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Kleine Putschisten

©APA/HANS KLAUS TECHT
Gastkommentar von Johannes Huber. Gegenkandidaten von Van der Bellen werben damit, dass sie im Falle ihrer Wahl die Regierung entlassen würden. Das ist eine gefährliche Drohung.

Walter Rosenkranz, Gerald Grosz und Michael Brunner werden sich in der ersten Runde der Bundespräsidenten-Wahl im Oktober mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gegen Amtsinhaber Alexander Van der Bellen durchsetzen können. Das hat auch damit zu tun, dass sich die drei Herausforderer mit identischen Programmen gegenseitig schwächen: So sehr sie Corona-Maßnahmen ablehnen, so entschieden treten sie gegen die Sanktionen gegen Russland auf. Sie behaupten, dass diese der Neutralität widersprechen würden, wobei das besonders im Falle von Rosenkranz absurd ist: „Seine“ FPÖ hat in den vergangenen Jahren sehr gerne Partei ergriffen – für den Krieger Wladimir Putin.

Van der Bellens Gegenkandidaten werben auch damit, dass sie nach ihrer Wahl die Regierung entlassen würden. Grosz hat sich „verpflichtet“, das zu tun. Auch Brunner würde nicht lange fackeln, sondern umgehend dazu schreiten. Rosenkranz gibt die Wahrscheinlichkeit mit über 50 Prozent an: „Warum soll ein Bundespräsident die in der Verfassung verankerte Kompetenz nicht auch ausnützen, wenn er merkt, dass es schiefläuft?“, meint er.

Taktisch ist diese Ansage nachvollziehbar: Die Kandidaten sehen sich als Oppositionsvertreter, die versuchen, davon zu profitieren, dass das öffentliche Ansehen der Regierung katastrophal ist. Eine Mehrheit würde sie verabschieden und wäre für eine Neuwahl. Kein Wunder, nach all dem, was Sebastian Kurz mit seiner „Familie“ angerichtet hat und wie Karl Nehammer, Leonore Gewessler und Co. nun durch die Energiekrise stolpern.

Einem Bundespräidenten steht es jedoch nicht an, eine Regierung zu entlassen, weil er findet, dass sie einen miesen Job macht. Er selbst ist zwar direkt gewählt. Aber auch die Regierung ist letzten Endes das Resultat einer Wahl; der Nationalratswahl nämlich. Das muss er berücksichtigen. Darüber darf er sich nicht hinwegsetzen. Er muss sich vielmehr damit arrangieren.

Ignoriert er das, läuft er Gefahr, zu einem kleinen Putschisten, jedenfalls aber einem demokratischen Problem zu werden: Die österreichische Verfassung ist, wie sie ist, damit kein Einzelner zu mächtig wird und autoritäre Züge erschwert werden. Im Umgang mit der Regierung muss der Bundespräsident daher immer auch die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat berücksichtigen. Sonst zeigt er, dass ihm der Volkswille, den diese zum Ausdruck bringen, vollkommen egal ist. Im Übrigen würde er eine Staatskrise provozieren. Schwacher Trost: Zu den Verlierern würde letztlich auch er zählen. Siehe Thomas Klestil. Er lehnte im Jahr 2000 eine schwarz-blaue Regierung ab, musste eine solche jedoch akzeptieren, weil sie eine Mehrheit im Nationalrat hinter sich hatte.

Die Möglichkeit des Bundespräsidenten, eine Regierung zu entlassen, ist nicht dafür gedacht, dass er sie nützt, wenn es ihm gefällt und es in Teilen der Gesellschaft gut ankommen würde. Sie ist für den Notstand vorgesehen, in dem eine Regierung etwa auf grundlegende Spielregeln pfeift oder nicht mehr handlungsfähig ist. Davon ist die gegenwärtige – bei allem Versagen – weit entfernt. Und überhaupt: Wenn, dann gehört sie im Rahmen einer (baldigen) Nationalratswahl nach Hause geschickt.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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