Kinder- und Jugendhilfe wurde 2024 stark beansprucht

Dies ist ein Anstieg im Vergleich zu 2023 von 3,6 Prozent, was auch mit mehr Ausgaben einherging. Minimal gesunken ist die Anzahl der im Rahmen der sogenannten "Vollen Erziehung" betreuten Buben und Mädchen, die außerhalb ihrer Kernfamilie versorgt wurden. Hier gab es mit 13.050 einen Rückgang von 0,2 Prozent.
Eine Unterstützung der Erziehung wird Kindern und auch Jugendlichen bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung und in der Erwartung gewährt, "dass die Gefährdung bei Verbleib in der Familie oder im sonstigen bisherigen Wohnumfeld abgewendet werden kann", hieß es von der Statistik Austria am Donnerstag. Die Unterstützung erfolgt insbesondere durch ambulante Hilfen, Haus- und Arztbesuche sowie durch Einschränkungen des Kontakts mit jenen Personen, die das Kindeswohl gefährden.
Deutliche Unterschiede im Bundesländervergleich
Bezogen auf 1.000 Minderjährige in Österreich haben so im Vorjahr 28,7 Kinder und Jugendliche Unterstützung erhalten und 8,3 waren in der "Vollen Erziehung". Diese Zahlen schwanken zwischen den Bundesländern deutlich: Während es in Kärnten mit 43,3 deutlich mehr Hilfestellungen bei der Erziehung gab, waren in Oberösterreich nur 16,5 betroffen. Das Leben außerhalb der Familie war in Wien mit 11,9 Buben und Mädchen auf 1.000 Minderjährige deutlich häufiger als etwa in Oberösterreich mit 5,5. Generell waren von den Maßnahmen mehr Buben als Mädchen betroffen.
Die Erziehung außerhalb der eigenen vier Wände wurde hierzulande hauptsächlich in sozialpädagogischen Einrichtungen erbracht. 61,7 Prozent der betreuten Kinder und Jugendlichen lebten laut Statistik Austria dort, der Rest in Pflegefamilien.
Alarmsignal für SOS-Kinderdorf
Für SOS-Kinderdorf, dem größten privaten Träger der Kinder- und Jugendhilfe, sind die veröffentlichten Zahlen und die dahinterstehenden Schicksale ein Alarmsignal. "Die Belastungen von Familien in Österreich sind anhaltend hoch. Es muss uns zutiefst beunruhigen, wie viele Familien mit diesen Belastungen überfordert sind und teilweise daran zerbrechen", so Geschäftsführer Christian Moser. Systematische Probleme wie Teuerung, schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Überforderung mit der Erziehung könne die Organisation nicht alleine lösen, hieß es in einer Aussendung.
Die vor zehn Jahren erfolgte Kompetenzverlagerung in die Länder - und damit einhergehend unterschiedliche Regelungen je nach Bundesland - sieht Moser als gescheitert an und spricht von einem "Fleckerlteppich an Standards und Maßnahmen". Er fordert verbindliche, österreichweite Vorgaben auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und genügend finanzielle Mittel. "Immer öfter erleben wir, dass die Behörden aus Ressourcenmangel das Kindeswohl nicht sicherstellen können. Es fehlt an Betreuungsplätzen, die spezifisch auf die Notlage des Kindes ausgerichtet sind, und am nötigen Fachpersonal. Alles in allem: es fehlt am Geld", so Moser. Der Schaden, der Kindern durch verzögertes Handeln zugefügt werde, sei oft irreparabel.
Unterstützung im Bedarfsfall auch für junge Erwachsene
Teenager, die bereits von der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden, können auch nach Erreichen der Volljährigkeit im Bedarfsfall Unterstützung erhalten. Im vergangenen Jahr waren das im stationären Bereich 2.243 junge Erwachsene von 18 bis unter 21 Jahren. Das ergibt ein Plus von 5,7 Prozent im Vergleich zum Jahr 2023. 1.550 Personen derselben Altersgruppe erhielten ambulante Unterstützung, was einen Anstieg von 8,8 Prozent im Vergleich zum Jahr zuvor bedeutet. Gegenüber 2015 bedeutet dies eine Zunahme von fast 30 Prozent im stationären und fast 70 Prozent im ambulanten Bereich. Während in Niederösterreich und in Wien kaum jemand ambulante Hilfe in Anspruch genommen hat (1,4 bzw. 1,5 auf 1.000 Personen), waren es in der Steiermark 14,4 von 1.000 jungen Erwachsenen.
Insgesamt gab es im Vorjahr 53.162 Gefährdungsabklärungen, um zu prüfen, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Das ergibt einen Anstieg gegenüber 2023 von 5,8 Prozent oder 2.926 Fällen. Am öftesten war dies in Wien (24,8 Prozent) der Fall, gefolgt von Niederösterreich (21,6 Prozent)
74.823 Mal Erziehungshilfen zuerkannt
Im Vorjahr sind auch wieder mehr sogenannte Erziehungshilfen - 80,7 Prozent waren Unterstützungen, 19,3 Prozent "Volle Erziehungen" außerhalb der Familie - anerkannt worden, wie die Statistik Austria berichtete: Insgesamt war dies 74.823 Mal der Fall. Auch hierbei gab es eine Steigerung im Vergleich zum Jahr zuvor von 5,4 Prozent bzw. 3.850 Fällen. Dies erfolgte zu 92,2 Prozent aufgrund einer Vereinbarung und nur zu 7,8 Prozent auf Basis einer gerichtlichen Verfügung. Unterstützungen der Erziehung erfolgten fast zur Gänze auf Basis einer Vereinbarung mit den Erziehungsberechtigten (98,8 Prozent). Im Bereich der "Vollen Erziehung" lag dieser Wert mit 64,7 Prozent deutlich darunter.
Die Ausgaben lagen für die Kinder- und Jugendhilfe bei Unterstützungsmaßnahmen der Erziehung, der "Vollen Erziehung" und Hilfestellungen für junge Erwachsene bei 1.060,9 Millionen Euro. Dies ist eine Steigerung im Vergleich zu 2023 um 17 Prozent oder 154 Millionen Euro. Unter Berücksichtigung der Einnahmen aus Kostenersätzen durch die Unterhaltspflichtigen (53,3 Millionen Euro) verblieben den Ländern und Gemeinden Nettoausgaben für Erziehungshilfen von 1.007,6 Millionen Euro.
76 Adoptionen und 24 anonyme registrierte Geburten
Die Kinder- und Jugendhilfe wirkte 2024 an 76 Adoptionen mit, was einen Zuwachs von 40,7 Prozent bedeutet. 84,2 Prozent der Adoptionen erfolgten im Inland, 15,8 Prozent waren grenzüberschreitend. Für 72.824 Kinder und Jugendliche (Plus von 1,5 Prozent gegenüber 2023) wurden Rechtsvertretungen für Obsorge oder Unterhalt übernommen.
2024 kam es in Österreich insgesamt zu 24 anonymen Geburten, das waren elf Fälle weniger als noch 2023. Mit elf Fällen am häufigsten kam die anonyme Geburt in Wien vor. Seit 2001 ist es hierzulande möglich, ein Baby in einem Krankenhaus anonym auf die Welt zu bringen - samt medizinischer Vor- und Nachbetreuung der Mutter. Das Kind wird dann in der Regel an Adoptiveltern vermittelt. Die Mutter hat nach der Geburt sechs Monate Zeit, die Freigabe zur Adoption rückgängig zu machen. In Babyklappen wurden im Vorjahr zwei Kinder abgelegt.
(APA/Red)
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