aus der Sozialdemokratie dennoch nicht zu hören. Einige schwarze Ländervertreter bewarben die Variante ÖVP-SPÖ-NEOS.
"Ich persönlich halte es schon aus, wenn es mit den NEOS geht", meinte der geschäftsführende SPÖ-Landesparteichef in Oberösterreich Alois Stöger, der sich aber auch eine Zusammenarbeit mit den Grünen vorstellen könnte. Er sei von der "totalen Ablehnung der ÖVP Richtung Grüne irritiert". Sollte aber keine Dreierkoalition zustandekommen, verfüge auch Schwarz-Rot über eine absolute Mehrheit. Vorarlbergs SPÖ-Landesparteivorsitzender Mario Leiter würde eine Regierungsbeteiligung der NEOS "sogar begrüßen". Grundsätzlich gelte seiner Ansicht nach: "Je breiter und stabiler eine Regierung aufgestellt ist, umso besser."
"Wir unterstützen in dieser Frage das nominierte Fünfer-Verhandlungsteam der SPÖ mit größtem Vertrauen", hielt Wolfgang Zwander, Landesgeschäftsführer der niederösterreichischen Sozialdemokraten, fest. Wichtig sei, dass in den Verhandlungen konkrete Inhalte im Vordergrund stünden. "Ich finde es gescheit, wenn man eine breite Mehrheit, also eine Mehrheit über das eine Mandat Überhang hinaus, zustande bringt", betonte wiederum Peter Eder, Arbeiterkammer-Chef und Sprecher der interimistischen Dreier-Spitze der Landes-SPÖ. Die konkrete Einbindung der NEOS werde aber Verhandlungsgegenstand sein. "Das Wichtigste ist aber, dass wir endlich zu einer Regierung kommen."
Kein Kommentar von Doskozil
Zurückhaltend gab sich Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser. "Zuerst muss alles fixiert sein, damit wir über Fakten reden können", hieß es aus seinem Büro. Positiv erscheine, dass es nun "gemeinsam und konstruktiv in die richtige Richtung für Österreich" gehen dürfte. "Eine Koalition, mit oder ohne NEOS, werden wir daran messen, ob die notwendigen Lösungen für die drängenden Probleme der Bevölkerung kommen. Dazu braucht es aber ein abgeschlossenes Verhandlungsergebnis und es sind alle gut beraten dieses abzuwarten", hieß es vom steirischen SPÖ-Chef Max Lercher, der sich zuletzt für eine Expertenregierung starkgemacht hatte. Der burgenländische SPÖ-Vorsitzende Hans Peter Doskozil, der sich zuletzt ebenfalls wiederholt für eine Expertenregierung und eine darauf folgende Neuwahl ausgesprochen hatte, wollte die aktuelle Situation nicht kommentieren.
In der ÖVP machte Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) einmal mehr Werbung für eine Dreierkoalition mit den NEOS aus - und sah mittlerweile auch die Weichen dafür gestellt. Die Verhandler hätten "gut im Blick, dass es ganz im Sinne der Demokratie Stabilität und stabile Mehrheiten braucht", erklärte Mattle am Rande einer Pressekonferenz gegenüber der APA. Eine Zweierkoalition aus ÖVP und SPÖ hätte hingegen "eine zu knappe Mehrheit".
Auch die steirische ÖVP-Landeshauptmannstellvertreterin Manuela Khom warb für eine Koalition, die "auf stabilen Beinen" stehe. "Wichtig ist, dass man sich auf Inhalte einigt und einen gemeinsamen Weg geht - mit welcher Partei auch immer. Wenn es ein gemeinsamer Weg mit den NEOS sein sollte, dann freut es mich."
Ähnlich klang Burgenlands ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz: "Je breiter eine Regierung getragen wird, desto besser, denn gerade in herausfordernden Zeiten ist Stabilität von entscheidender Bedeutung." Jetzt gelte es, nach vorne zu blicken und der neuen Regierung "eine echte Chance zu geben", so Sagartz. Aus den ÖVP-Landesparteien in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Kärnten gab es am Freitag auf APA-Anfrage keine Stellungnahme.
(APA/Red)
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