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Bluttat ohne Vorwarnung - 16-Jähriger gestand Tötung von Kind in Wien-Döbling

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Es war anscheinend eine Bluttat ohne Vorwarnung: Der 16-Jährige, der in den Abendstunden des Montag in Wien-Döbling unter dem Verdacht festgenommen wurde, das am Samstag in einem Müllcontainer erstochen aufgefundene Mädchen getötet zu haben, will die Tat aufgrund einer in der Vorwoche aufgebauten allgemeinen Wut verübt haben. Der mutmaßliche Täter und sein Opfer kannten einander demnach länger.
Siebenjährige getötet
Kind in Müllcontainer erstochen

Wien. Bei einer Pressekonferenz in Wien zeigten sich die leitenden Beamten des Wiener Landeskriminalamtes (LKA) erschüttert. So ein Fall sei ihnen noch nicht oft untergekommen, sagten der stellvertretende LKA-Chef Michael Mimra und der stellvertretende Leiter des Ermittlungsdienstes, Gerhard Haimeder. Mehr als zwei Tage hatten sie seit dem Auffinden der Leiche der siebenjährigen Volksschülerin im “Dittes-Hof” Samstagfrüh nach Spuren gesucht, bis Spürhunde vor der Wohnung anschlugen, in der der 16-Jährige mit seinen Eltern und seinem zwei Jahre jüngeren Bruder wohnt.

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Die Tiere hatten verdächtige Blutspuren erschnüffelt, die nicht ausreichend gesäubert worden waren. Ermittler befragten daraufhin die Familie. Dabei sagte der ältere Sohn zunächst, er habe sich am Freitag geschnitten. Den Fahndern kam diese Erklärung seltsam vor. Sie hakten nach, und am Montagabend gab der 16-Jährige vor seinen Verwandten relativ schnell zu, für den Tod des siebenjährigen Mädchens verantwortlich zu sein.

Täter und Opfer kannten sich

Er wurde festgenommen und in der Nacht auf Dienstag im Wiener Landeskriminalamt genauer einvernommen. Er ist Österreicher mit tschetschenischen Wurzeln. Als er zwei war, kam er mit seiner Familie nach Österreich. Damals herrschte in Tschetschenien Krieg, auch die Familie des Opfers kam ungefähr zur selben Zeit nach Österreich. Beide Parteien wohnten seit Jahren im “Dittes-Hof”, sie kannten sich, und – so weit die Ermittler bisher wissen – sollen sie auch gute, zumindest nachbarschaftliche Kontakte gepflegt haben. Die Siebenjährige soll in der Wohnung des Verdächtigen immer wieder zu Besuch gewesen sein und ein Eis oder Ähnliches bekommen haben, sagte Haimeder.

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Auch am Freitagnachmittag spielte sie im Hof, ebenso wie der 14-jährige Bruder des Verdächtigen. Ihr älterer Bruder und ihre Freunde verloren das Mädchen irgendwann aus den Augen. Die Volksschülerin besuchte den 16-Jährigen in seiner Wohnung, der zu diesem Zeitpunkt alleine war. “Er hat das Mädchen aufgefordert, ihm zu folgen”, schilderte Haimeder die schrecklichen Ereignisse, wie sie der Jugendliche erzählt hatte. Die Siebenjährige bekam nicht mit, dass er ein Messer – ein Brotmesser mit etwa 20 Zentimeter Klingenlänge – versteckte, und kam ihm ins Badezimmer nach. Er stieß das Kind in die Dusche und führte “einen massiven Angriff” gegen ihren Hals. “Er hat ihr fast den Kopf abgetrennt”, führte der Kriminalist aus.

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Dann versuchte er, das tote Mädchen und das Badezimmer vom Blut zu säubern, was aber nicht ausreichend gelang. Spezialisten des LKA konnten sehr wohl noch Blutspuren am Tatort nachweisen. Die Leiche verpackte er in ein Plastiksackerl und warf sie in einen Müllcontainer. Haimeder betonte, dass er dabei nicht von anderen Hausbewohnern beobachtet wurde. Die Fahnder fragten ihn, ob er nicht damit gerechnet habe, erwischt zu werden. “Wahrscheinlich schon, hat er gesagt, aber er hat auch gehofft, dass die Müllabfuhr vielleicht doch schneller ist”, schilderte der Beamte.

Verwandte suchten stundenlang nach Kind

Tatsächlich ging es für die Ermittler um Minuten. Die Angehörigen der Siebenjährigen suchten am Freitag nach dem Mädchen bis in die späten Abendstunden, konnten es aber nicht mehr finden. Sein älterer Bruder erschien gegen 23.00 Uhr in der Polizeiinspektion Julius-Tandler-Platz und gab eine Vermisstenanzeige auf, schilderte der stellvertretende Ermittlungsleiter des Wiener LKA, Gerhard Haimeder.

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Noch in der Nacht streiften Polizisten in der Wohnanlage, einem Gemeindebau mit etwa 300 Wohnungen. Am Samstag in den frühen Morgenstunden wurde die Suche fortgesetzt. Es kamen zwei Mordermittlergruppen zum Einsatz, dazu die Bereitschaftseinheit, Dienst- und Stöberhunde. Ein Beamter alarmierte die Mitarbeiter der Müllabfuhr (Magistratsabteilung 48), beim Ausleeren der Container besonders vorsichtig zu sein.

Waschküche als Tatort vermutet

Ein MA48-Arbeiter entdeckte tatsächlich in einem Container das Plastiksackerl, aus dem die Beine des toten Mädchens herausschauten. “Es war eine Frage von Minuten”, sagte Haimeder. Der Fundort wurde abgesperrt. “Unser erster Ansatz war, den Tatort zu finden”, erläuterte der leitende Ermittler die weitere Vorgangsweise. Die 300 Wohnungen, in denen 520 Anrainer beim Zentralmeldeamt registriert sind, wurden überprüft. Zunächst vermuteten die Fahnder eine Waschküche als Tatort, weil die Leiche offensichtlich gereinigt worden war und sie an einen Ort dachten, in dem der Täter einige Zeit ungestört arbeiten hätte können. Als aber klar war, dass die Waschküchen vom Magistrat gegen Voranmeldung vergeben werden, schieden sie diese Möglichkeit relativ bald wieder aus und konzentrierten sich auf die Wohnungen, wo sie dann bei dem 16-Jährigen Erfolg hatten.

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Die Angaben des Jugendlichen zu seinem Motiv machten die Ermittler fassungslos: “Wir haben ihn gefragt: ‘Warum dieses Mädchen?’ Er hat diesen Stehsatz, den man oft hört, gesagt: ‘Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort.'”, schilderte Haimeder die Verantwortung des Burschen. Der 16-Jährige dürfte keine großen Emotionen oder Reue gezeigt haben: “Es ist ihm egal, von seinen Aussagen und seiner Körpersprache her. Es tut ihm die Mutter des Opfers leid, nicht das Mädchen.”

Allgemeine Wut

Nach derzeitigem Ermittlungsstand war es nicht absehbar, dass der Jugendliche so eine Bluttat verüben könnte. “Er hat angegeben, dass sich bei ihm in der vergangenen Woche eine allgemeine Wut aufgebaut hat”, sagte Haimeder. Näher definiert habe er dies nicht. Der 16-Jährige ist Gymnasiast, er war ein guter Schüler und sei nach ersten Erkenntnissen auch nicht gemobbt worden oder sei auf jemanden böse gewesen sein.

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Die Eltern des 16-Jährigen waren zum Tatzeitpunkt nicht zuhause. Sie brachen zusammen, als sie das Geständnis ihres Sohnes hörten. Die Mutter kollabierte und wurde von der Rettung versorgt. Ein Freund holte die Familie aus der Wohnung ab und brachte sie weg.

Computer und Mobiltelefon werden untersucht

Die Ermittlungsarbeit der Polizei ist noch nicht abgeschlossen. Von weiteren Einvernahmen erhoffen sie sich, dass es doch noch nähere Aufschlüsse zum Tatmotiv gibt. Auch sein Computer und sein Mobiltelefon werden gecheckt. Mimra und Haimeder betonten auf Nachfrage, dass es bisher keine Hinweise auf andere Motive gibt, etwa auf eine versteckte Radikalisierung oder dass es im Hintergrund etwa doch Zwistigkeiten zwischen den beiden Familien gegeben hat.

Erschüttert zeigte sich auch Landesvizepolizeipräsident Michael Lepuschitz. Er wies darauf hin, dass die Polizei immer häufiger Messer als Tatwaffen registriere. “Nicht nur bei Tötungen, sonder auch bei Körperverletzungen, Raubüberfällen und anderen Taten”, betonte Lepuschitz. Oft handle es sich um ganz einfache Messer, “etwa Küchenmesser, wie im vorliegenden Fall, oder Taschenmesser”. Darüber werde man nachdenken müssen. Der Landesvizepolizeipräsident sagte, dass es heuer in Wien bisher zwölf Tötungsdelikte gab, von denen bisher elf geklärt wurden.

Auch Familie hat keine Erklärung

Die Familie des in Wien getöteten siebenjährigen Mädchens hat keinerlei Erklärung dafür, wieso ihre Tochter von dem 16-jährigen mutmaßlichen Täters erstochen worden ist. Laut dem Anwalt der Familie, Nikolaus Rast, waren die beiden zwar nicht befreundet gewesen, hätten sich durch den gemeinsamen Hof des Gemeindebaus in Döbling aber gut gekannt. Die Tat des “Verrückten” sei ohne Vorzeichen passiert.

Der Bursche sei im Vorfeld in der Gemeindebau-Gemeinschaft niemals auffällig gewesen. Sonst hätten die Eltern beim Umgang ihrer Tochter mit dem 16-Jährigen “ganz anders reagiert”, sagte Rast. Auch zwischen den Familien herrschte gutes Einvernehmen, Streitigkeiten zwischen Angehörigen gab es nicht. Es handle sich wohl tatsächlich um die “Einzeltat dieses Menschen”, meinte Rast.

Bei dem Termin stellte sich die Mutter gemeinsam mit einem Sohn noch einmal den Medien. Sie gab aber kein Statement mehr ab. Der Anwalt bat dann im Namen der Familie darum, die Privatsphäre der Angehörigen zu respektieren, damit diese in Ruhe trauern können.

(Schluss) hai/gu

Pressekonferenz: Liveticker-Nachlese

(APA)

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