Gemeinsam mit britischen Kollegen konnten die Deutschen jetzt nachweisen, dass Spermien nicht nur Erbinformation tragen, sondern auch bestimmte epigenetische Faktoren auf die befruchtete Eizelle übertragen. Diese beeinflussen die Expression von Genen, ohne dabei das Erbgut selbst zu verändern. Ein Teil dieser Faktoren assoziiert man mit Genen, die bei Teilung und Differenzierung von Embryonalzellen eine wichtige Rolle spielen.
“Die Rolle des Spermiums in der Befruchtung wird durchaus kontrovers diskutiert”, erklärt Studienleiter Klaus Steger im pressetext-Interview. Lange Zeit habe man angenommen, dass es der Eizelle lediglich das väterliche Erbgut zur Verfügung stelle aber ansonsten aufgrund seiner im Vergleich zur Eizelle geringen Größe keine Funktion für die Entwicklung des Embryos besitze. “Die geringe Größe des Spermiums beruht auf einem Austausch DNA-bindender Proteine, sogenannter Histone, gegen Protamine. Dadurch benötigen sie für die Speicherung des Erbmaterials nur ein Zehntel des Raumes, den dieselbe Information in einer normalen Körperzelle oder auch einer Eizelle erfordert.”
Die jüngsten Forschungen weisen darauf hin, dass das Spermium mit der Befruchtung der Eizelle seine Schuldigkeit noch nicht getan hat. Denn der Austausch von Histonen gegen Protamine, der während der Spermiumentwicklung erfolgt und für die Verpackung des väterlichen Erbguts verantwortlich ist, geschieht nicht vollständig, sondern nur zu 80 bis 90 Prozent. “Wir stellten uns die Frage, welche Funktion der verbleibende Rest besitzt”, so Steger. Vieles deutet darauf hin, dass epigenetische Faktoren die an die Resthistone gebundenen Gene in deren Ausprägung in der Eizelle beeinflussen. “Das könnte der Grund dafür sein, dass sich ein Embryo, der nach einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung in eine Gebärmutter eingesetzt wird, häufig nicht weiterentwickelt und abstirbt”, vermutet der Giessener Urologe.
Epigenetische Faktoren beeinflussen die Expression von Genen direkt über das Erbgut und indirekt über die Histone. Sie werden wie Erbschädigungen vererbt, sind jedoch umkehrbar. “Diese Reversibilität stellt einen großen Unterschied zur Genetik dar und macht das Untersuchungsfeld viel weiter.” Dass man Mechanismen der Epigenetik bereits in naher Zukunft von außen beeinflussen könne, bezweifelt Steger jedoch. “Selbst vom Verständnis ihrer Auswirkung in der frühen Embryonalentwicklung sind wir noch mehr als ein Jahrzehnt entfernt. Der Wissenschaftszweig ist eben noch sehr jung.” Durch ihre Erkenntnis hoffen die Forscher, langfristig zur Verbesserung der Diagnose von männlicher Unfruchtbarkeit und zur Prognose von assistierten Reproduktionstechniken beizutragen.
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