Koalition: Bankenabgabe nun im Zentrum der Verhandlungen

AK und ÖGB argumentieren ihre Forderung mit "historischen Höchstgewinnen" der Institute und dass diese die Hilfen der Steuerzahler während der Bankenkrise nur teilweise zurückgezahlt haben.
Banken mit Gewinn, Staatsverschuldung steigt
Alleine in den vergangenen drei Jahren hätten die österreichischen Banken insgesamt einen Gewinn von nahezu 30 Mrd. Euro eingefahren, rechnete ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth vor. Gleichzeitig würden Filialen geschlossen und Mitarbeiter abgebaut. Und vor allem: Hätte die Steuerzahler den Banken in der Finanzkrise nicht unter die Arme gegriffen, wäre die Staatsverschuldung nun um zehn Milliarden Euro geringer. Des Weiteren hätten die Bürger mit Garantien den Banken während der Corona-Pandemie ausgeholfen. Und obendrein hätten die Banken sinkende Zinsen nur schleppend an die Kunden weitergegeben.
Bankenabgabe als Koalitionsthema
Bei den Koalitionsverhandlungen rückt heute die Bankenabgabe in den Vordergrund. Denn erstmals wird diese freiheitliche Forderung in der dafür zuständigen Untergruppe offiziell behandelt. Zuletzt hatten sich hier bereits mögliche Kompromissformeln angedeutet. Indes schwirren diverse Gerüchte bezüglich der Gespräche von Tempo 150 über Verschärfungen für Asylwerber bis zu Corona-Entschädigungen durch die Medien. Am Donnerstag treffen die Parteichefs zusammen.
Dann könnte es auch sein, dass FP-Obmann Herbert Kickl und der VP-Vorsitzende Christian Stocker wieder einmal vor die Medien treten. Praktisch wäre es, wenn die beiden nach den Unstimmigkeiten vor allem vergangenes Wochenende von Fortschritten berichten könnten. Ob es die bei der Bankenabgabe geben wird, gilt als offen.
ÖVP scheint kompromissbereit
Die ÖVP war ja etwas vom Blitz gerührt, als die FPÖ vor wenigen Tagen diese Forderung lancierte. Denn die Volkspartei hatte das Scheitern der Gespräche mit der SPÖ unter anderem mit deren Verlangen nach einer Bankenabgabe begründet. Nun scheint man wohl auch mangels Alternative doch bereit, hier auf die Freiheitlichen zuzugehen.
So beziehen sich etwa die "Salzburger Nachrichten" auf Verhandlerkreise, wonach die Banken einen Fonds im dreistelligen Millionen-Bereich dotieren könnten, über den zwar nicht das Budget (mit-)saniert werden soll, der aber insbesondere Klein- und Mittelbetrieben, zugutekommen könnte.
Abgabe, die weniger weh tut
Offiziell dazu äußern sich aktuell wenige Vertreter der ÖVP. Einer davon ist der Wiener Neustädter Bürgermeister Klaus Schneeberger, der sich am Dienstagabend im ORF-"Report" dagegen aussprach, eine Abgabe kategorisch auszuschließen. Man müsse schauen, wie man diese zu Gunsten der Bevölkerung und der Wirtschaft gestalten könne, etwa mit dem Ziel günstigerer Kredite. Auf die Frage, wie er sich nun eine Abgabe vorstelle, meinte er: "Eine, die weniger weh tut."
Hälfte der EU-Länder greift auf Bankgewinne zu
"Eine Bankenabgabe ist eine Frage der Gerechtigkeit, sie belastet nicht die Konjunktur und ist angesichts der hohen Gewinne mehr als gerechtfertigt", betonte ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Schuberth. Die Banken hätten die Dividendenausschüttungen stark erhöht bzw. Aktienrückkäufe getätigt, anstatt im größeren Ausmaß Eigenkapital aufzubauen. Dass eine verstärkte Bankenbesteuerung die Kredite für die Kunden verteuert, wie von Gegnern der Abgabe argumentiert, entspreche nicht den Erfahrungen, die man mit einer vor 15 Jahren eingeführten Bankenabgabe gemacht habe. AK-Experte Dominik Bernhofer erinnerte vor Journalisten daran, dass fast die Hälfte der EU-Länder als Reaktion auf die Bankengewinne neue Steuern für Geldinstitute eingeführt habe.
Derzeit betrage das Aufkommen aus der 2011 eingeführten Bankenabgabe in Österreich lediglich 152 Mio Euro (bis 2023). Zwischen 2011 und 2016 betrug der Erlös demnach noch zwischen 500 und 600 Mio Euro. Die Arbeiterkammer zieht einen Vergleich: "Der AK Dividendenreport zeigt anhand der öffentlich verfügbaren Daten, dass die Ausschüttungen der börsengelisteten Unternehmen deutlich zugenommen haben. Für die fünf Banken an der Börse (Erste Group, Raiffeisen International, BAWAG, Bank Austria und Oberbank) bedeutet das summiert 1 Mrd. Euro Gewinnausschüttung 2021 sowie 1,7 Mrd Euro 2022 und 2,8 Mrd Euro 2023."
Das 2-Stufen-Modell von AK und ÖGB für eine Bankenabgabe sieht in der ersten Phase eine Anhebung der bestehenden Steuersätze auf 0,05 Prozent bis 20 Mrd. Euro bzw. 0,1 Prozent darüber vor. Das brächte ein Steueraufkommen von ca. 500 Mio. Euro und wäre im bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmen umsetzbar, glaubt die AK. In Stufe 2 soll ein befristeter Sonderbeitrag in der Höhe von 100 Prozent des Aufkommens aus Stufe 1 über 5 Jahre hereinkommen. Um die Maßnahme rechtlich abzusichern, sollte der Sonderbeitrag als Verfassungsbestimmung ausgestaltet werden.
SPÖ: Bankenabgabe "Gebot der Vernunft"
Zuspruch kam von der SPÖ. "Eine substanzielle Bankenabgabe - so wie das heute AK und ÖGB gefordert haben und die SPÖ in den Regierungsverhandlungen vorgeschlagen hat", sei ein "Gebot von budgetärer und sozialer Vernunft", sagte Budgetsprecher Jan Krainer. So hätten die Banken in der Krise "die höchsten Gewinne aller Zeiten gemacht, während alle anderen gezahlt haben, nicht zuletzt für die hohen Kreditzinsen", hieß es in einer Aussendung.
Nationalbank-Chef sieht in Abgabe "sinnvolle Wahl"
Vor einer Bankenabgabe warnt wenig überraschend der Bankensektor. Eine solche Abgabe würde wahrscheinlich die ohnehin schon eingeschränkte Kreditvergabe weiter drosseln, so Raiffeisen-Research-Leiter Gunter Deuber am gestrigen Dienstag. Die hohen Gewinne der heimischen Banken in den vergangenen Jahren seien durch den hohen Anteil an variablen Krediten und auch auf Sondereffekte zurückzuführen. Wifo-Bankenexperte Thomas Url wiederum meinte, eine Sondersteuer für nur eine Branche würde dem Standort eher schaden und könnte Investoren abschrecken. Die industrienahe Agenda Austria betonte gestern, es sei schwierig, einen Sektor herauszunehmen und mit einer Sondersteuer zu belegen.
Noch-Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann sah dies am Dienstag anders. Er sieht eine Bankenabgabe zur Budgetkonsolidierung als "sinnvolle Wahl". Fürsprecher findet die Bankenabgabe auch beim gewerkschaftsnahen Momentum Institut: "Die Banken waren einer der wenigen großen Gewinner der Teuerung und der hohen Zinsen der letzten Jahre. Ein angemessener Beitrag aus ihren Übergewinnen zum Sparpaket ist überfällig."
Und so sieht es in anderen EU-Staaten aus: Belgien, Niederlande und Slowenien besteuern Bankverbindlichkeiten ähnlich der österreichischen Stabilitätsabgabe. Zugriff auf die Nettozinserträge gibt es in Italien und Litauen. Eine zusätzliche Gewinnbesteuerung fällt in Spanien, Tschechien und der Slowakei an.
Kommt Tempo 150?
Die Bankenabgabe ist freilich nicht das einzige Thema, über das munter spekuliert wird. Dazu gehört etwa auch Tempo 150, das von freiheitlichen Verkehrsministern bereits in früheren Legislaturperioden erprobt wurde. "Kurier" und "Kleine Zeitung" schreiben, dass dieser Wunsch auch diesmal im freiheitlichen Verhandlungsprogramm aufscheint. Der Verkehrsclub Österreich sprach sich am Mittwoch schon einmal fürsorglich dagegen aus.
Corona wird Chef-Sache
Auch Corona wird die Verhandlungen noch prägen. Hier soll FPÖ-Vorstellungen zufolge nach dem Vorbild Niederösterreichs ein Corona-Entschädigungsfonds etabliert werden, der unter anderem auch Entschädigungen für Strafen wegen Verstoßes gegen Covid-Maßnahmen enthalten soll. Freilich ist Corona in den Gruppen-Verhandlungen dem Vernehmen nach bisher nicht detailliert besprochen worden. Das Thema dürfte wie etwa auch Skyshield oder die Europa-Politik in die Chef-Runde rutschen.
Schlechtere medizinische Versorgung für Flüchtlinge
Koalitionär wohl nicht allzu schwierig ist der Asyl-Bereich, wo sich die Linien der beiden Parteien in den vergangenen Jahren immer mehr angenähert hatten. Dennoch gibt es auch hier Diskussionsthemen. Laut "Kronen Zeitung" überlegt man sogar bei bereits anerkannten Asylwerbern medizinische Leistungen reduzieren, was aber dem Vernehmen nach bei der ÖVP auf wenig Begeisterung stößt.
In der Grundversorgung sollte es gemäß freiheitlichen Vorstellungen nur noch eine Notfall-Versorgung geben und von der Leistung auch noch Geld dafür abgezogen werden. Sobald man anerkannt ist, könnte man ein besseres Level an Betreuung erhalten, wenn man gewisse Integrationsziele erreicht. Ob all das rechtlich möglich ist, wird laut "Krone" jetzt durch ein Gutachten geklärt.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte am Mittwoch am Rande eines Pressetermins, er wolle sich zu den Regierungsgesprächen "in keiner Weise" äußern. Grundsätzlich betonte er aber, dass er "sehr stolz darauf" sei, "in einem Land zu leben, wo Menschen, die krank sind, auch versorgt werden. Das wird auch in Zukunft so sein." Aber da, wo ein System missbraucht werde, wolle er das bekämpfen.
(APA)
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